Die Wahlen zum Europäischen Parlament und in Bremen
Von Joachim Bischoff, Klaus Busch, Hinrich Kuhls und Björn Radke
Aufschwung der Rechtspopulisten gestoppt?
Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament (EP) hat die Koalition aus Europäischer Volkspartei (EVP) und der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D) ihre Mehrheit verloren. Eine neue Dreier-Koalition unter Einschluss der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE) ist wahrscheinlich. Neben der ALDE haben die Grünen stark zugelegt, während die Konföderale Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordischen Grünen Linken (GUE/NGL) Verluste erlitt. Ein vielfach befürchteter starker Zuwachs der Rechtspopulisten bzw. der Kräfte rechts von der Mitte ist auch dank der höheren Wahlbeteiligung ausgeblieben.
Die EVP mit Manfred Weber als Spitzenkandidat ist mit ca. 180 Sitzen stärkste Kraft geblieben, hat aber rund 40 Mandate verloren. Die S&D mit Frans Timmermans hat ca. 150 Sitze errungen und ebenfalls etwa 35 Mandate abgeben müssen. Die S&D strebt zwar eine Koalition ohne EVP an (mit ALDE, Grünen und GUE/NGL), um Timmermans zum Kommissionspräsidenten wählen zu können, aber dies wird nicht nur aus arithmetischen Gründen schwierig werden, sondern auch an politischen Widerständen aus der ALDE scheitern. Diese Fraktion hat mit 108 Sitzen 40 Mandate hinzugewonnen, davon entfallen 21 auf die Partei Macrons LREM. Macron möchte Weber und Timmermans als Kommissionspräsidenten verhindern. Im Ergebnis dürften sich EVP, S&D und ALDE auf einen Kompromisskandidaten einigen.
Weil der Klimawandel zunehmend in den Mittelpunkt der politischen Debatte auch in der EU rückt, konnten die pro-europäischen Grünen sich um 16 Mandate auf 68 Sitze steigern. 70% der Mandate entfallen dabei allerdings auf nur drei Länder, nämlich Deutschland, Frankreich und Großbritannien. In Süd- und Osteuropa sind die Grünen nach wie vor eine quantité négligeable. In dreizehn EU-Staaten verfügen sie über kein EP-Mandat und in weiteren acht Staaten über nur ein bis zwei Sitze.
Die GUE/NGL hat zwölf verloren und wird wohl nur noch 40 Mandate haben. Je sechs kommen dabei aus Griechenland, Spanien (minus 6), Frankreich (plus 2) und Deutschland (minus 2). Diese Fraktion ist in Osteuropa äußerst schwach vertreten, sie verfügt nur in Tschechien über ein Mandat. Die starken Verluste sind auch darauf zurückzuführen, dass ihre Parteien zur EU ein ambivalentes Verhältnis haben. Wer als linksorientierter Wähler eine pro-europäische Position vertritt, hat eventuell eher die Grünen gewählt.
Vor den Wahlen hatten die Rechtspopulisten aus Italien, Frankreich, Deutschland und Österreich unter Führung von Matteo Salvini angekündigt, im EP eine »Allianz der Nationen und der Völker« zu bilden, die ein Drittel der Mandate erringen könne und das EP sowie die EU von innen politisch umkrempeln würde. Die Wahlergebnisse zeigen, dass Rechtspopulisten und auch die Kräfte »rechts der Mitte« im Vergleich zu 2014 kaum dazugewinnen konnten bzw. bei einer Rechnung unter Ausschluss der britischen Mandate prozentual sogar leicht verlieren werden.
