Zivile Seenotrettung unterstützen, nicht behindern – geplante Änderung der Schiffssicherheitsverordnung stoppen
Beschluss des Bundesausschusses vom 5. März 2023
Erst vor wenigen Tagen sind vor der Küste Süditaliens über 60 Menschen, darunter viele Kinder, im Meer ertrunken. Die Zahl der Toten im Mittelmeer wäre deutlich höher, gäbe es die zivile Seenot-rettung nicht. Statt diese Rettungsaktionen zu unterstützen, werden ihnen von der Bundesregie-rung nun regelrecht Felsen vor den Bug geworfen. Für die Mehrheit der zivilen Seenotrettungs-schiffe unter deutscher Flagge wird die geplante Änderung der der Schiffssicherheitsverordnung (SchSV), dass sie ihre lebensrettende Arbeit einschränken oder einstellen müssen. Damit macht sich Verkehrsminister Wissing und mit ihm die Bundesregierung zum Handlanger der neofaschisti-schen Italienischen Regierung.
Verkehrsminister Wissing hat vor wenigen Wochen seinen italienischen Amtskollegen und neuer-dings Infrastrukturminister Matteo Salvini von der rassistischen Partei Lega Nord zu Gesprächen getroffen. Letzterer Sprach im Anschluss an dieses Gespräch von einer „gemeinsamen Achse“ mit Wissing. Jetzt ist auch klar was er damit meinte. Was Salvini als ehemaliger italienischer Innenmi-nister nicht geschafft hat, soll nun Wissing hinbekommen. Dagegen wenden wir uns aufs Schärfste.
Ähnliche Rechtsänderungen wurden bereits 2019 und 2020 von den Verwaltungsgerichten in Hamburg für rechtswidrig erklärt. Diese hatten eine klare politische Motivation. In Abwesenheit einer staatlichen Rettungsoperation und sicherer und legaler Fluchtwege, werden den Preis für die geplanten Rechtsänderungen Menschen auf der Flucht mit ihrem Leben bezahlen. Die geplanten Änderungen sind zur Erhöhung der Sicherheit weder geeignet noch erforderlich. Seit Beginn der Einsätze ziviler Schiffe im Mittelmeer im Juli 2015 gab es keinen einzigen Unfall, bei dem ein Crewmitglied oder eine bereits gerettete Person an Bord wegen Sicherheitsmängeln in Gefahr geriet. Die zivile Seenotrettung legt großen Wert darauf, dass Schiffe für die konkreten Einsatzzwecke geeignet, auf hohem Niveau ausgestattet und konstant in gutem Zustand sind. Alle Besatzungsmitglieder werden regelmäßig geschult und trainiert. Das Seegebiet im Einsatzbereich ist in allen nautischen Details bestens bekannt. Die Schiffe werden höchst professionell geführt. Alle Beteiligten haben ein hohes Maß an Erfahrung und Verantwortungsbewusstsein. Wir schließen uns uneingeschränkt der Forderungen der Organisationen der zivilen Seenotrettung an: Keine Zeugnispflicht für Such- und Rettungsschiffe Änderungen der Schiffssicherheitsverordnung dürfen die Arbeit ziviler Seenotrettung nicht wei-ter erschweren. Alle aktuell operierenden Schiffe müssen einsatzfähig bleiben und neue Schiffe unter deutscher Flagge in den Einsatz gebracht werden können. Hintergrund: Der Entwurf zur Änderung der Schiffssicherheitsverordnung (SchSV) sieht (1) eine Verengung der Definition des Freizeitzweckes und (2) eine Verengung des Begriffs des Kleinfahrzeuges vor. (1) Während der Begriff vor der Änderung ideelle Zwecke – wie humanitäre Beobachtung oder Seenotrettung – umfasste, sollen diese nun explizit ausgeschlossen werden. Damit werden Schiffe
im ideellen Einsatz dem Erfordernis eines Schiffssicherheitszertifikates unterworfen und der kommerziellen Schifffahrt gleichgestellt. Es ergeben sich neue Anforderungen an Bau, Stabilität, Freibord, Maschinenbau, Brandschutzanforderungen, Rettungsmittel und Funkausrüstung. Zudem kann der Fahrtbereich eingeschränkt werden und Auflagen erteilt werden. Auch aufwändige regelmäßige Besichtigungen und technische Überwachungen der Schiffe sind vorgesehen. (2) Nach bisheriger Rechtslage galten Schiffe mit einer Bruttoraumzahl von unter 100 als Kleinfahrzeuge, was – je nach Schiffstyp – einer Länge von bis zu 35 Metern entsprechen kann. Diese Grenze wird nun auf 24 Meter reduziert. Dies hat zur Folge, dass an bisherige Kleinfahrzeuge zwischen 24 und 35 Metern nun Anforderungen für Frachtschiffe gestellt werden.