Lehren aus der Geschichte Thüringens
Eine Analyse für den Ältestenrat von Wolfgang Grabowski, Evelin Nowitzki und Ursula Schumm-Garling
Der 5. Februar 2020 wird in die Geschichte als ein Tag eingehen, an dem der demokratische Grundkonsens in Deutschland nach 1945 niemals wieder einer radikalen Rechten Einfluss auf die Regierungsbildung in Bund und Ländern zuzulassen, zerbrochen ist. In Thüringen wurde der Versuch gestartet, aus machtpolitischen Erwägungen zu einer politischen Neuformierung des rechten Blocks unter Einbeziehung der AfD zu kommen. Überraschend ist dabei nur die Geschwindigkeit, die Missachtung historischer Fakten und die Dreistigkeit dies zusammen mit dem erklärten Faschisten und Geschichtsrevisionisten Björn Höcke zu realisieren.
Zu erinnern ist, dass am 10. Februar 1924 der Thüringer Ordnungsbund (TOB) - ein Völkisch-Sozialer Block - die Wahlen gewonnen hat nachdem die im Herbst 1923 demokratisch zustande gekommene und verfassungsmäßig legitimierte Regierung aus Kommunisten und Sozialdemokraten durch paramilitärische Hundertschaften zum Rücktritt gezwungen wurde. Die politischen Krisen häuften sich und die politischen Verhältnisse wurde immer instabiler bis sich schließlich bei der Landtagswahl vom 8. Dezember 1929 der Stimmenanteil der NSDAP von 4,5 auf 11,3 Prozent erhöhte, während die bürgerlichen Parteien massive Verluste erlitten. Es entstand ein Patt von 23 bürgerlichen gegen 24 linke Landtagsmandate. Die Konservativen hatten keine Skrupel, ihre Regierungsoption mit Hilfe der Rechtsradikalen durchzusetzen.
Die politischen Verhältnisse seien nicht vergleichbar wird eingewendet. Das ist richtig vor allem deswegen, weil die Öffentlichkeit in ihren vielen Facetten sofort heftig protestiert hat. Es bleibt ein Tabubruch. Die Auswirkungen sind noch nicht abzusehen. Die AfD ist eine völkische Partei die Menschen angeblich fremder Kulturen ausgrenzt. Sie sagen, sie nähmen die Ängste der Menschen ernst, aber sie tun es nicht wirklich. Vielmehr machen sie Ängste erst ernsthaft gefährlich. Die Humanität ist bedroht von Geschichtsvergessenheit, von Antisemitismus, von gemeiner Rede und gemeiner Tat, von der Lust an politischer Grobheit, von der Verhöhnung von Humanität und Menschenwürde. Die Wahl erfolgte nur wenige Tage nach dem großen Gedenken an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee vor 75 Jahren. Das war eine Verhöhnung des Gedenkens der Opfer der Nazi-Herrschaft.
Die in jüngster Zeit häufig bemühte "bürgerliche Mitte" definiert sich im Wesentlichen durch die Verteidigung des Eigentums und historisch entstandener Privilegien. Obwohl diese Grundlage des Kapitalismus gegenwärtig durch niemanden ernsthaft in Frage gestellt wird, gelten schon kleine Eingriffe in das Eigentumsrecht wie die Deckelung von Mieten oder Renditen oder progressive Steuern als Eingriffe in das Privateigentum.
Selbst gemäßigt reformistisch politische Konstellationen werden diffamiert. Der Linkspartei wurde in Thüringen demonstriert, dass zivilisierend auf die "bürgerliche Mitte" mit bürgerlichem Wohlverhalten und historischem Kompromisse (DDR-Unrechtsstaat) einzuwirken, oder wenigstens korrektes Verhalten gegenüber der Linksfraktion zu erreichen, illusionär ist.
Die Linke ist gefordert eine Strategie zu entwickeln, die die wichtigen Themen aufgreift und damit eine politische Immunisierung des politischen Systems erreicht, um damit eine Öffentlichkeit zu unterstützen, die es nicht zulässt, dass es einen braun - schwarz - gelben Pakt geben kann. Dies kann sie praktisch umsetzen, wenn es ihr gelingt, auf der anstehenden Strategiekonferenz einen genauen Plan des eigenen Vorgehens zu entwickeln, der dazu dient, die Ziele der LINKEN zu erreichen und Kräfte zu bündeln, die die eigene Zielsetzung unterstützen können.