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Deeskalation und Abrüstung in Nahost – für Frieden, Völkerrecht – gegen jeden Rassismus und Antisemitismus

Beschluss des Bundesparteitages am 18.10.2024

Es braucht einen sofortigen Waffenstillstand in Israel und Palästina. Die Logik der Gewalt und der Eskalation muss durchbrochen, die Suche nach politischen Lösungen wieder aufgenommen werden. Wir fordern alle Beteiligten auf, keine neuen Kampfhandlungen aufzunehmen und den Konflikt einzudämmen statt auszuweiten.

Seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober letzten Jahres in Israel eskaliert im Gazastreifen und im Grenzgebiet zwischen Israel und Libanon der jahrzehntelange Konflikt erneut zu einem brutalen Krieg. Israel hat den schlimmsten Terrorangriff seit seiner Gründung erlebt. Auch im Westjordanland und in Israel kommt es immer wieder zu militärischer Gewalt und Terror-Anschlägen. Die Bilanz ist verheerend: Mehr als 1.700 Israelis wurden getötet, im Gazastreifen über 42.000 Palästinenser*innen, im besetzten Westjordanland über 700 und im Libanon über 1.350 (seit September 2024). Viele Tausende wurden schwer verletzt. Alle Seiten sind für schwere Kriegsverbrechen verantwortlich. Die humanitären Bedingungen im Gazastreifen sind katastrophal, da viele Häuser und auch die zivile Infrastruktur durch die israelischen Bombardierungen weitgehend zerstört wurden.

In Gaza wie in Süd- und Nordisrael und im Südlibanon wurden Millionen Menschen in die Flucht getrieben und traumatisiert. Zugleich werden immer noch israelische Geiseln von der Hamas in Tunneln festgehalten. Zwischen Israel und den Palästinenser*innen ist es bis heute ein asymmetrischer Krieg ungleicher Beteiligter, was sich auch an den hohen ungleichen Opferzahlen zeigt.

Der Ankläger am Internationalen Strafgerichtshof hat einen Haftbefehl gegen Israels Regierungschef und Verteidigungsminister sowie gegen drei Hamas-Anführer beantragt. Alle drei Hamas-Führer wurden mittlerweile von israelischen Militärkommandos außergerichtlich hingerichtet, mit vielen unbeteiligten Opfern. Der Internationale Gerichtshof hat in seinen Eilentscheidungen zur Klage Südafrikas im Rahmen der Völkermordkonvention deutlich gemacht, dass er die Gefahr genozidaler Handlungen in Gaza sieht. So schrieb der IGH "dass zumindest einige der Handlungen und Unterlassungen, die Südafrika Israel in Gaza vorwirft, unter die Konvention fallen könnten“. Wir begrüßen das Bemühen des IGH, mit ihren Eilentscheidungen einen Genozid zu verhindern.

Der Konflikt zwischen Israel und Palästina beginnt nicht mit dem 7.Oktober 2023. Die Jahrzehnte der Besatzung in der Westbank, der fortgesetzte Siedlungsbau, die Blockade des Gazastreifens, die Entrechtung und die damit einhergehende Perspektivlosigkeit bilden den Nährboden für radikale und islamistische Gruppen. Die ultrarechte Regierung von Benjamin Netanyahu hat diese Entwicklung befördert. Sie förderte den Bau von Siedlungen und hatte eine vollständige Annexion des Westjordanlandes in Aussicht gestellt, und protegierte die Hamas als Gegner der palästinensischen Autonomiebehörde. Wir betonen: Nichts rechtfertigt die abscheulichen Taten der Hamas. Die Basis für einen nachhaltigen Frieden kann nur ein Leben in Würde, Freiheit und Sicherheit aller Menschen in den palästinensischen Gebieten und Israel sein.

Für uns gilt auch: Niemals darf ein Menschenrechtsverbrechen als Rechtfertigung für ein anderes Menschenrechtsverbrechen herangezogen werden. Das Unrecht der Besatzung der palästinensischen Gebiete ist niemals eine Rechtfertigung für den menschenverachtenden Terror der Hamas – und genauso rechtfertigt der 7. Oktober nicht die Völkerrechtsverbrechen der israelischen Armee in Gaza oder im Libanon.

