Das Programm als Errungenschaft der ganzen Partei wurde in den Hintergrund gedrängt
Überlegungen aus der Beratung des Ältestenrates
In seiner Beratung am 15. Dezember 2011 hat sich der Ältestenrat mit den Ergebnissen des Erfurter Parteitages beschäftigt. Die Verabschiedung des Parteiprogramms wurde als eine wichtige Etappe in der Entwicklung der Partei und als unverzichtbare Grundlage für ihr zukünftiges Wirken gewürdigt.
Nach dem Parteitag hatten wir es in der Partei – so unsere Erfahrung und Einschätzung – mit einer Art "Aufbruchstimmung" zu tun. Die Mitglieder an der Basis erwarteten konkrete Beschlüsse des Parteivorstandes und der Landesvorstände zur Umsetzung des Programms. Es gab – und es gibt sie auch jetzt noch – eine große Bereitschaft zu praktischem politischem Engagement.
Leider aber begann nach dem Parteitag eine neue Runde der Personaldebatte und zur Frage eines möglichen Mitgliederentscheids darüber. Sie bestimmte weitgehend das Medienbild der Partei. De facto wurde das Programm als "Errungenschaft der ganzen Partei" in den Hintergrund gedrängt. Diese Situation birgt die Gefahr in sich, dass auch im 1. Halbjahr 2012 bis zum Parteitag in Göttingen Unsicherheit in der Partei herrscht und das politisch aktive Handeln der Partei erschwert wird. Leider hat auch die Beratung im Dezember in Elgersburg keine konkreten Antworten gegeben, sie vielmehr auf Anfang des Jahres 2012 verschoben.
Es ist höchste Zeit, die Mitglieder der Partei im ganzen Land zu mobilisieren. Dazu hier einige Überlegungen aus unserer Beratung am 15. Dezember 2012:
Mit der Gründung der Partei DIE LINKE vor 5 Jahren betrat etwas Neues die politische Bühne in Deutschland, es geschah etwas Bedeutendes in der linken politischen Bewegung: Linke politische Kräfte verschiedener Herkunft wollen zusammengehen, wollen gemeinsam politisch handeln. Das aber erfordert Zeit, erfordert eine gewisse Geduld und Verständnis füreinander, erfordert vor allem das Ringen um Gemeinsamkeiten, um gemeinsame politische Positionen als Grundlage für gemeinsames Handeln. In den vergangenen Jahren ist dabei viel erreicht worden, nicht zuletzt mit der Debatte zum Parteiprogramm und seiner Verabschiedung. Jetzt kommt es darauf an, das bisher Erreichte zu sichern und auszubauen. Dabei sollten wir uns unserer Verantwortung als deutsche Linke gegenüber der internationalen linken Bewegung immer bewusst sein.
Nach wie vor sehen wir in der unterschiedlichen Situation der Partei ist Ost und West ein zentrales Problem, dem höchste Aufmerksamkeit gebührt. Es geht sowohl um unterschiedliche Ausgangsbedingungen, die zum Zusammenschluss von PDS und WASG führten und nach wie vor im praktischen politischen Handeln, im Herangehen an politische Aufgaben, eine Rolle spielen, als auch um die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in Ost und West, mit denen die Partei heute und in naher Zukunft fertig werden muss, z.B. mit der Tatsache, dass DIE LINKE im Osten nach wie vor mit größeren Fraktionen in den Länderparlamenten vertreten ist, während wir in den westlichen Bundesländern von einer relativen Stagnation sprechen müssen und größte Anstrengungen erforderlich sind, um die 5%-Klausel zu überspringen. Das alles hat nicht zuletzt Auswirkungen auf die Arbeitsmöglichkeiten der Partei.
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Unsere Partei versteht sich als pluralistische Partei – das aber ist bei weitem nicht nur ein Ost-West-Problem. Nicht zuletzt im Osten haben sich z. T grundlegend unterschiedliche Positionen innerhalb der Partei seit 1990 herausgebildet und teilweise bis heute verfestigt. Die Erfahrungen der vergangenen Wochen seit dem Parteitag lehren, dass sich mit der Verabschiedung des Programms die sog. Strömungsdebatte nicht erledigt hat.
Es gilt aber auch: unterschiedliche Meinungen über die Situation in der Partei und ihre konkrete politische Arbeit sind in der Regel getragen von der Absicht, die Partei zu festigen, ihre politische Wirksamkeit zu erweitern, zu erhöhen! Der pluralistische Charakter der Partei ist für den Erfolg des Zusammengehens linker Kräfte unabdingbar!
