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Beschluss 2023/359

Stoppt den Krieg gegen die Ukraine – stoppt die Eskalation

Beschluss des Parteivorstandes vom 12. Februar 2023

Zum Jahrestag des Kriegs gegen die Ukraine - zivile Alternativen stärken 
Eine festgefahrene und gefährliche Situation

Am 24. Februar jährt sich der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Bei diesem Angriff starben bisher nach UN-Angaben 11.415 ukrainische Zivilist*innen, insgesamt sind wahrscheinlich mehr als 200.000 Tote und Verletzte. Millionen Menschen sind aus der Ukraine, Hunderttausende aus Russland geflohen. Menschenrechtsorganisationen sprechen von tausenden Fällen russischer Kriegsverbrechen in der Ukraine. Der Krieg hat auch weltweit verheerende Folgen, wie etwa auf die Nahrungsmittelversorgung. Eine Lösung scheint derzeit nicht greifbar. Die Ukraine hat das Recht, sich zu verteidigen. Aber neben der militärischen Logik ist kein politischer Ansatz zu erkennen, die Eskalationsspirale dreht sich nach oben. Die Situation kann in eine gefährliche Rutschbahn geraten und der Krieg sich über die Ukraine hinaus ausweiten.

Noch am Anfang des Krieges warnten Joe Biden und Olaf Scholz vor der Gefahr eines Dritten Weltkrieges. Die Lieferung von Leopard-2-Panzern ist eine weitere Eskalationsstufe in diesem Konflikt und wurde zu Beginn des Krieges von den Verantwortlichen noch kategorisch ausgeschlossen. Bei dieser Lieferung wird es wahrscheinlich nicht bleiben. Direkt nach der Zusage der Bundesregierung zur Lieferung von Leopard-2-Panzern wurden die ersten Rufe nach der Lieferung von Kampfjets und U-Booten lauter. Hinter den Lieferungen von immer mehr und immer schwereren Waffen ist keine Strategie und Perspektive für die Ukraine zu erkennen. Selbst hochrangige Militärs, wie der oberste General der USA, Mark Milley, räumen ein, dass ein militärischer Sieg der Ukraine sehr unwahrscheinlich ist. Dafür wächst die Gefahr einer weiteren internationalen Eskalation und eines jahrelangen Abnutzungskrieges, von dem vor allem die Rüstungskonzerne profitieren.

Dabei gibt es zivile Alternativen um Putin an den Verhandlungstisch zu zwingen. Die vorhandenen Sanktionen etwa werden nur halbherzig umgesetzt. In Russland gibt es über 20.000 Multimillionäre. Sie sind die Profiteure von Putins Regime. Allerdings wird nur ein kleiner Teil von ihnen überhaupt sanktioniert. Belgien hat im Verhältnis zu Deutschland viel mehr Oligarchenvermögen eingefroren. Wir haben hierzulande immer noch unzureichende Transparenzvorschriften, was den Besitz von Eigentum angeht. Eigentümerstrukturen sollen im Vagen bleiben, damit die Superreichen weiter ihre Geschäfte machen können. Offenbar sind Waffenlieferungen da für manche die bequemere Variante. Wir sagen dagegen: Statt immer mehr Waffen braucht es gezielte Sanktionen gegen die russische Machtelite und Russlands militärisch-industriellen Komplex und damit gegen dessen Fähigkeit zur Kriegsführung. Gleichzeitig braucht es klare Bedingungen für die Aufhebung der nach dem 24. beschlossenen EU-Sanktionen – sie sollten aufgehoben werden, wenn sich das russische Militär auf seine (offiziellen) Positionen vom 23. Februar zurückzieht und damit die UN-Resolutionen umsetzt.

Auch der diplomatische Druck auf Russland muss im Rahmen einer internationalen Friedensoffensive massiv verschärft werden. Ein Waffenstillstand ist geboten, sodass die Menschen in der Ukraine Luft holen können. Russland muss seine Truppen aus den seit dem 24. Februar 2022 besetzten Gebieten zurückziehen sowie die Angriffe auf die zivile Infrastruktur des Landes sofort einstellen. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich dem Vorschlag des brasilianischen Präsidenten Lula anzuschließen und einen „Friedensklub“ unter Beteiligung Chinas zur Beendigung des Krieges zu unterstützen. Bisher tut sie das nicht. Man traut sich offenbar nicht aus der globalen Konfrontationspolitik der USA gegenüber China auszuscheren. Die Ampel wird von einem kriegsverharmlosenden Ton dominiert, besonders aus den Reihen von FDP und Grünen, für die Leopardpanzer mitunter Zirkustiere sind, die man „befreien“ müsse und die manchen für einen Internetwitz taugen. Als DIE LINKE werden wir uns dieser sprachlichen Verrohung, der Militarisierung unserer Gesellschaft und der internationalen Eskalationsspirale widersetzen. Wir fordern von der Bundesregierung, Asyl für russische und ukrainische Deserteure und Geflüchtete endlich unbürokratisch sicherzustellen.

