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Wahlprogrammparteitag

Für eine starke LINKE und einen Politikwechsel

Rede von Janine Wissler, Vorsitzende der Partei DIE LINKE und Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl am 26. September 2021

Liebe Genossinnen und Genossen, ich freue mich, gemeinsam mit Dietmar Spitzenkandidatin unserer Partei zur Bundestagswahl zu sein. Ich freue mich auf den Wahlkampf mit all unseren Mitgliedern und Kandidatinnen und Kandidaten.

Wir haben heute mit großer Mehrheit ein Programm verabschiedet, in dem wir konkrete Alternativen formulieren, sowie eine Utopie für eine gerechte und solidarische Gesellschaft aufzeigen.

Lasst uns hinter dem Programm versammeln, denn ab jetzt sind wir im Wahlkampf. Lasst uns raus auf die Straßen und Plätze, an die Haustüren und vor Betriebe, um für eine starke LINKE im nächsten Bundestag zu kämpfen. Im Kiez, in der Kleinstadt und an den Orten, die von der Politik vergessen wurden. Nah bei den Menschen, ihren Sorgen und ihren Träumen.

Wir haben eine große Verantwortung, denn DIE LINKE wird gebraucht. Ganz besonders in einer Zeit, in der die Corona-Pandemie die soziale Ungleichheit noch weiter verschärft hat. Viele sind ärmer und wenige reicher geworden. Für viele ist die Krise noch lange nicht vorbei, sie sind weiter in Kurzarbeit, haben ihren Job verloren oder stehen vor der Insolvenz, und wissen nicht, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen.

Corona hat die sozialen Unterschiede deutlich gezeigt, und während die Milliardenspritzen für Konzerne locker saßen, wurden viele einfach vergessen. Gerade die, die sozial und gesundheitlich besonders gefährdet sind, wurden im Stich gelassen. Und nichts verdeutlicht das so sehr, wie der Umgang mit den Masken.

Es ist schlimm genug, dass das Gesundheitsministerium von Herrn Spahn über eine Milliarde Steuergeld versenkt in minderwertige Masken und seine Parteifreunde sich auf Kosten der Pandemie bereichert haben. Schlimm genug. Und dann überlegt man im Gesundheitsministerium offenbar, wem man diese unbrauchbaren Masken andrehen kann, damit der Fehlkauf nicht auffällt.

Und kommt man ausgerechnet auf Obdachlose, Menschen mit Behinderungen und Hartz IV-Bezieher. Das macht fassungslos. Was ist das für ein Menschenbild? Ausgerechnet die besonders vulnerablen Gruppen, die besonders gefährdet sind, schwer an Covid zu erkranken oder zu sterben. Menschen mit Behinderung und arme Menschen müssen geschützt werden und sind nicht die Resterampe für Fehlkäufe des Gesundheitsministeriums.

Im letzten Jahr gab es große Dankesworte an die sogenannten „Systemrelevanten". Aber auf Applaus und warme Worte folgte: nichts. Davon kann die alleinerziehende Verkäuferin oder der Paketbote keine Rechnungen bezahlen.

Harte Arbeit – ob auf dem Bau oder im Supermarkt, in der Kita oder im Krankenhaus - muss besser entlohnt werden. Und in diesem Sinne wünschen wir ver.di und den fünf Millionen Beschäftigten viel Erfolg bei den aktuellen Tarifauseinandersetzungen im Handel und ein ordentliches Lohnplus.

Jetzt geht es darum, wer die Kosten für die Krise bezahlt. Und erste Vorschläge werden diskutiert: Sozialabbau, weniger Urlaubstage, mehr Sonntagsarbeit und Rente erst ab 68. Also mit anderen Worten: Die Kosten sollen abgewälzt werden auf die Menschen, die im letzten Jahr den Laden am Laufen hielten. Das ist eine Frechheit.