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Aber gerade darum ist das Ringen um gemeinsame Positionen auf der Grundlage des Programms so wichtig, und nicht zuletzt deshalb brauchen wir politische Bildung für alle Mitglieder der Partei, um bei allen das Wissen und das Verständnis für die Grundlagen der Partei zu festigen. Pluralismus braucht ein solides wissenschaftlich begründetes Fundament! Ohne ein solches besteht die Gefahr der Beliebigkeit und des Entstehens von politischen Illusionen – welcher Art auch immer. Erforderlich ist deshalb u. E. ein durchdachtes Konzept zur politischen Bildung, das inhaltliche Schwerpunkte zur wissenschaftlich-theoretischen Fundierung des Parteiprogramms und zu aktuellen Fragen der kapitalistischen Entwicklung in Deutschland und in der Welt sowie praktische Wege zu ihrer Realisierung ausweist. Auf ein Minimum an gesellschaftstheoretischer Fundierung und ein gewisses Maß an historischem Wissen zur Arbeiterbewegung und zur Entwicklung der linken politischen Bewegung in den letzten Jahrzehnten kann und darf u. E. eine linke pluralistische Partei nicht verzichten. Das schließt auch ein eindeutiges NEIN zur Delegitimierung der DDR und zur Diskreditierung des Sozialismusversuchs im Osten Deutschlands ein.
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Die Debatte um Personalfragen – und damit ist nicht in erster Linie die seit dem Parteitag gemeint – hat ein weiteres Problem verdeutlicht. Nicht wenige Genossinnen und Genossen haben den Eindruck und sprechen darüber auch offen in den Basisgruppen, dass über wichtige Entscheidungen nicht in erforderlichem Maße und in der erforderlichen Breite in der Partei beraten wird, dass Entscheidungen "oben" getroffen werden, dass es überhaupt an Transparenz fehlt. Innerparteiliche Demokratie wird angemahnt. Unabhängig davon, ob eine solche Kritik am Parteivorstand oder am jeweiligen Landesvorstand festgemacht wird, unabhängig davon, was an solchen Äußerungen konkret begründet ist, sind wir uns sicher, dass innerparteiliche Demokratie und Transparenz für eine linke Partei ein hohes Gut sind, und dass ohne sie die Partei in ihrer Entwicklung beschädigt und ihre konkrete politische Wirksamkeit erschwert wird. Hier sind alle Vorstände der Partei, von den Kreisen über die Länder bis zum Bundesvorstand gefordert!
Daran zu arbeiten ist umso wichtiger, als in der Öffentlichkeit – vor allem von Freunden und Sympathisanten, von potentiellen Wählern - nicht nur die Frage gestellt wird, was die Partei konkret will, was sie konkret im Ort, im Kreis, im Land, im Bund anpacken und verändern will, sondern oftmals Zweifel geäußert werden, wie sie das Jeweilige erreichen will, was sie konkret bewirken kann. Solche Debatten gibt es nicht zuletzt auch in der Partei selbst. Gerade dann, wenn die Partei in Regierungsverantwortung eintritt und für die Wähler Widersprüche zwischen Programm/Wahlprogramm der Partei und Handeln in der Koalition sichtbar werden, wird das zu einem Glaubwürdigkeitsproblem. Auch hier sind in besonderem Maße Transparenz und Offenheit gefragt!
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In diesem Zusammenhang sehen wir nach wie vor -und das wurde in den vergangenen Jahren mehrfach im Ältestenrat angesprochen – das Problem einer gewissen Übergewichtung der parlamentarischen Arbeit, was nicht zuletzt auch mit der Tatsache zu tun hat, dass viele Abgeordnete bzw. deren Mitarbeiter in den Vorständen stark vertreten sind. Ihr tägliches Arbeitspensum, ihre Pflichten in der Parlamentsarbeit, ihre Erfahrungswelt prägen oftmals die Arbeit der Vorstände und auch so mancher Bundesarbeitsgemeinschaft. Dieses Problem ist in der Diskussion innerhalb der Partei zu einem Dauerthema auf de facto allen Ebenen geworden. Langjährige Erfahrungen der linken Bewegung nicht nur in Deutschland belegen, dass einer solchen Entwicklung gezielt entgegengewirkt werden muss! So bedeutsam das Wirken in den Parlamenten für die Realisierung der politischen Ziele der Partei ist, das aktive Wirken der Partei in der Gesellschaft, im Alltäglichen der Menschen darf dabei nicht vernachlässigt werden, im Gegenteil, hierliegt das "Hauptkampffeld" einer linken Partei.
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Unbestritten dürfte sein, dass die Partei und insbesondere ihre Vorstände in den Ländern und im Bund ein hohes Maß an Sachkompetenz brauchen, um erfolgreich in der aktuellen Politik wirken und überhaupt linke Politikkonzepte entwickeln zu können. Das erfordert nach unserer Meinung ein bedeutend höheres Maß an Aufmerksamkeit der Vorstände gegenüber den Arbeits- und Interessengemeinschaften (AG/IG). Die Strömungsdebatten in der letzten Zeit haben das Wirken der AG/IG überdeckt, bei ihnen geht es aber in erster Linie um sachlich-fachliche Kompetenz und die Erarbeitung entsprechender Vorschläge und Konzepte. Die AG/IG sind ein positives Erbe der Gründungsphase der PDS und vor allem, sie verfügen über ein großes Potential für eine konkrete inhaltsbezogene Arbeit der Partei und damit für die fachlich-sachliche Fundierung der Arbeit der Vorstände. Auf ihr Wirken kann und darf die Partei nicht verzichten, sie brauchen Unterstützung und Förderung!