Stoppt den Krieg – Waffenstillstand sofort! Geiseln freilassen! Antisemitismus und Rassismus ächten!
Beschluss des Augsburger Parteitages
Die brutalen Massaker der Hamas vom 7. Oktober in Israel und der daraufhin nun ausgetragene Krieg im Gazastreifen mit all seinen schrecklichen Folgen für die Zivilbevölkerung und den tausenden Toten erschüttern uns zutiefst. Wir sind Augenzeugen unfassbaren Leids. Tausende Menschen wurden und werden brutal aus dem Leben gerissen. Es braucht unverzüglich einen Waffenstillstand, um das Sterben zu beenden. Die Geiseln müssen sofort freigelassen werden. DIE LINKE spricht allen Opfern und ihren Angehörigen ihr tiefstes Mitgefühl aus.
Wir verurteilen die Gräueltaten der Hamas vom 7. Oktober. 1.200 Menschen wurden auf entsetzliche Weise ermordet. 242 Geiseln wurden von der Hamas entführt, von denen erst wenige freigelassen wurden. Damit erlebte Israel den schlimmsten Terrorangriff seit seiner Staatsgründung. Ein Anschlag, der das ganze Land und jüdische Menschen weltweit traumatisiert hat. Weltweit steigt die Zahl antisemitischer Vorfälle.
Die Antwort der israelischen Regierung auf das Massaker und den massiven Raketenbeschuss auf Israel war die exzessive Bombardierung des Gaza-Streifens, verbunden mit einer Blockade und gefolgt von einer Bodenoffensive. Durch die Angriffe der israelischen Armee sind mittlerweile mehr als 10.000 Menschen getötet worden, darunter tausende Kinder. Mehr als eine Million Menschen mussten innerhalb des Gazastreifens fliehen. Die israelische Armee bombardiert Wohnhäuser, Schulen, Kirchen, Moscheen, Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen. Bis zum 7. November wurden 10.000 Zivilist*innen getötet. Auch Mitarbeiter*innen der Vereinten Nationen und Journalist*innen zählen zu den Opfern dieses Krieges. Über eine Million Menschen sind in den bereits völlig übervölkerten Süden vertrieben worden. Auch Fluchtrouten und Zufluchtsorte wurden bombardiert. Die palästinensische Bevölkerung ist schwer traumatisiert.
Die Blockade von Wasser, Strom, Treibstoff, Medikamenten und Lebensmitteln hat katastrophale humanitäre Folgen. Inzwischen können zwar Hilfslieferungen den Grenzübergang Rafah in Ägypten passieren und zumindest den Süden Gazas beliefern, doch reichen diese bei weitem nicht aus, eine Bevölkerung von mehr als 2 Millionen zu versorgen. Israel hat das Recht sich zu verteidigen. Doch die Verbrechen der Hamas entbinden Israel nicht seiner völkerrechtlichen Verantwortung. Die Bombardierung ziviler Einrichtungen und das Vorenthalten humanitärer Güter für die Zivilbevölkerung sind ein massiver Bruch der Genfer Konvention und des humanitären Völkerrechts. Dasselbe gilt für das Benutzen ziviler Einrichtungen für militärische Zwecke durch die Hamas, und die Behinderung von Menschen an der Flucht durch die Hamas.
Auch in der Westbank und in Israel selbst spitzt sich die Lage zu. Es kommt immer häufiger zu Angriffen extremistischer Siedler*innen auf Palästinenser*innen. Etwa 100 Familien wurden seit dem 7. Oktober aus ihren Häusern vertrieben.
Die Jahrzehnte der Besatzung in der Westbank, der fortgesetzte Siedlungsbau, die Blockade des Gazastreifens, die Entrechtung und die damit einhergehende Perspektivlosigkeit bilden den Nährboden für radikale und islamistische Gruppen. Die ultrarechte Regierung von Benjamin Netanyahu hat diese Entwicklung befördert. Sie förderte den Bau von Siedlungen und hatte eine vollständige Annexion des Westjordanlandes in Aussicht gestellt, und protegierte die Hamas als Gegner der palästinensischen Autonomiebehörde. Wir betonen: Nichts rechtfertigt die abscheulichen Taten der Hamas. Die Basis für einen nachhaltigen Frieden kann nur ein Leben in Würde, Freiheit und Sicherheit aller Menschen in den palästinensischen Gebieten und Israel sein.
In Sorge erleben wir, wie in Israel die Repressionen gegen Friedensaktivist*innen zunehmen. Menschen wurden festgenommen, die für ein Ende der Gewalt und Frieden demonstriert haben, darunter der Vorsitzende des Komitees für die arabischpalästinensische Minderheit in Israel, Mohammed Barakeh, Büros der linken Bewegung Hadash wurden durchsucht, Zusammenkünfte jüdischer und palästinensischer Aktivist*innen wurden von der Polizei aufgelöst und von ultra-rechten Demonstrant*innen bedroht. Wir verurteilen die Repressionen gegen Friedensaktivist*innen, Protest gegen den Krieg auf die Straße tragen zu können, ist elementarer Bestandteil einer Demokratie.