Im alten EP verfügten die drei Fraktionen »Europäische Konservative und Reformer« (EKR), »Europa der Nationen und der Freiheit« (ENF) und »Europa der Freiheit und der direkten Demokratie« (EFDD) über 10%, 5% und 5,5% der Mandate. Im neuen EP unter Einschluss der britischen Mandate würden die beiden rechtspopulistischen Fraktionen (ex-ENF und ex-EFDD) von 10,5% auf 15,2% ansteigen und die EKR auf 7,5% abnehmen. Zusammen hätten sie 22,7% statt 20,5%. Einen Grund zum Feiern haben die rechten Kräfte damit europaweit nicht. Die 71 Sitze von Salvinis Allianz kommen vor allem aus Italien (28, ein Plus von 23), Frankreich (22, minus 2) und Deutschland (11, plus 4). In 20 EU-Staaten ist diese Allianz ohne Mandat geblieben. Das Eindämmen der Rechtspopulisten kann auf die gestiegene Wahlbeteiligung (von 42,5% auf 50,5%), die Auswirkungen der Strache-Affäre und die abnehmende Überzeugungskraft der Propaganda gegen Migranten und Flüchtlinge zurückgeführt werden.
Welche Chancen hat die populistische Allianz?
Trotz der großen Krisen des vergangenen Jahrzehnts (Wirtschaft & Banken, Absturz Griechenland, Portugal, Terrorismus, Flüchtlinge, Klimawandel) sehen die Menschen die EU überwiegend positiv, wofür die gestiegene Wahlbeteiligung spricht. Während die Mehrzahl der Parteien von der Notwendigkeit einer europäischen Kooperation in wirtschaftlichen Fragen und der Sicherung der geopolitischen Eigenständigkeit überzeugt sind, verlangen rechte Bewegungen und Parteien eine Rücknahme der Integration und setzen auf eine Re-Nationalisierung.
Angesichts des Brexits-Dramas und des Aufwinds für nationalistische Stimmungen wurde ein »Durchmarsch« der modernen Rechten befürchtet. Dabei haben die konservativ-bürgerlichen Parteien die skandalöse Haltung entwickelt, sich über Brüssel zu beschweren, obwohl sie an der Politikgestaltung in der EU über den Ministerrat direkt beteiligt sind. Und auch die Sozialdemokraten haben dazu beigetragen, ihre gemeinsame Mehrheit im EU-Parlament zu unterminieren. Unter dem Strich ist jedoch ein massiver Absturz der proeuropäischen Parteien und ein Erdrutschsieg der Nationalisten ausgeblieben. Gleichwohl bleibt die Gefahr eines nationalistischen Rollbacks.
Die nationalistischen Rechten haben vor der Wahl ihre Strategie verändert. Sie wollen die EU nicht mehr zerstören, sondern »ihr neue Regeln geben« (Salvini), was auf die Auflösung der bisherigen Strukturen wirtschaftlicher Kooperation und des Europäischen Gerichtshofs mit seinem lästigen Beharren auf Meinungsfreiheit und Menschenrechten, sowie die Schwächung der EU-Kommission, Aufgabe des Euro hinausläuft. Besteht eine Chance, dass sich durch das Wahlergebnis so etwas umsetzen lässt?
Bisher verlief das Verhandeln über EU-Richtlinien und EU-Verordnungen dank der Mehrheit von EVP und Sozialdemokraten nahezu reibungslos. Künftig wird es drei Gruppierungen geben müssen, um eine Vorlage mehrheitsfähig zu machen. Auch wenn es keinen dramatischen Erdrutschsieg der rechten Parteien gegeben hat, ist es Salvini gelungen, die Regionalpartei Lega Nord in eine landesweit dominierende rechtsnationale Kraft zu verwandeln (34,3%). Dass im EP insgesamt nun eine EU-feindliche Großfraktion zustande kommt, ist allerdings unwahrscheinlich, denn dem großen Schulterschluss stehen persönliche Animositäten, ideologische Differenzen sowie unterschiedliche nationale Interessen im Wege.
Eine Allianz von Rechtskonservativen und Rechtpopulisten ist trotz des vorläufigen Scheiterns von Schwarz-Blau in Österreich nicht aus der Welt. Um Politik zu beeinflussen, sind die Nationalisten auf die Kooperationsbereitschaft mit Teilen der EVP (etwa in der Migrationspolitik) angewiesen. Die moderne Rechte könnte schleichend ihren Einfluss ausbauen, wenn die »Traditionsparteien« beginnen, Vorstellungen der Rechten etwa in der Migrationspolitik oder in der Polemik gegen Brüssel zu übernehmen (wie in Österreich, Skandinavien und Italien bereits geschehen).
