Sören Pellmanns Rede auf dem Bundesparteitag 2024
Danke Heidi, ich kann nahtlos an deine Worte anknüpfen. Ich sage Dankeschön an alle, die in dieser Situation Verantwortung für die Partei übernehmen wollen und werden. Vielen, vielen Dank!
Liebe Genossinnen und Genossen, Ich möchte zunächst daran erinnern, was Die Linke einst vermochte. Wir haben es eine Weile lang geschafft mit zweistelligen Ergebnissen in vielen Länderparlamenten zu wirken, waren an Landesregierungen beteiligt oder führten sie sogar an. Eine ansehnliche Fraktion im Bundestag war für viele Menschen im Land das lautstarke soziale Korrektiv. In kommunalen Vertretungen haben wir erhebliche Kräfte entfalten können. Wir wurden also in Größenordnungen gewählt, die das alles ermöglichte. Nun gibt es in unserer jetzigen Situation, die ich nicht näher beschreiben brauche, drei Grundüberlegungen meinerseits:
Erstens denke ich, dass dieses Bedürfnis nach einer Politik, wie sie mit der der Linken verbunden wurde, damals keine zufällige Episode war.
Zweitens glaube ich, dass dieses Bedürfnis im Kern auch heute grundsätzlich besteht.
Drittens weiß ich, dass es unter bestimmten Bedingungen punktuell eben doch noch immer gelingt, der Linken zum Erfolg zu verhelfen.
Ihr habt alle den grandiosen Wahlkampf von Nam Duy in Leipzig zur Landtagswahl in Sachsen mitbekommen: Quasi aus dem nichts auf 40 Prozent zum lebenswichtigen Direktmandat – da geht doch was, wir können es doch noch, das sind wir aber immer noch! Wenn dies nun so ist, sollten wir daraus Schlussfolgerungen ziehen: Die Lage ist nicht überall und für immer völlig hoffnungslos. Aus Erfolgen ist zu lernen. Wenn wir verstehen, warum uns so viele das Vertrauen entzogen haben, können wir daran arbeiten und aus unseren Fehlern lernen. Nutzen wir die Zeit für eine selbstkritische Neuaufstellung bei gleichzeitiger Konzentration auf das Wesentliche.
Aber, und das ist das wichtigste, liebe Genossinnen und Genossen, wir werden diese schwere Phase der Krise gemeinsam überstehen, wir werden gemeinsam für die Zukunft unserer Partei kämpfen… Ich kann nicht sagen, ob wir die Talsohle schon durchschritten haben. An eines glaube ich aber ganz fest: Wir haben mit Blick auf die Geschichte gar nicht das Recht, aufzugeben. Linke Parteien haben ganz andere Zeiten durchmachen müssen. Viele Genossinnen und Genossen haben alles geopfert, in unsäglich schwierigeren Zeiten als heute. Und sie haben durchgehalten. Trotz alledem.
Liebe Genossinnen und Genossen, bei aller Zuversicht dürfen wir unsere gegenwärtigen Defizite nicht verschweigen. Etliche Themen haben wir nicht transportieren können. Das Thema der besonderen Interessenswahrung für Ostdeutschland haben wir vernachlässigt. Unser stetiges Engagement für die Interessen der lohnabhängigen Menschen war nicht mehr als Hauptschwerpunkt wahrnehmbar. Unsere richtigen Auffassungen beim Thema Migration haben wir nicht derart kommunizieren können, dass sie bekannt und verständlich wurden. Vor allem in der Friedensfrage haben wir viel Vertrauen verloren. Daraus hat sich ein politisches Vakuum gebildet, das von anderen ausgefüllt wurde. Einerseits von Rechtsaußen und dann auch noch von unserer Abspaltung. Auch hier haben wir uns Fehlanalysen geleistet, als die Gefahr, die für unsere Existenz ausging, nicht erkannt wurde. Wer ein reinigendes Gewitter herbeiwünschte, musste bald feststellen, dass der Blitz uns den Stamm gespalten hatte. Das können wir nicht mehr ungeschehen machen, aber wir können uns ab jetzt anders und vor allem besser verhalten.
Nach über zweieinhalb Jahren Krieg in der Ukraine hoffe ich, dass in unserer Partei die Überzeugung vorherrscht, dass mittels Waffen, Waffen und immer neuer Waffen keine schnellen Siege zu erreichen sind. Im Gegenteil, dieser beschrittene Weg hat die Lage immer weiter verschlimmert und nicht verbessert. Uns ist klar, dass die russische Seite derzeit wenig Interesse hat, einen Frieden zu erreichen. Es ist unmissverständlich: Wir stehen an der Seite der Zivilbevölkerung. Wir stehen stehen auf der Seite des Friedens. Wir hatten und haben keinerlei Sympathie für Kriegstreiber. Wir müssen Diplomatie und Wege zum Waffenstillstand weiter einfordern. Es darf nichts unversucht bleiben Das ist der einzige Weg, das Sterben zu beenden. Dabei dürfen Linke niemals ihren moralischen Kompass verlieren. Dieser orientiert sich nicht an richtiger Parteilichkeit, sondern grundsätzlich zuerst an der Humanität. Wir wissen, wer Angreifer und Aggressor ist. Wir merken aber auch, wer mit den Konflikten dieser Welt seine eigenen Interessen im Windschatten des scheinbar Notwendigen verfolgt. Als ob die Vernichtungspotentiale der Welt nicht mehr als ausreichen, bereiten ehemalige Friedensparteien den Boden für die US-Raketenstationierung in Deutschland. Wenn bei dieser Ampel dafür alle Farben leuchten, darf bei uns nur ein klares Nein! zu hören und zu sehen sein.
