Selbstbestimmung, soziale Sicherheit, Schutz – queere Solidarität hier und überall!
Beschluss des Parteivorstandes vom 3. Juli 2021
Gut 50 Jahre nach dem Compton Cafeteria Riot und Stonewall, etwa 40 Jahre nach den ersten Christopher Street Days hierzulande spitzen sich die Kämpfe queerer Menschen international wieder zu.
Weltweit steigt die Zahl gewalttätiger Übergriffe oder Morde an LGBTIQA* massiv an - sei es in Teilen des globalen Südens oder in den USA. In Ländern wie der Türkei, Russland und dem Iran wenden sich die allgemeinen antidemokratischen Zustände auch und gerade gegen Frauen und/oder queere Menschen, teils mit tödlichem Ausgang. In einigen afrikanischen Staaten gelingt es LGBTIQA*, aus ihrer lang andauernden Unsichtbarkeit hinaus zu gelangen, in wieder anderen nimmt die Unterdrückung zu. Besonders im globalen Süden, in Südostasien hat die Covid19-Pandemie den Zugang queerer Menschen zu essentiellen Angeboten der Gesundheitsversorgung so gut wie verunmöglicht.
In Polen versuchen kirchliche Kreise und die rechtsnationale Regierung im Schulterschluss mit Faschisten queeren Menschen und Frauen* das Leben zur Hölle zu machen. So genannte "LGBT-freie Zonen" und ein weitgehendes Abtreibungsverbot werden völlig zu Recht von linken, liberalen und feministischen Gruppen bekämpft. In Ungarn hat die rechte Orbàn-Regierung am 15. Juni gegen den Protest tausender Menschen in Budapest ein regelrechtes Anti-LGBTIQA*-Gesetz beschlossen, dass homosexuelle und transgeschlechtliche Menschen unsichtbar macht und in die Nähe von Pädosexualität rückt.
Und Deutschland? Two steps forward, one step back.
Mit der Einführung der "Ehe für Alle" und der Anerkennung einer dritte Geschlechtsoption hat die queere Community in den letzten Jahren überfällige rechtliche Verbesserungen erkämpft, wenngleich wichtige Zielmarken wie die Verwirklichung eines Selbstbestimmungsgesetzes anstelle des "Transsexuellengesetzes" oder die Reform des Abstammungsrechtes zugunsten von Regenbogenfamilien noch ausstehen. Mancherorts haben queere Gruppen und solidarische Verbündete Fortschritte in der Gesundheitsversorgung, der Beratungsstruktur oder auch im Kulturbereich erreicht. Jedoch gilt auch hier: die soziale Spaltung und die geschlechtsspezifische Gewalt sind noch lange nicht überwunden.
Der Vorstand der Partei DIE LINKE. erklärt daher:
- Solidarität ist unteilbar. Wir sind unbedingt solidarisch mit queerfeministischen Bewegungen weltweit.
- Kein Mensch ist illegal. Wir fordern daher die Bundesregierung auf, sexistische und/oder queerfeindliche Gewalt endlich uneingeschränkt als Fluchtursache anzuerkennen und die entsprechenden Asylverfahren zu vereinfachen. Dies umfasst die vollständige Umsetzung der Istanbul-Konvention ebenso den Verzicht auf Abschiebungen in angeblich "sichere Herkunftsstaaten".
- My body, my choice. Selbstbestimmung über den eigenen Körper steht für DIE LINKE im Vordergrund. Dies gilt auch und gerade bei einer Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und bei einem Selbstbestimmungsgesetz für transgeschlechtliche und genderdiverse Menschen.
- Die Gesundheitsversorgung queerer Menschen muss endlich bedarfsgerecht und umfassend gewährleistet werden. Dies erfordert verstärkte Anstrengungen in den Strukturen vor Ort, aber auch die Festschreibung des Rechtes auf medizinische Versorgung in der Sozialgesetzgebung. DIE LINKE setzt sich für queersensible Gesundheitszentren auch jenseits der großen Metropolregionen ein.
- Unsere Antwort auf prekäre Arbeitsverhältnisse und soziale Ausgrenzung queerer Menschen sind passgenaue Arbeitsmarktprogramme und höhere Investitionen in die queeren Beratungsstrukturen und Kultureinrichtungen. DIE LINKE steht an der Seite queerer Beschäftigter, die sich u.a. in gewerkschaftlichen Kontexten organisieren, um betriebsintern für ihre Rechte einzutreten.
- Es ist Zeit für eine nationale Kraftanstrengung gegen Wohnungslosigkeit. Für queere Menschen stellt sich diese Gefahr oft konkret dar: Sei es für die lesbische Tochter, die nach ihrem Outing verstoßen wird oder für den migrantischen Sexarbeiter ohne gesicherten Aufenthaltsstatus. Wir brauchen eine verbesserte Erkenntnisgrundlage über die Situation wohnungsloser LGBTIQ* durch Forschung und einen wirksamen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit.
- DIE LINKE will ein gutes Leben für alle und gleichwertige Lebensverhältnisse überall. Die Bundespolitik scheint den ländlichen Raum beinahe aufgegeben zu haben, vor allem im Osten. Viele queere Menschen hängen trotz fehlender Infrastruktur an ihrem Wohnort. Das Kaputtsparen der Kommunen muss beendet werden, es braucht u.a. mehr Geld für zivilgesellschaftliche Träger vor Ort oder für Kulturangebote, um eine Verödung des ländlichen Raums zu verhindern. Das Konzept der LINKEN für mehr Nahverkehr, kostenlos und überall, ist darüber hinaus nicht nur ein wichtiger Beitrag für den Klimaschutz, sondern verhindert auch, dass z.B. auch mal ein Ausflug auf die nächste queere Party in der Großstadt möglich ist, ohne, dass man die restliche Nacht auf dem Bahnhof zubringt, weil kein Zug zurückfährt.