Das Wahlergebnis und worauf sich DIE LINKE in den nächsten Jahren konzentrieren sollte!
Erklärung des Ältestenrates
DIE LINKE hat bei den Bundestagswahlen mit 8,6% ein achtbares Ergebnis erreicht, wie es von Vielen vor einem Jahr kaum erwartet wurde. An diesem Achtungserfolg haben die neuen und die alten Bundesländer gleichermaßen Anteil. Der Wiedereinzug unserer Partei in den Hessischen Landtag ist ein wichtiges Signal: die "Tendenz" zur Liquidierung der LINKEN in den Landtagen der westdeutschen Flächenländer wurde gestoppt! (Siehe dazu den Beitrag von Manfred Coppik in der Anlage!) Ein engagierter Wahlkampf der Partei insgesamt, ihrer Gliederungen in den Ländern und Kommunen sowie das überzeugende Auftreten von Gregor Gysi, Sahra Wagenknecht und viele andere Genossinnen und Genossen haben dazu beigetragen. Die Partei kämpfte diszipliniert und vermied, innerparteilichen Streit in die Öffentlichkeit zu tragen.
Bei aller Freude darüber, dass die Partei als drittstärkste Kraft in den Bundestag einzieht, signalisieren die Ergebnisse aber auch ernste Probleme. Der Verlust von ca. 1,4 Millionen Stimmen und der Mehrzahl der Direktmandate darf nicht leicht genommen werden und muss auf seine Ursachen hin gründlich und detailliert untersucht werden. Wenn es nicht gelingt, die eigenen Mängel, Schwächen und Fehler zu analysieren, werden uns Schlussfolgerungen für notwendige Veränderungen fehlen.
Für die Bestimmung der Grundrichtung und der inhaltlichen Schwerpunkte des politischen Wirkens der Partei in den kommenden Jahren ist eine über die Wertung der statistisch erfassten Ergebnisse hinausgehende Analyse der Wahlergebnisse und des gesellschaftlichen Zustands in der deutschen Gesellschaft dringend erforderlich. Die Rolle Deutschlands im internationalen und im europäischen
Kontext (Europäische Union) darf dabei nicht ausgeklammert werden. Vor allem muss beachtet werden, dass die Bundestagswahlen den stärksten Rechtsruck seit 1990 anzeigen.
Dringend notwendig ist nach unserer Meinung also eine über die Wahlanalyse hinausgehende Gesellschaftsanalyse!
Daraus werden kurz- und langfristige Konsequenzen für das Wirken der Partei als Opposition im Bundestag, vor allem aber für ihr Wirken im außerparlamentarischen Kampf abzuleiten sein. Sie gründlich zu durchdenken und zu konkreten Schlussfolgerungen zu kommen, steht jetzt auf der Tagesordnung.
Alles in allem gilt es für die Partei DIE LINKE jetzt nach den Bundestagswahlen, sich auf die "neuen" Realitäten einzustellen und mit ihnen umzugehen. Und das erfordert nicht zuletzt, den Konsolidierungsprozess fortzusetzen und dabei das politische Profil der Partei auf der Grundlage des Erfurter Programms weiter auszuprägen, was auch die ehrliche Debatte über bisher offen gebliebene Streitfragen einschließt.
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Die zentrale Frage für das Wirken der Partei in der gesamten kommenden Legislaturperiode besteht nach unserer Meinung darin, dass sich die Partei voll als Oppositionskraft im Parlament u n d imAußerparlamentarischen profilieren muss. Auf die verschiedensten Angebote der LINKEN, für "rot - rot - grün" offen und gesprächsbereit zu sein, haben die "Partner" immer nur mit Ausgrenzungserklärungen geantwortet. Unsere Antwort jetzt muss sein:
Anpassung an die gegebenen Verhältnisse und an die politischen Vorstellungen der "Partner" kann nicht Sache der LINKEN sein. Wir verstehen uns nicht als "Regierungspartei im Wartestand"! Deshalb gilt es, unsere politischen Ziele insgesamt, vor allem aber die auf sozialpolitischem Feld, mit Nachdruck in die öffentliche Debatte einzubringen und im Parlament mit Nachdruck zu vertreten. Dabei muss auch deutlich gemacht werden, wo und wie sich unsere Vorstellungen und Vorschläge von denen anderer Parteien, einschließlich SPD und GRÜNE, unterscheiden, dass wir mit unseren Vorschlägen natürlich mehr soziale Gerechtigkeit wollen, aber auch bei konsequenter Verwirklichung bewusst an die Grenzen des kapitalistischen Systems stoßen. In eine solche Richtung müssen z.B. die zehn "Kernziele und Einstiegsprojekte für die kommende Legislaturperiode", die auf dem Konvent der LINKEN am 09. September 2013 vorgestellt wurden, und das von der neuen Bundestagsfraktion beschlossene "100-Tage-Oppositionsprogramm" weiter gedacht und ausgearbeitet werden. Es ist Aufgabe der Vorstände der Partei und der gesamten Fraktion, dafür Sorge zu tragen, dass sie in der Arbeit der Partei einen festen Platz einnehmen und in die öffentliche Debatte eingebracht werden.