Einige der reichsten Männer des Landes sind die Besitzer von Einzelhandelsketten. Deren Gewinn und Vermögen sind im letzten Jahr weiter gestiegen, aber am Ende soll die Kassiererin, die oft mit Niedriglöhnen abgespeist wird, die Krisenkosten zahlen.

Wir wollen die Superreichen und Profiteure der Krise zur Kasse bitten, damit ein Unternehmen wie Amazon endlich angemessen Steuern zahlt. Wir schlagen eine Vermögensabgabe vor, um das reichste Prozent an der Finanzierung der Krisenkosten zu beteiligen, und die Wiedereinführung der Vermögensteuer.

Die CDU behauptet in ihrem Wahlprogramm allen Ernstes: Eine Vermögenssteuer würde uns alle treffen". So ein Quatsch, wer das glaubt, glaubt auch, dass Friedrich Merz zur gehobenen Mittelschicht gehört. Es geht hier um die steigende Zahl der Millionäre und Milliardäre in diesem Land.

Notwendig ist eine mutige, eine radikale und realistische Politik. Es geht nicht nur um kleine Korrekturen, sondern um einen Richtungswechsel. Wir wollen die Prämissen der Politik grundlegend ändern – im Interesse der übergroßen Mehrheit.

Wir wollen eine Gesellschaft, in der "gute Arbeit" normal ist. Schluss mit ausufernden Befristungen, Minijobs und Leiharbeit. Prekäre Beschäftigung bedeutet ein Leben in Unsicherheit und Angst vor sozialem Abstieg.

Armutslöhnen, von denen man nicht leben kann, sagen wir den Kampf an. Es darf doch nicht sein, dass Busfahrer in einigen Städten Wohngeld beantragen müssen, wie mir gerade bei einer Betriebsrätekonferenz erzählt wurde, weil ihr Gehalt nicht zum Leben reicht.

Wir wollen flächendeckende Tarifverträge stärken und den Mindestlohn auf 13 Euro erhöhen.

DIE LINKE steht an der Seite der Arbeitenden, die tagtäglich den gesellschaftlichen Reichtum erwirtschaften und den Laden am Laufen halten.

Wir wollen eine Gesellschaft, in der die Rente den Lebensstandard sichert und vor Altersarmut schützt. Millionen Beschäftigten droht Altersarmut. Ob sie im Krankenhaus, an der Supermarktkasse oder auf dem Bau arbeiten. Das trifft besonders die Minijobber, die prekär Beschäftigten und die vielen Frauen, die unbezahlte Familien- und Pflegearbeit leisten.

Ihre Lebensleistungen werden nicht anerkannt, sie werden nach Jahrzehnten harter Arbeit mit einer Rente auf Hartz-IV-Niveau abgespeist. Damit werden wir uns niemals abfinden! Niemand darf gezwungen sein, bis ins hohe Alter zu arbeiten oder Flaschen zu sammeln, weil die Rente nicht reicht. 

Wir wollen,dass alle Menschen in Würde leben können und dazu gehört, dass die Rente nicht nur zum Überleben reicht, sondern auch für das Geschenk fürs Enkelkind, für Kulturveranstaltungen und ein gutes Leben. Bei der Rente, liebe Genossinnen und Genossen, geht es um Menschenwürde, um Respekt vor Lebensleistungen. Deshalb kämpfen wir für die Angleichung der Ostrenten - das ist nach 30 Jahren überfällig.

Wir wollen eine Rente, in die alle einzahlen, und eine solidarische Mindestrente. Und natürlich muss die Rente ab 67 abgeschafft werden, weil sie eine drastische Rentenkürzung ist für all die, die nicht bis ins hohe Alter arbeiten können.

Wir wollen eine Gesellschaft, in der Krankenhäuser keine Gewinne abwerfen und Dividenden für Aktionäre erwirtschaften müssen, sondern Menschen gesundmachen. Die Pflege von Menschen darf nicht nach Fallpauschalen und Kostendruck organisiert werden. Private Krankenhauskonzerne planen während einer Pandemie Entlassungen.