Emanuel Macron, dessen »La République en Marche« eine Allianz mit der ALDE eingehen wird, will im EU-Parlament ein proeuropäisches Gegengewicht gegen den Nationalismus entwickeln. Damit könnte ein neuer starker Pol unter Einbindung der Sozialdemokraten und der EVP entstehen, der auch für die Grünen mit ihrer Abgrenzung von der modernen Rechten anschlussfähig wäre. Das Bündnis »Pour une Renaissance européenne« wird von einer breiten transnationalen Koalition von Mitte-links- bis Mitte-rechts-Politikern unterstützt, die vom portugiesischen Ministerpräsidenten Antonio Costa über den Italiener Matteo Renzi bis zum Belgier Guy Verhofstadt reicht. Mit der Parole »une Europe qui protège« versucht Macron den Populisten den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Das gespaltene Brexit-Land hat mitgewählt
In Großbritannien und Nordirland (UK) hat die Wahl die politische und gesellschaftliche Spaltung offengelegt. Während UKIP 2014 24 der 73 britischen Mandate erzielt hatte, entsendet die vor vier Monaten gegründete Brexit-Partei mit ihrem Vorsitzenden Nigel Farage jetzt 29 Abgeordnete. Landesweit haben sich mehr als ein Drittel der Wählerinnen und Wähler für die Rechtspopulisten entschieden. Zudem signalisiert die nur geringfügig auf 37% gestiegene Wahlbeteiligung, dass sich die Abkehr der Mehrheit der Wahlbevölkerung vom politischen System verfestigt.
Die Brexit-Polarisierung hat alle proeuropäischen Parteien gestärkt, die eindeutig entweder eine Rücknahme des Austritts fordern oder für ein zweites Referendum eintreten. Zusammen stellen sie ebenfalls 29 Abgeordnete. Die Liberaldemokraten sind zur stärksten proeuropäischen Kraft aufgestiegen und entsenden 16 (+15) Abgeordnete. Es verbleiben allein 15 Mandate für jene Parteien, die auf eine geordnete Umsetzung des Austritts-Plebiszits (52% gegen, 48% für EU) vom Juni 2016 drängen.
Nur noch vier (-15) Mandate und weniger als ein Zehntel der Stimmen konnte die regierende nationalkonservative Tory-Partei erzielen. Das Ergebnis manifestiert das Scheitern der Verhandlungsstrategien des Europäischen Rats und britischen Premierministerin, einen harten Brexit (Austritt aus Binnenmarkt und Zollunion) mit Aufrechterhaltung des Friedensprozesses in Nordirland in Einklang zu bringen. Zusammen mit dem Abgeordneten der nordirischen DUP ist die Repräsentanz durch unionistische Parteien auf fünf Mandate geschrumpft – ein Menetekel für das Ende der Union des Vereinigten Königreichs. Der erzwungene Rücktritt der Premierministerin May noch vor Bekanntgabe des Wahlergebnisses signalisiert eine brachiale Brexit-Variante englischer Nationalisten.
Die Labour Party verliert die Hälfte ihrer Mandate und schickt zehn Abgeordnete nach Brüssel. Gescheitert ist die Parteiführung um den Vorsitzenden Corbyn mit der Orientierung, den Ausgleich von Brexit-Befürwortern und -Gegnern in den Mittelpunkt der Kampagne zu stellen. Gescheitert ist auch die Strömung um den stellvertretenden Vorsitzenden Watson, deren Forderung nach einem zweiten Referendum hat die Abwanderung von Labour-Wählerinnen und -Wähler nicht aufhalten können.
Solange sie dem EP angehören, werden sich die Abgeordneten der Brexit-Partei der Blockadepolitik der Rechtspopulisten anschließen. Für die Veränderung der politischen Kräfteverhältnisse im UK ist zu bedenken, dass bei Wahlen nach dem britischen Mehrheitswahlrecht in 600 Wahlkreisen sich tektonische Verschiebungen innerhalb der Wählerschaft anders als bei der Europawahl auswirken werden. Selbst größere Stimmenverluste müssen nicht zu Mandatsverlusten bei den Torys und/oder bei Labour führen. Und das insgesamt gute Ergebnis der proeuropäischen Parteien ist kein Garant für die Revision des Brexit-Votums in einem zweiten Referendum.