Auch in Europa hat die Eskalation im Nahen Osten zu einem starken Anstieg von Rassismus und Antisemitismus geführt. Es gibt zahlreiche Angriffe auf jüdische wie muslimische Menschen. Anlässlich Palästina-solidarischer Demonstrationen ist es vielfach zu Polizeigewalt und der massiven Einschränkung von demokratischen Grundrechten gekommen.

Das Massaker vom 7.Oktober und die zunehmende Ausweitung des Krieges durch Israel stehen für die Art von Gewalt, mit der seit Jahrzehnten immer wieder der Friedensprozess in der Region zerstört wird. Eine militärische Lösung des komplexen Nahost-Konfliktes wird es nicht geben.

Eine Lösung kann es nur geben, wenn die berechtigten Interessen von Israelis und Palästinensern endlich anerkannt und Völker- wie Menschenrechte für alle und ohne doppelte Standards garantiert werden. Israel und Palästina haben ein Recht auf Selbstbestimmung in einem eigenen Staat und auf Selbstverteidigung. Das rechtfertigt aber niemals Terror und Kriegsverbrechen. Nur durch gegenseitige Anerkennung und Gerechtigkeit kann ein dauerhafter Frieden erreicht werden.

Für eine friedliche Lösung ist es notwendig, den Scharfmachern auf beiden Seiten konsequent entgegen zu treten. Denn weder die rechte israelische Regierung noch die Fundamentalisten von Hisbollah und Hamas haben ein Interesse an einem gerechten Frieden. Im Gegenteil: Mitglieder der israelischen Regierung äußern offen rassistische Vertreibungspläne und treiben unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung die völkerrechtswidrige Besatzung des Westjordanlandes sowie die Vertreibung von Palästinenser*innen voran. Die Islamisten von Hisbollah und Hamas feiern die Vernichtung jüdischen Lebens als Akt der Befreiung und verbreiten offenen Antisemitismus. Niemals werden wir als Linke die Rolle des Antisemitismus ignorieren, der den mörderischen Terror von Hamas oder Hisbollah antreibt. Wer in Nahost oder hierzulande antisemitische Ressentiments befeuert, wer das Existenzrecht Israels in Frage stellt, wer gegen jüdische Menschen hetzt oder den Terror der Hamas relativiert, kann für uns ebenso wenig Bündnispartner*in sein wie diejenigen, die rassistische, anti-muslimische oder anti- palästinensische Angriffe und Propaganda gutheißen oder betreiben. Für Antisemitismus und Rassismus ist kein Platz in der Linken.

Die Bundesregierung muss die wirtschaftliche Kooperation mit den Staaten der Region konsequenter unter die Bedingung stellen, aktiv zum Friedensprozess beizutragen und Eskalationsschritte zu unterlassen bzw. zu verhindern. Das gilt vor allem für die Türkei, Katar und Iran, die zu den Hauptsponsoren der Hamas gehören.

Wir sagen: Wir müssen raus aus der Sackgasse von Nationalismus, Eskalation und Militarismus! Unser Mitgefühl und unsere Solidarität gelten den israelischen, palästinensischen und libanesischen Opfern. Als Linke stehen wir gemeinsam und entschieden gegen jede Form des Antisemitismus und Rassismus – unabhängig davon, von welcher politischen und weltanschaulichen Richtung er ausgeht. Wir stehen für eine Politik, die jüdische Menschen konsequent schützt. Wir verurteilen unmissverständlich alle Kriegsverbrechen und alle Verstöße gegen das Völkerrecht. Es braucht dringend eine politische Lösung. Wir stehen dabei an der Seite all jener, die sich sowohl in Israel als auch in Palästina für einen gerechten Frieden einsetzen, insbesondere der linken Kräfte und der Friedensbewegungen, die trotz schwieriger Bedingungen unermüdlich für eine friedliche Zukunft kämpfen.