Wir wollen Krankenhäuser in öffentlicher Hand mit ausgeruhten und gut bezahlten Beschäftigten, die Zeit für ihre Patienten haben. Weil die Worte des Trosts und des Zuspruchs oft genauso wichtig sind wie eine Spritze, auch wenn sie nicht abgerechnet werden können.

Viele Pflegekräfte werden durch einen Personalmangel dazu gezwungen, über ihre gesundheitlichen Grenzen zu gehen. Menschenwürde statt Pflegenotstand. Applaus gibt keine Sicherheit, und warme Worte zahlen keine Rechnungen.

Wir brauchen ein Sofortprogramm für mehr Personal und bessere Bezahlung in der Pflege – im Krankenhaus, in den Pflegeeinrichtungen und in der ambulanten Pflege. Wir wollen eine solidarische Bürgerversicherung statt Zwei-Klassen-Medizin und niemand darf in Deutschland ohne Krankenversicherung sein – auch nicht die Saisonkräfte auf den Spargelfeldern.

Liebe Genossinnen und Genossen, diese Bundestagswahl ist auch eine Abstimmung über bezahlbare Mieten. CDU und FDP agieren als parlamentarischer Arm der Immobilienlobby, wir sind die Partei der Mieterinnen und Mieter.

Wir wollen eine Gesellschaft, in der nicht Immobilienkonzerne darüber entscheiden, wie wir wohnen. Der Berliner Mietendeckel war ein wichtiger und mutiger Schritt, er war ein Akt der Notwehr angesichts der dramatischen Lage auf dem Wohnungsmarkt.

Nachdem er in Berlin gekippt wurde, gilt: Jetzt erst recht! Wir wollen die Mieten bundesweit deckeln und einen Mietenstopp durchsetzen. Damit niemand aus seiner Wohnung verdrängt oder gar zwangsgeräumt wird, weil er die Miete nicht mehr zahlen kann.

Nein, der Markt wird auch dieses Problem nicht lösen. Das haben wir in den letzten Jahren gesehen, die Mieten in den Städten sind explodiert. Dann heißt es immer: bauen, bauen, bauen und noch die letzte Fläche versiegeln. Aber so schnell kann man gar nicht bauen, wie bezahlbarer Wohnraum vernichtet wird. Fünf Millionen Sozialwohnungen fehlen und alle 12 Minuten fällt eine Sozialwohnung aus der Bindung.

Und was ist die Antwort der Bundesregierung und von Bauminister Seehofer? Das Baukindergeld und die Förderung von Wohneigentum. Dafür wird dreimal so viel ausgegeben wie für sozialen Wohnungsbau.

Nach dem Motto: "Du kannst dir deine Wohnung nicht mehr leisten? Dann kauf dir doch ein Haus." Das ist doch zynisch und hilft niemandem, der Probleme hat, seine Miete zu zahlen.

Wir brauchen eine Wohnungspolitik, die an die Wurzel der Probleme geht. Wir wollen die Bodenspekulation bekämpfen, die Mieten deckeln, und wir unterstützen das Volksbegehren Deutsche Wohnen und Co enteignen in Berlin. Jeder Mieter von Deutsche Wohnen und Vonovia zahlt rechnerisch 2.000 Euro pro Jahr an die Aktionäre. Also wer enteignet hier eigentlich wen? Wir wollen diese Konzerne vergesellschaften, weil Wohnungen ein Zuhause für Menschen sind und kein Renditeobjekt.

Wir wollen eine Gesellschaft, in der Zugang zu Bildung nicht davon abhängt, in welche Familie ein Kind geboren wird. Das mehrgliedrige Schulsystem verfestigt soziale Ungleichheit statt sie auszugleichen. Kinder aus Arbeiterfamilien oder mit Migrationsgeschichte werden systematisch benachteiligt.

Corona hat die Probleme des deutschen Bildungssystems noch sichtbarer gemacht: Lehrkräftemangel, soziale Ungerechtigkeit und fehlende Ausstattung.