Die Politik der ultrarechten Regierung Israels wird den Sehnsüchten der Menschen nicht gerecht, im Gegenteil. Vielmehr wird diese Politik zu vielen weiteren Opfern führen – und zu noch mehr Hass auf allen Seiten. Je länger er tobt, desto schwieriger wird der Friedensprozess werden. Wer Sicherheit für die Menschen sowohl in Israel, als auch in Palästina will, muss sich für ein Ende der Gewalt aussprechen. Dieser Krieg ist ein Wendepunkt. Wenn es nicht gelingt, einen Waffenstillstand und Verhandlungen durchzusetzen, droht ein Flächenbrand im Nahen Osten. Wenn es nicht gelingt, Gleichberechtigung für alle in Israel und Palästina lebenden Menschen herzustellen, werden die islamistische Hamas und andere reaktionäre Kräfte stets vom Leid der Palästinenser profitieren. Das erklärte Ziel der Hamas ist die Zerstörung Israels und die Errichtung einer islamistischen Diktatur in Palästina. Unterstützt wird sie dabei von dem iranischen Regime und von Katar, das enge wirtschaftliche Beziehungen mit Deutschland pflegt. Diese reaktionären Kräfte vertreten nicht die Interessen der palästinensischen Bevölkerung.
Die Stimmen linker und zivilgesellschaftlicher Organisationen zeigen auf, dass trotz der erlittenen Traumatisierungen ein Eintreten für Frieden und ein Ende der Gewalt möglich ist. Landesweit entstehen jüdisch-palästinensische Nachbarschaftskomitees, die ihren Schmerz miteinander teilen, und sich dem Hass entgegenstellen und gemeinsam zu einem Ende der Gewalt aufrufen.
Wir stehen als LINKE solidarisch an der Seite aller demokratischen Kräfte, die sich für Frieden und ein Leben in Würde, Freiheit und Sicherheit für alle einsetzen.
Wir schließen uns der Forderung der UN-Vollversammlung nach einem sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand an. Das heißt sowohl ein Ende der Bombardierung durch Israel als auch ein Ende des Raketenbeschusses durch die Hamas. Wir fordern die Freilassung aller Geiseln. Es braucht jetzt Verhandlungen, die auf der Grundlage der Anerkennung einer Zweistaatenlösung beruhen. Wir fordern eine deutliche Verstärkung der humanitären Hilfe für die akute Versorgung der Menschen im Gazastreifen, eine Öffnung der Grenze zu Ägypten und die Schaffung eines humanitären Korridors.
In Anbetracht der aktuellen Eskalation halten wir es für falsch, dass sich Bundeskanzler Olaf Scholz im Gegensatz zu Spanien, Irland und anderen EU-Ländern gegen einen Waffenstillstand ausgesprochen hat. Wir fordern von der Bundesregierung, dass sie sich in der aktuellen Situation für Deeskalation einsetzt und den Weg zu einer friedlichen Lösung aktiv begleitet. Wir lehnen Waffenexporte in Krisenregionen ab, denn mehr Waffen führen nicht zu mehr Sicherheit.
Wir fordern die Aufarbeitung und Ahndung aller Verbrechen vor dem Internationalen Strafgerichtshof, wie es der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes, Karim Khan, in seinem Bericht vom 30. Oktober in Aussicht gestellt hat.
DIE LINKE steht für das Existenzrecht Israels und eine friedliche Zwei-Staaten-Lösung in den Grenzen von 1967 mit Ostjerusalem als Hauptstadt Palästinas, ein souveränes, sicheres Israel an der Seite eines souveränen, sicheren Palästinas, einschließlich der Möglichkeit einvernehmlichen Gebietsaustauschs auf Grundlage der UN-Resolutionen.Im gemeinsamen Prozess um die Zukunft der Region müssen Israelis und Palästinenser*innen gleichberechtigt beteiligt sein.
Eine Kürzung von humanitärer Hilfe und Entwicklungshilfe für die palästinensischen Gebiete lehnen wir ab. Diese Mittel dienen in erster Linie dazu, die nötigste Infrastruktur und das notwendigste zum Leben sicherzustellen. Die Vergabe wird geprüft und erfolgt projektbezogen. Eine Streichung würde vor allem die Zivilbevölkerung treffen und nicht die Hamas schwächen.
Frieden kann es nur geben, wenn dem Terrorismus der Geldhahn abgedreht wird. Das bedeutet auch die Kooperation mit Ländern, die nachweislich die Hamas finanziell unterstützen auf den Prüfstand zu stellen. Wir sagen: keine dreckigen Deals mit Diktatoren, keine Doppelmoral.
Keinen Fußbreit für Antisemitismus und Rassismus!