Aus der Geschichte des Holocaust und des Antisemitismus ist der Staat Israel eine historische Notwendigkeit. Die historische Verantwortung Deutschlands kann aber keine bedingungslose Unterstützung der Kriegsführung der ultrarechten Netanyahu-Regierung bedeuten. Deshalb fordern wir von der Bundesregierung einen konsequenten Einsatz für einen sofortigen Waffenstillstand. Menschen- und Völkerrecht müssen für alle gelten. Das bleibt unsere Verantwortung, gerade in diesen Zeiten. Die Linke steht für eine friedliche Zwei-Staaten-Lösung in den Grenzen von 1967 mit Ostjerusalem als Hauptstadt Palästinas, ein souveränes, sicheres Israel an der Seite eines souveränen, sicheren Palästinas, einschließlich der Möglichkeit einvernehmlichen Gebietsaustauschs auf Grundlage der UN-Resolutionen. Im gemeinsamen Prozess um die Zukunft der Region müssen Israelis und Palästinenser*innen gleichberechtigt beteiligt sein.

Wir fordern:

  • Einen sofortigen Waffenstillstand, die Freilassung aller Geiseln und unrechtmäßig Festgehaltenen und einen Stopp der wechselseitigen Angriffe, im Gaza-Streifen, im Libanon, Nordisrael und im Westjordanland und zwischen Israel und dem Iran!
  • Hilfe leisten! Die ausreichende humanitäre Versorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen, den Wiederaufbau der Zivileinrichtungen und Infrastruktur, insbesondere Wohnhäuser, Krankenhäuser, Schulen, Universitäten und religiösen Stätten.
  • Die völkerrechtswidrige Kriegsführung in Gaza und Libanon muss sofort eingestellt werden. Deutschland und die NATO dürfen das nicht mit Waffenlieferungen unterstützen.
  • Die Bundesregierung soll Palästina als eigenen Staat in den Grenzen von 1967 anerkennen, um so die Möglichkeiten einer Zweistaatenlösung zu stärken und einen dauerhaften Friedensprozess in Israel/Palästina zu befördern.
  • Deutschland und die EU müssen auch den Druck auf die Staaten der Region erhöhen, Israel als Staat anzuerkennen und der Forderung nach einer Vernichtung der staatlichen Existenz Israels entgegenzutreten.
  • Schluss mit Besatzung, Vertreibung und Siedlungsbau! Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat in seinem Rechtsgutachten vom 19. Juli 2024 festgestellt, dass die israelische Besatzung der Westbank, des Gazastreifens und Ostjerusalems gegen das Völkerrecht verstößt und dass Israel verpflichtet ist, die Besatzung „so schnell wie möglich“ zu beenden. Die vollständige Gleichberechtigung zwischen Israelis und Palästinenser*innen ist für uns Voraussetzung für einen nachhaltigen Frieden. Alle UN-Mitgliedsstaaten – auch Deutschland – sind aufgefordert, alles zu unterlassen, was die Besatzung unterstützt. Die Linke wird mit parlamentarischen Initiativen im Bundestag versuchen, den Forderungen des IGH-Gutachtens Geltung zu verschaffen.
  • Die Hisbollah muss sich entsprechend der UN-Resolution aus dem Grenzgebiet zu Israel zurückziehen.
  • Schluss mit Angriffen auf die israelische Zivilbevölkerung, mit Überfällen und Attentaten auf israelischem Gebiet!
  • In einer zukünftigen Zweistaatenlösung müssen beide Staaten bereit und in der Lage sein, Frieden und Sicherheit auch für die Menschen im jeweils anderen Staat umzusetzen.
  • Geflüchtete schützen! Wir fordern, dass Geflüchtete aus Gaza und dem Westjordanland umgehend den Flüchtlingsstatus in Deutschland erhalten und vor Abschiebung geschützt werden. Es braucht die Einrichtung eines Aufnahmeprogramms mit zusätzlichen Plätzen, das den betroffenen Menschen einen gesicherten Status und damit eine sichere Zukunft in Deutschland ermöglicht. Wir fordern die Bundesregierung auf, die aktuelle Praxis des BAMF zu beenden, wonach Anträge nicht behandelt werden, weil die Lage in Gaza zu unübersichtlich sei.

In diesem Sinne beteiligen wir uns als Die Linke an Demonstrationen für den Frieden, gegen Antisemitismus und Rassismus und für eine gerechte Zweistaatenlösung. Wir organisieren Veranstaltungen zur Aufklärung über den Krieg und über die Situation in Israel und Palästina und erarbeiten entsprechende Materialien.