Wir wollen nicht zurück zum schlechten Normalzustand, wir brauchen eine Bildungsrevolution – für längeres gemeinsames Lernen, eine Schule für alle Kinder und gut ausgestattete Schulen.

Warum lassen wir zu, dass Kinder einen großen Teil ihres Lebens in maroden Schulen verbringen, in beengten Klassenräumen, wo der Putz von der Decke bröckelt? Ganztagsbetreuung, mehr Lehrkräfte, Sozialarbeiter, kleinere Klassen und das Recht auf Inklusion für Kinder mit Behinderungen müssen endlich garantiert werden.

Und wir brauchen eine andere Kultur des Lernens - ohne Druck, Angst vor schlechten Noten und Sitzenbleiben. Schule muss Kinder ermutigen und stärken, statt sie zu demütigen und zu beschämen. Schule darf kein Stressfaktor für Kinder und ihre Familien sein, sondern ein solidarischer und selbstbestimmter Lernort, wo jedes Kind ein Instrument erlernen, Theater spielen, Schwimmen lernen und Sport treiben kann - unabhängig vom Geldbeutel der Eltern.

Einmalig zwei Milliarden Euro zum Aufholen reichen da nicht, wir wollen endlich Bildungsgerechtigkeit schaffen.

Wir treten ein für eine Politik, die allen jungen Menschen in diesem Land echte Perspektiven ermöglicht. Einen Ausbildungsplatz oder ein Studium. Viele junge Menschen können aufgrund der hohen Mieten nicht von zu Hause ausziehen. Viele hangeln sich von einem befristeten Arbeitsvertrag zum nächsten. An die Stelle des früheren Aufstiegsversprechens ("unseren Kindern wird es mal besser gehen") sind für viele Abstiegsängste getreten.

Generationengerechtigkeit bedeutet nicht, heute an Zukunftsinvestitionen zu sparen. Die Politik von Schuldenbremse und Schwarzer Null bürdet kommenden Generationen die Lasten des Klimawandels und einer maroden Infrastruktur auf.

Die LINKE tritt an für ein Zukunftsinvestitionsprogramm - für den sozialen und ökologischen Umbau.

Liebe Genossinnen und Genossen, der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke sagte in seinem Grußwort, es dürfe nach der Pandemie keine Rückkehr zu einem ökologisch und sozial blinden Wirtschaftssystem geben.

Wir stehen für soziale Gerechtigkeit und für Klimaschutz. Das eine geht nicht ohne das andere. Es muss Schluss sein mit der Politik der verlorenen Zeit beim Klimaschutz, wenn wir das 1,5 Grad-Ziel erreichen wollen. Und das müssen wir.  

Für uns ist Klimaschutz elementarer Bestandteil des Kampfes für ein besseres Leben für alle. Es geht nicht einfach um Verzicht, sondern um ein besseres Leben und mehr Lebensqualität.

Mutiger Klimaschutz führt zu mehr sozialer Gerechtigkeit, wenn die Kosten dafür nicht einfach mit höheren Preisen auf die Allgemeinheit umgelegt werden, sondern den Konzernen, die für einen großen Teil der CO2-Emissionen verantwortlich sind, klare Vorgaben gemacht werden.

Es kann nicht sein, dass diejenigen, die eh schon kämpfen müssen, um über die Runden zu kommen, die Kosten für den Klimaschutz tragen, während den Konzernen ein "Pakt" angeboten wird, ihre Kosten auf alle umzuverteilen.

Viele Menschen sind aufs Auto angewiesen – weil sie keine Alternative haben. Seit der Bahnreform tausende Schienenkilometer und hunderte Bahnhöfe stillgelegt worden sind, ganze Landstriche wurden abgehängt, ganz besonders im Osten Deutschlands.