Wir sehen in den Haushalten von Bund, Land und Kommunen die Möglichkeiten für soziale Zwecke, Gesundheit, Bildung und Infrastruktur schwinden. Zugleich öffnen sich in unverschämter Art alle Schleusen: Milliarden an Sondervermögen für die Aufrüstung. Das bekommen die kritischen Leute in diesem Land mit. Und sie sehen es mehrheitlich so wie wir. Und das gilt ebenso bei den Fragen der Wohnungsnot, des Lehrerinnenmangels, der Rente, der Ungleichbehandlung der Lebensverhältnisse. Die Wahlantwort in diesem Lande kann doch nicht heißen, dass statt der Versager von heute die Versager von vorher gewählt werden müssen. Oder diejenigen, die mit Hass und Hetze nichts ändern werden. Oder diejenigen, die vielleicht im guten Glauben letztere zu minimieren, den Rest der Vernunft und Gerechtigkeit minimieren, weil sie sich dem Falschen anpassen.
Bleiben wir bei BSW. Ja, wir sind in Konkurrenz mit dieser neuen Partei, in der nicht wenige vormals bei uns waren. Ja, ich bedaure den Weggang einiger, nicht aller von ihnen. Wir müssen klar sein und erkennen lassen: Das Original sozialer Politik ist Die Linke. Wir verbinden die Soziale Frage – anders als andere - mit einer klaren Haltung zu Menschenrechten, mit emanzipatorischen Bewegungen, mit der Klimafrage. Es ist keine Schwäche, keine zu belächelnde Verirrung, wenn wir diese Themen allseitig für wichtig halten.
Ich will es deutlich machen: Eine bessere staatliche Sozialpolitik für die Staatsbürger bei gleichzeitiger programmatischer Diskriminierung von bestimmten Minderheiten ist für uns keine gerechte Sozialpolitik. Das ist so und das bleibt so!
Liebe Genossinnen und Genossen, die Zeit ist lange vorbei, in der Parteimitglieder erwarten können, dass jemand daherkommt, um uns aus der Krise zu erlösen. Das kann niemand allein schaffen. Fragt Euch bitte selbst, was ihr tun könnt. Versuchen wir, die personelle und örtliche Verankerung im Leben wiederzufinden. Hier spreche ich vor allem die Schicht der Lohnabhängigen an. Jede und jeder aus dem universitären Umfeld ist uns natürlich willkommen, alle brauchen wir. Aber wir brauchen zudem wieder die Verankerung bei den abhängig Beschäftigten, bei den Bezügeabhängigen. Aus den Großstädten, die wir oft als letzte Bastionen bewahren konnten, müssen wir wieder in die kleineren Städte und die Fläche wachsen. Ich mache mir nichts vor. Oft gleicht das inzwischen einem kompletten Neuanfang. Aber es gibt fast überall Menschen, die mit uns sympathisieren. Sie zu gewinnen, vielleicht wiederzugewinnen und mit ihnen gemeinsam die Partei neu aufzubauen ist die Herausforderung.
Dazu bietet der Bundestagswahlkampf 2025 eine gute Gelegenheit. Es ist absolut möglich in einem Jahr wieder voll da zu sein. Jetzt gilt es, alle Kräfte zu sammeln und miteinander im Sinne eines Füreinander zu streiten. Auf keinen Fall – wie auch immer es ausgeht – dürfen wir Trauergesängen und Totsagungen folgen und in Niedergeschlagenheit versinken. Dafür sind wir zu wichtig. Eine Fünfprozenthürde ist kein Gradmesser politischer Wichtigkeit, kein Urteil über unsere Existenz.
Die Linke war seit jeher eine politische Kraft, die parlamentarische und außerparlamentarische Aktivitäten miteinander verbinden konnte. Sie werden uns nicht los. Ich möchte nach der nächsten Bundestagswahl wieder im Deutschen Bundestag ans Mikro treten und sagen: Der Markt regelt einen Scheiß – dafür sind wir im Parlament, wegen klarer Klassenorientierung, klarer Sprache, wir legen uns mit den Mächtigen an – das macht doch sonst keiner!
Die Linke war stark,
Die Linke ist da und
Die Linke wird weiter eine politische Kraft sein.
Trotz alledem.