Wie weiter in Europa angesichts weltweiter tektonischer Verschiebungen?
Die geopolitischen Entwicklungen werden die europäische Integration stärker vorantreiben – trotz der Sitzgewinne der Nationalisten. Eine zentrale Herausforderung ist der zunehmende Wettstreit der Großmächte USA und China. Bei dem sich zuspitzenden Handelsstreit geht es um weit mehr als Zölle und das amerikanische Handelsbilanzdefizit, der Konflikt ist Ausdruck einer grundlegenden tektonischen Verschiebung. China ist eine aufstrebende Supermacht mit nachholender Modernisierung. Die USA sehen ihre globale politische, wirtschaftliche und technologische Vormachtstellung gefährdet und suchen ihr Terrain zu behaupten.
Europa hat bei dieser Konfliktkonstellation am meisten zu verlieren. Das gilt für die Friedens- und Abrüstungspolitik, aber auch im Widerstand gegen handelspolitische Alleingänge und Protektionismus, weil diese eine Rezession heraufbeschwören und zu Turbulenzen in der Weltwirtschaft führen. Eine multilaterale Wirtschaftsordnung, in der regelbasierter Freihandel und entsprechende Investitionsabkommen vereinbart werden, sind eine Voraussetzung für die Fortführung der europäischen Integration. Der Instrumentenkasten der Welthandelsorganisation müsste erweitert und den sich veränderten Bedingungen angepasst werden. Staatliche Subventionen als ein industriepolitisches Mittel und die Rolle von gemeinnützigen Sektoren in den nationalen Ökonomien sowie der Umgang mit Staatsbetrieben müssen international geregelt werden. Entweder es gelingt, den Zusammenhalt in Europa zu stärken und auszubauen, oder die Zukunft dieses einzigartigen Friedensprojekts bleibt in Gefahr.
Politikwechsel in Bremen?
Der rot-grüne Senat ist abgewählt worden, die eigentliche politische Ohrfeige hat die SPD kassiert, die mitregierenden Grünen haben leicht zugelegt. Die CDU ist zwar stärkste Partei, liegt aber auch weit unter der 30%-Grenze.
Da die SPD eine große Koalition ausgeschlossen hat, sind die Grünen für eine künftige Regierung unverzichtbar. Kommt es zu Rot-Rot-Grün, wäre Bremen das erste westdeutsche Bundesland mit einer alternativen Machtoption. Die Mehrheit der Bremerinnen und Bremer befürwortet eine solche Regierung, die Linkspartei hat ihre Mitarbeit daran signalisiert.
Obwohl 60% sich als Gewinner der bisherigen Entwicklung in Bremen sehen, hat sich diese Zufriedenheit in den Bürgerschaftswahlen nicht niedergeschlagen. Die Unzufriedenheit mit der Regierung war in kaum einem anderen Bundesland so hoch wie hier. Was ist der Hintergrund?
Die größte Aufgabe ist noch immer die Bewältigung des Strukturwandels, der durch die Werfen- und Schiffbaukrise bestimmt wurde. Es gelang, eine kleinteilige, diversifizierte und wissensorientierte Unternehmensstruktur aufzubauen. Dafür steht der Technologiepark mit seinem Branchenmix im Umfeld der Universität. Mittlerweile arbeiten fast 80% der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Dienstleistungsbranchen und erbringen 75% der Wertschöpfung.
Es gibt also Erfolge. Bremen ist eine wachsende Stadt. Die Wirtschaft am sechstgrößten deutschen Industriestandort ist in den letzten beiden Jahren stärker als im Bundesdurchschnitt gewachsen. Neben der Automobilindustrie bringt die Luft- und Raumfahrttechnik Milliardenumsätze. Gleichwohl liegt die Arbeitslosenquote bei 9,7% und ist die Basis für eine verfestigte Armut. Für eine durchgreifende aktive Arbeitsmarktpolitik fehlen nicht nur die administrativen Voraussetzungen, sondern vor allem die finanziellen Ressourcen.