Weltweite Auswirkungen

Geopolitisch beobachten wir eine Verschiebung: Die Nato erfährt unter der Führung der USA eine Stärkung, die transatlantischen Beziehungen werden wieder enger. Die EU versucht ihre eigene geopolitische Rolle zu stärken, statt eine eigenständige Außenpolitik zu entwickeln, die auf Abrüstung und Diplomatie basiert. Gleichzeitig droht eine Blockkonfrontation, wenn China enger mit Russland kooperiert. Russland hat die Ukraine angegriffen, aber der Krieg bekommt auch eine Stellvertreterdimension, weil die USA, die EU sowie Russland und China unterschiedliche Interessen durchsetzen wollen. Dabei scheint die Souveränität der Ukraine oft nur eine untergeordnete Rolle zu spielen bzw. von Russland wird diese sogar grundsätzlich in Frage gestellt. Die Doppelmoral der Bundesregierung ist unübersehbar, wenn die EU ein Ölembargo gegenüber Russland verhängt, aber Deutschland gleichzeitig Verträge mit Staaten wie Saudi-Arabien und Katar schließt, die seit Jahren einen Krieg im Jemen führen, in dem bereits fast eine halbe Million Menschen zu Tode gekommen sind. Der NATO-Verbündete Türkei bombardiert völkerrechtswidrig kurdische Gebiete, sogar noch nach dem schrecklichen Erdbeben in der Region – und die Bundesregierung schweigt.

Die Welt bewegt sich auf eine neue Qualität konfrontativer Politik zu, in der Vormachtstellungen immer schneller auch mit militärischen Mitteln durchgesetzt werden. Für die Bekämpfung der Klimakatastrophe, die nur mit internationaler Kooperation gelingen kann, eröffnet diese verschärfte Blockkonfrontation düstere Aussichten. Eine stabile Sicherheitsarchitektur in Europa – und weltweit – bleibt eine Vision, für die wir als LINKE eintreten, aus Gründen des Friedens, des Klimaschutzes, der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit. Abrüstung, Abkommen über den Nichteinsatz von Atomwaffen und internationaler Dialog sind das Gebot der Stunde.

Nein zur Aufrüstung

In Deutschland konnten mithilfe des Ukrainekriegs lange in der Schublade schlummernde Pläne zur Aufrüstung umgesetzt werden, was die Ampel mit dem Sondervermögen für die Bundeswehr sofort genutzt hat. Das Sondervermögen ist das größte Aufrüstungsprogramm seit dem Zweiten Weltkrieg. Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius verlangt sogar, das Sondervermögen von 100 auf 300 Mrd. EUR zu erhöhen. NATO-Staaten sollen nach Vorstellungen einiger Politiker*innen zukünftig das 3-Prozentziel für Militärausgaben in den nationalen Haushalten anstreben. Mehr Waffen machen die Welt nicht sicherer. Die drohende Perspektive ist im Moment ein neues Wettrüsten. Dabei wäre das Geld in einer Investitionsoffensive für Bildung, Gesundheit und den sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft besser angelegt. Denn ein guter Lebensstandard und eine gute Daseinsvorsorge für alle schaffen Sicherheit.

Um die Stimmen für Frieden, Abrüstung und internationale Zusammenarbeit zu stärken und in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen, ergreifen wir folgende Maßnahmen:

 

  • Durch Aktionen zum Jahrestag am 24.2. und bei den Ostermärschen fordern wir Russland auf, seine Truppen aus der Ukraine zurückzuziehen. Die Bundesregierung fordern wir auf keine schweren Waffen in die Ukraine zu schicken und die Eskalationsspirale zu durchbrechen. Zugleich fordern wir die Bundesregierung, die EU und die internationale Gemeinschaft auf, sich mit Nachdruck für die Aufnahme von internationalen Verhandlungen und zivile Alternativen einzusetzen. Damit wollen wir im diskursiven Korridor, der auf die militärische Perspektive verengt ist, zivile Lösungsansätze stärken und die gesellschaftliche Debatte verändern. Dafür wird jeweils ein digitales Materialienpaket erstellt, bestehend aus Sammel-Vorlage, Plakaten, Share-Pics und Videos für Social-Media. Eine Unterschriftensammlung für diplomatische Lösungen statt weiterer Waffenlieferungen wurde bereits erstellt. Damit können bei Aktionen in den Landes- und Kreisverbänden sowie bei den Ostermärschen Unterschriften gesammelt werden.

  • Der Parteivorstand bittet die Landes- und Kreisverbände, nach Möglichkeit Mahnwachen, Kundgebungen und Infostände anlässlich des Jahrestages des Krieges am 24.2. zu organisieren und sich vor Ort mit anderen demokratischen Kräften in die Vorbereitung der Ostermärsche einzubringen. Bei der Mitarbeit in Bündnissen bestehen wir auf konsequente Abgrenzung zu Faschisten, Rassisten sowie Rechtspopulisten, „Querdenkern“ und rechtspopulistischer Propaganda.

  • Um die Debatte zwischen der Partei und der Zivilgesellschaft zu stärken, wird in Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Akteuren und Fachleuten eine Fachveranstaltung im Zeitraum um den 3. Juli organisiert. Der 3. Juli 2023 ist der 50. Jahrestag der KSZE, der blockübergreifenden Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die Vorläuferin der OSZE.