Weltweit haben antisemitische Vorfälle zugenommen, auch in Deutschland. Es ist eine Schande, dass sich Jüdinnen und Juden in Deutschland nicht mehr sicher fühlen. Wenn jüdische Eltern sich fragen, ob sie ihre Kinder noch zur Schule schicken können und jüdische Sportvereine aus Angst um ihre Mitglieder den Trainingsbetrieb einstellen, dann erfordert das unseren entschiedenen Widerstand.
Gleichzeitig erleben wir aktuell eine äußerst problematische Verschiebung des Diskurses. So wird Antisemitismus überwiegend Menschen mit Migrationshintergrund oder muslimischen Glaubens zugeschrieben und sie werden unter Generalverdacht gestellt. Dabei zeigen Untersuchungen, dass Antisemitismus in Deutschland quer durch alle Gesellschaftsschichten geht und tief in den Milieus verankert ist, die sich als „Mitte der Gesellschaft“ betrachten. Nur so ist zu erklären, dass der Skandal um das antisemitische Flugblatt eines Hubert Aiwanger sogar ein Plus an Wählerstimmen für seine Partei bei der bayerischen Landtagswahl brachte.
Zur wirksamen Bekämpfung des Antisemitismus braucht es einen breiten Kanon an Maßnahmen: Von Bildungsarbeit in der Schule, in Freizeiteinrichtungen und Gedenkstätten, über Förderung von Kultur- und Demokratieprojekten sowie interkulturellen und interreligiösen Begegnungsräumen. Jüdisches Leben muss in seiner Vielfalt in Deutschland wieder sichtbarer werden. Dass die Bundesregierung in der derzeitigen Haushaltsplanung ausgerechnet die Mittel für Demokratieförderung, Integration, politische Jugendbildung und Freiwilligendienste kürzen will, konterkariert in absurder Weise ihre eigenen Versprechen bei der Bekämpfung des Antisemitismus. Bildungs- und Aufklärungsarbeit muss alle Gesellschaftsschichten umfassen, um eine Anerkennung und Verständigung auf gemeinsame Werte zu erreichen.
Als DIE LINKE setzen wir uns für den Kampf gegen Antisemitismus auf allen Ebenen ein. Das ist eine unabdingbare Pflicht im Land der Täter des Holocaust, der die historische Notwendigkeit für die Gründung des Staats Israels wesentlich mit begründet hat. Im Bundestag und in den Ländern haben wir mit unseren regelmäßigen Anfragen zu antisemitischen Straftaten für mehr Sichtbarkeit des Problems gesorgt, fordern die Aufstockung der Mittel für soziale Arbeit und gegen Diskriminierung. In unserer kommunalen Arbeit setzen wir uns für den Erhalt von soziokulturellen Zentren und Gedenkorten ein, und sind aktiv in antifaschistischen Bündnissen beteiligt.
Antisemitismus darf in der Öffentlichkeit keinen Raum bekommen. Wer auf Demonstrationen Hass und Gewalt verbreitet, muss dafür bestraft werden. Als DIE LINKE lehnen wir immer und grundsätzlich Doppelbestrafungen mit dem Mittel des Aufenthaltsrechts oder des Staatsbürgerschaftsrechts ab. Strafbares Verhalten muss mit dem Strafrecht geahndet werden, egal welche Staatsbürgerschaft eine Person hat.
Das Massaker an Israelis und die hohe Zahl von zivilen Opfern unter der Bevölkerung in Gaza haben tiefe Betroffenheit überall auf der Welt ausgelöst. Diese Betroffenheit verbindet sich mit der Erfahrung von Unsicherheit, Diskriminierung, Ausgrenzung und Ungerechtigkeit, von Antisemitismus und antimuslimischem Rassismus. Es gibt Verunsicherung, das Gefühl, nicht gesehen, nicht gemeint, von Solidarität ausgeschlossen zu sein.
Pauschale Demonstrationsverbote lehnen wir ab, denn die Versammlungsfreiheit ist für eine Demokratie unerlässlich. Jede*r muss hierzulande das Recht haben, sich friedlich für ein Ende des Krieges in Gaza einzusetzen und dafür auch auf die Straße zu gehen.
Der Grundsatz, Menschen nicht aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Glaubens zu diskriminieren, wird gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund insbesondere mitmuslimischem Glauben seit Jahren missachtet. Durch pauschale Verurteilungen breitet sich in dieser Gesellschaft antimuslimischer Rassismus mehr und mehr aus. Antisemitismus ist nicht erst eingewandert, er war schon immer hier. Und es ist daher unser aller Aufgabe, entschieden dagegen vorzugehen. Doch Antisemitismus kann niemals mit Rassismus bekämpft werden.
Dies alles heißt für uns, dass wir Aktionen, Demonstrationen, Mahnwachen und Veranstaltungen aktiv unterstützen und selbst initiieren, die sich für ein Ende der Gewalt, einen sofortigen Waffenstillstand, für den Schutz der Zivilbevölkerung und gegen Antisemitismus und Rassismus positionieren. Dabei arbeiten wir mit Bündnispartnern zusammen, die sich klar gegen Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit und jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit stellen.