So richtig es ist, dass an dem (relativen) Wahlerfolg der DIE LINKE die alten wie die neuen Bundesländer gleichermaßen Anteil haben, so notwendig bleibt die Feststellung, dass es in derBundesrepublik nach wie vor eine Zweiteilung gibt, dass von gleichen Bedingungen in Ost und West nicht die Rede sein kann. Nach wie vor gibt es Diskriminierungen der Menschen in Ostdeutschland, nach wie vor bleibt die wirtschaftliche Entwicklung - von einigen Zentren abgesehen - zurück, nach wie vor gibt es eine höhere Arbeitslosigkeit. Für DIE LINKE bleibt also die Überwindung dieser Unterschiede - wie auch die Überwindung der Unterschiede in den Lebensbedingungen in der BRD generell - eine Aufgabe von grundlegender Bedeutung. Das muss ein wesentlicher Teil unseres Kampfes gegen Armut und gegen die wachsende Differenz zwischen Arm und Reich sein! Der steht für DIE LINKE in Ost und West auf der Tagesordnung und erfordert die Stabilisierung der Partei in ganz Deutschland, wobei die unterschiedlichen Wirkungsbedingungen für die Partei sicher auch unterschiedliche Lösungsvarianten erfordern.
Es ist gewiss nicht ganz zufällig, dass im Vorfeld der Bundestagswahlen im Bundestag ein "Bericht der Bundesregierung zum Stand der Aufarbeitung der SED-.Diktatur" vorgelegt wurde. Dazu gab es zwei Entschließungsanträge der Fraktionen CDU/CSU und FDP und von SPD und GRÜNEN. Die Linksfraktion hatte leider darauf verzichtet, eine grundlegend kritische Position zu dem Bericht in einem eigenen Entschließungsantrag vorzulegen. Mit den vorgelegten Dokumenten wurde sehr deutlich, dass die Erinnerungskultur in Deutschland mehr und mehr darauf gerichtet ist, die Verbrechen des Faschismus zurückzudrängen und die Fortsetzung in Richtung Antikommunismus intensiver denn je betrieben wird. Antifaschistische Traditionen sind schon immer gemeinsames Gut der linken Kräfte inDeutschland gewesen. Die Bezeichnung der DDR als zweite deutsche Diktatur und die damit vorgenommene Gleichsetzung der DDR mit dem Faschismus ist zum Markenzeichen der antikommunistischen Propaganda und auch der alltäglichen Agitation in den Medien geworden. Sie ist darauf gerichtet, jegliches Nachdenken über gesellschaftliche Alternativen zu verhindern, ja, ein solches Nachdenken überhaupt nicht erst aufkommen zu lassen. Der Kapitalismus wird als alternativlos dargestellt, die Menschen werden antikommunistisch manipuliert. Dem dienen auch Aktivitäten unterschiedlicher Art zur sog. Aufarbeitung kommunistischer Diktaturen überhaupt. Jegliches Nachdenken über Geschichte generell, über die Geschichte des Sozialismus und speziell der DDR, wird im Interesse der Herrschenden instrumentalisiert. Es wird ein Geschichtsbild - nicht zuletzt in den Schulen - vermittelt, das mit einem wissenschaftlichen Herangehen an Geschichte und mit der historischen Wahrheit nichts oder wenig zu tun hat.
Wer wenn nicht die Oppositionspartei DIE LINKE soll diesem Treiben Paroli bieten?!!