Wir wollen Deutschland zum Bahnland machen - mit einem gut ausgebauten Schienennetz, gut getaktet, barrierefrei, zu bezahlbaren Preisen. Stillgelegte Bahnhöfe und Strecken im ländlichen Raum wollen wir reaktivieren und den Fernverkehr ausbauen. Damit auch nach Corona niemand mehr von Frankfurt nach Stuttgart fliegt. Damit Menschen, die sich kein Auto leisten können oder wollen, mobil sein können – auch auf dem Land.

Warum sind Flughäfen gepflegte Glaspaläste und Bahnhöfe häufig eines der verwahrlosesten Gebäude der Stadt? Auch das sagt was aus über den Stellenwert des Bahnverkehrs. Und mit Andreas Scheuer sitzt ein Lobbyist der Automobilindustrie auf dem Ministersessel.

Wir wollen den öffentlichen Nahverkehr massiv ausbauen und den Nulltarif zum Ziel machen, um bezahlbare Mobilität zu ermöglichen.

Die Arbeitsplätze in der Industrie wollen wir zukunftssicher und nachhaltig machen mit einem Transformationsfonds. Die Beschäftigten müssen stärker mitbestimmen können. Dafür bekommen wir keinen Applaus aus den Chefetagen der Energiekonzerne, der Kohlelobby und der Automobilkonzerne, im Gegenteil. Wer aber nicht bereit ist, sich mit deren Interessen anzulegen, wird beim Klimaschutz scheitern.

Liebe Genossinnen und Genossen, der Kampf um soziale und politische Rechte gehört untrennbar zusammen, damit stehen wir in der Tradition der sozialistischen und der Arbeiterbewegung, die immer für das Recht auf körperliche Selbstbestimmung und für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch gekämpft hat. Und auch gegen den Paragraf 175 und die Kriminalisierung von Homosexualität. Weil es um Menschenrechte geht.  

Wir treten an für Solidarität und gleiche Rechte für alle. Viele Menschen mit Migrationsgeschichte machen früh die Erfahrung, dass ihre Anstrengungen weniger zählen.

Dass sie sich mehr anstrengen müssen. Dass sie häufiger in Polizeikontrollen kommen. Dass sie Ausgrenzung, Bedrohungen und alltäglichen Rassismus erfahren. Wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der niemand ausgegrenzt wird, und struktureller Rassismus endlich als Problem anerkannt und angegangen wird.

Wir kämpfen dafür, dass struktureller Rassismus endlich als Problem erkannt und überwunden wird.

Auch in den Behörden. In Frankfurt wurde gerade das SEK aufgelöst, weil gegen ein Drittel der Beamten wegen rechter Chats ermittelt wird. Rechte Netzwerke müssen aufgelöst werden, statt das als Einzelfälle zu verharmlosen.

Liebe Genossinnen und Genossen, die Gefahr von rechts ist groß, das zeigen der NSU, Halle, der Mord an Walter Lübcke und Hanau. Der Kampf gegen rechts, gegen Nazis auf der Straße und in den Parlamenten, gegen Rassismus, Antisemitismus und alle andere Formen der Menschenfeindlichkeit ist unser aller Auftrag.

Solidarität ist unteilbar und sie endet nicht an den Grenzen Deutschlands oder der Europäischen Union. Liebe Genossinnen und Genossen, meine erste Auslandsreise als Parteivorsitzende habe ich nach Lesbos unternommen, um das Geflüchtetenlager Kara Tepe, auch Moria 2 genannt, zu besuchen. Dort leben über 3.000 Menschen, ein Drittel davon Kinder, ohne Strom und fließendes Wasser, in Zelten bei Kälte wie bei Hitze.

Viele Kinder waren noch nie in der Schule und haben noch nie einen Spielplatz gesehen. Das ist kein Versagen, das ist Absicht. Wenn Menschen im Mittelmeer ertrinken, ist das kein tragisches Unglück, das ist Kalkül, wenn Seenotretter an ihrer Arbeit gehindert und kriminalisiert werden. Diese Abschottungspolitik der EU tritt die Menschenwürde mit Füßen.

Niemand flüchtet freiwillig, sondern aufgrund von Krieg und Elend.