Die rot-grüne Koalition hat die positiven Veränderungen nicht ausreichend politisch vermitteln können. Der Senat verweist auf 20.000 zusätzliche Arbeitsplätze, mehr Wohnraum in kommunaler Verantwortung, den Ausbau des sozialen Arbeitsmarkts, die Erhöhung des Landesmindestlohn sowie den Kita-Ausbau.
Aber es gibt reichlich Schattenseiten. Die Herausforderungen des Strukturwandels treten vor allem in Bremerhaven zutage. Die Stadt gehört zu den strukturschwächsten Gegenden Deutschlands. Die Arbeitslosenquote ist zwar kontinuierlich gesunden, liegt aber immer noch bei 12,8%. Im Bundesvergleich ist das Armutsrisiko in Bremerhaven am höchsten.
Der Strukturwandel hat die öffentlichen Finanzen belastet. Bremen sieht sich trotz der positiven Wirtschaftsentwicklung und den harten Sparprozessen nach wie vor mit einer angespannten Lage der öffentlichen Finanzen konfrontiert. Die Folgen der Sparpolitik, die vor allem den öffentlichen Dienst, Verwaltung, Kitas und Krankenhäuser traf, verärgert die Bürgerinnen und Bürger bis heute. Allein der Verfall bei der Verkehrsinfrastruktur (Brücken, Straßen) wird auf über 500 Mio. Euro veranschlagt. Der Sanierungsstau an Bremer Schulen wird auf rund 670 Mio. Euro geschätzt und der offenkundige Lehrermangel verstärkt die Notlage im Ausbildungssektor. Die GEW-Vorsitzende Ina von Boetticher sagt zu Recht: »Also ein großes Feld ist wirklich dieser Sanierungsstau, wir erleben da wirklich von Regen durchs Dach, bis Fenstern, die sich weder öffnen noch schließen lassen, Turnhallen, die marode sind, das betrifft auch Materialien, die einfach veraltet sind, das betrifft ganz oft auch das Thema Lärm, das eine Schule nicht ausgelegt ist auf viele Jahrgänge.«
Bremen ist eines der wenigen Länder, das nach wie vor Haushaltsdefizite verzeichnet. Dadurch steigt der Schuldenberg von 22 Mrd. Euro weiter an. Auch der Umstand, dass das Bundesland auch nach 2020 400 Mio. Euro jährlich an »Sanierungshilfen« bekommen wird, bringt nur eine begrenzte Entlastung.
Ein weiteres großes Thema ist der bezahlbare Wohnraum. Nachdem die Einwohnerzahl Bremens lange stagnierte, wächst sie seit 2011 kontinuierlich, der Wohnraum wird knapp. Die Mietpreise sind Schätzungen zufolge in den vergangenen zehn Jahren um über 30% gestiegen.
Die Gesellschaft ist tief gespalten. Während Bremen bei der Wirtschaftsleistung je Einwohner stets auf Platz zwei hinter Hamburg liegt, rangiert das Land bei den verfügbaren Einkommen dagegen weit unten. Bei vielen Bremerinnen und Bremern kommt der Reichtum nicht an. Die verfestigte Armutsquote ist hoch. Bremen hat die höchste Verschuldung pro Einwohner*in, die höchste Quote an Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern im Verhältnis zur Einwohnerzahl und die höchsten Armutsquote unter Jugendlichen.
Auch in Bremen dürften die »fetten Jahre vorbei sein«. Jede Koalition wird vor der Herausforderung stehen, Mittel für die dringend notwendigen Investitionen in die Infrastruktur der Stadt und in Maßnahmen zur Bekämpfung der sozialen Spaltung zugleich aufzutreiben. Angesichts der sich abschwächenden Konjunktur wird ohne diese beiden Aspekte kein Beitrag zur Stützung der regionalen Wirtschaftskreisläufe entstehen können. Mit einer rot-rot-grünen Landesregierung könnte diese Herausforderung in Angriff genommen werden.