Es muss auf solider marxistischer wissenschaftlicher Grundlage geantwortet und damit zugleich gezeigt werden, dass mit einer solchen "Erinnerungskultur" das kapitalistische System als das beste Gesellschaftssystem "verkauft" und dem gesellschaftlichen Fortschritt eine Mauer, ein Halt, entgegengesetzt werden soll. Wir sehen darin eine wesentliche Aufgabe unserer Partei insgesamt, ihrer Vorstände und Fraktionen, und nicht zuletzt auch der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung.
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Nach wie vor ist die Stabilisierung der Partei von zentraler Bedeutung. DIE LINKE ist in Deutschland unter den im Bundestag vertretenen Parteien die einzige wirkliche Oppositionspartei! Sie setzt sich in den Parlamenten und in ihrem außerparlamentarischen Wirken prinzipiell mit der Politik und dem aktuellen politischen Handeln der Herrschenden auseinander und enthüllt die hinter dem Handeln der Herrschenden stehenden Interessen und Interessengruppen sowie deren Machtansprüche. Als Antikriegspartei tritt sie gegen jegliches militärisches Engagement der Bundesrepublik und gegen Rüstungswahnsinn auf. Als Partei der sozialen Gerechtigkeit engagiert sie sich für die politischen und sozialen Interessen der Bürgerinnen und Bürger, sie kämpft für die Überwindung der Unterschiede zwischen Arm und Reich. Sie setzt auf umfassende Information der Menschen über alle bedeutenden gesellschaftlichen Angelegenheiten und deren breiteste Mitwirkung in Gesellschaft, Staat und im Alltag. Für sie ist der Kapitalismus nicht das letzte Wort der Geschichte!
Dieses Profil der Partei auszuprägen ist Sache des alltäglichen Kampfes um die Verwirklichung unserer politischen Ziele. Die Bemühungen zur Konsolidierung der Partei in Ost und West gilt es fortzusetzen und jetzt nach den Bundestagswahlen innerparteilich eine Reihe von theoretischen Fragen ohne Tabus und vor allem sachlich weiter zudiskutieren und zu klären, die mit der Programmdebatte offen geblieben, aber für den Charakter und das Profil der Partei sehr bedeutsam sind. Das bezieht sich z.B. auf Fragen des Profils und des Charakters der Partei als Partei des Demokratischen Sozialismus, auf ihr Verhältnis zur marxistischen Theorie, auf ihr Geschichtsbild und ihre Stellung und Funktion in der bundesdeutschen kapitalistischen Gesellschaft (siehe auch die Erklärung des Ältestenrates vom 8. August 2013!).
Die Erfahrungen der vergangenen Jahre und nicht zuletzt auch die der Zeit des Bundestagswahlkampfes, haben gelehrt, dass die Partei die Interessen und Bedürfnisse der Jugend zur Kenntnis nehmen und aufgreifen, dass sie auch gezielt um Jugendliche für die Partei werben und sie in die politische Arbeit einbeziehen muss. Junge Menschen haben spezifische Interessen, wie z.B. Fragen ihrer Bildung und Ausbildung. Zugleich aber bewegen sie mehr oder weniger alle grundlegenden Fragen der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung im Land und darüber hinaus in Europa und in der Welt. Sie suchen nach Informationen und Antworten auf ihre Fragen, wollen sich ihre eigene Meinung bilden, und nicht Wenige wollen sich auch aktiv einmischen - Jugend will Zukunft.
Eine gezielte und kontinuierliche Orientierung der Partei und Ihrer Vorstände auf die Arbeit mit der Jugend, auch auf gegenseitige Information und Erfahrungsaustausch, ist für die Entwicklung der Partei selber und für ihr politisches Wirken im Land von grundlegender Bedeutung.
Zu den umstrittenen Fragen in der Partei gehört das Verhältnis zu Europa, zur Europäischen Union. Die bevorstehenden Europawahlen erfordern, dass sich die Partei als Ganzes intensiv der Europäischen Union und ihren partnerschaftlichen Beziehungen zu den anderen Staaten Europas zuwendet und dabei ihre prinzipielle Kritik am Charakter, am gegenwärtigen Zustand und an deraktuellen Politik der EU und ihrer Gremien deutlich macht und in die Öffentlichkeit trägt. Das erfordert aber auch, in der Partei selber über ein linkes Verständnis von Europa nachzudenken und entsprechende Positionen zu erarbeiten. Das schließt nicht zuletzt auch das Vertrautmachen mit der Entwicklung der Partei der Europäischen Linken und Fragen der internationalen Solidarität ein.