Wir wollen eine Gesellschaft, die auf Abrüstung setzt, statt auf Waffenexporte und Militäreinsätze. Nach fast 20 Jahren zieht die Bundeswehr aus Afghanistan ab. 20 Jahre Krieg, in denen Afghanistan nicht friedlicher und nicht sicherer geworden ist – im Gegenteil. Über 12 Milliarden Euro hat der Bundeswehreinsatz gekostet. Und noch viel wichtiger: 80.000 Menschen sind in diesem Krieg gestorben.

Nach diesem offensichtlichen Scheitern dieses Militäreinsatzes und auch dem in Mali, die DIE LINKE Bundestagsfraktion immer und geschlossen abgelehnt hat, finde ich es einigermaßen absurd, dass ausgerechnet wir aufgefordert werden, unsere friedenspolitischen Positionen zu überdenken.

Wir lehnen bewaffnete Drohnen ab, wir wollen Waffenexporte stoppen, abrüsten und die Entwicklungszusammenarbeit stärken. Den Hunger weltweit zu bekämpfen, das wäre mal eine sinnvolle humanitäre Intervention.

Wir lehnen das 2-Prozent-Ziel der NATO ab. Deutschland hat die Militärausgaben seit 2014 um 35 Prozent erhöht, allein im Corona-Jahr 2020 um über 8 Prozent. In Zeiten neuer Konfrontation stehen wir für konsequente Friedens- und Entspannungspolitik.

Unsere Gedanken sind in diesen Tagen bei unseren Genossinnen und Genossen der HDP. Nach dem faschistischen Anschlag auf die HDP- Zentrale in Izmir, bei dem eine Genossin getötet wurde, und angesichts des drohenden Verbots, das Erdogan plant. Tausende Oppositionelle wurden verhaftet, ihrer Ämter enthoben und inhaftiert. Erdogan führt Krieg gegen die Kurden und unterdrückt die Opposition. Wir fordern die Bundesregierung auf, die Deals mit Erdogan zu beenden. Solidarität mit der HDP und allen demokratischen Kräften in der Türkei!

Liebe Genossinnen Genossen, unser Wahlprogramm ist unser politisches Angebot. DIE LINKE ist nicht käuflich, wir bekommen keine Spenden von Unternehmen und unsere Abgeordneten bereichern sich nicht an der Pandemie.

Wir machen Druck für konkrete Verbesserungen mit der Vision einer sozialen, gerechten und demokratischeren Gesellschaft. Nicht zurück zum kapitalistischen Normalzustand vor Corona, sondern hin zu einer Gesellschaft, in der Solidarität und Respekt keine leeren Versprechen sind.

Dazu wollen wir die Prämissen der Politik grundlegend verändern. Im Interesse der übergroßen Mehrheit der Menschen. Lasst uns nicht darüber reden, ob wir verschiedene Milieus erreichen, sondern wie. Denn ob Stadt oder Land, ob studiert oder nicht: ein gutes öffentliches Gesundheitssystem und armutsfeste Renten brauchen alle. Soziale Garantien und Solidarität statt Konkurrenz. Frieden statt Aufrüstung und Konfrontation. Klimagerechtigkeit statt grünem Kapitalismus.

Einige nennen das radikal. Wir nennen es Gerechtigkeit. Es geht um eine bessere Zukunft und um ein besseres Leben im Hier und Jetzt. Her mit dem schönen Leben.

Veränderungen braucht Bewegung – und Menschen, die sich für eine bessere Zukunft zu engagieren. Gemeinsam mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen wie Black lives matter, der Klimabewegung, Seebrücke und den neuen feministischen Bewegungen wollen wir Gesellschaft verändern. Und dazu brauchen wir dich.

Lasst uns für eine starke LINKE und einen Politikwechsel kämpfen. Es geht um viel in diesem Wahljahr. Deshalb: Werde linksaktiv, tritt ein und mach mit im Wahlkampf, um Alternativen von links stark zu machen. Am besten gleich jetzt.

Danke!

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