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Beschluss 2025/244

Wiederaufbau Syriens unterstützen – Geflüchtete weiter schützen

Beschluss des Parteivorstandes vom 12. Januar 2025

Das Assad-Regime, unter dem die syrische Bevölkerung jahrzehntelang gelitten hat, ist gefallen. Zur Freude über den Sturz des Regimes kommt Besorgnis über die zukünftige Entwicklung. Vieles ist ungewiss.

Die Befreier der HTS, die nun eine Übergangsregierung eingesetzt haben, sind islamistische Kräfte, die aus Al-Qaida hervorgegangen sind. Hier ist zu Recht große Skepsis angebracht. Kampfhandlungen sind vereinzelt noch immer in Teilen Syriens im Gange. Die Türkei und Israel halten sich nicht an bisher ausgehandelte Waffenruhe. Von der türkischen Regierung finanzierte islamistische Milizen greifen die Gebiete der SDF und der Kurden in Nord- und Ostsyrien an. Das israelische Militär bombardiert fortgesetzt militärische Einrichtungen und hat weitere Teile des Syriens um die Golanhöhen besetzt. Weitere Regionalmächte wie Iran, Saudi-Arabien und Qatar versuchen sich in Stellung zu bringen, die neue Entwicklung in Syrien zu ihren Gunsten zu beeinflussen.

Die humanitäre Lage ist schlecht. Viele Städte Syriens sind weitgehend zerstört und liegen in Trümmern. Etwa 80 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Viele Kinder haben seit Jahren keine Schule mehr besucht. Der Aufbau der Infrastruktur ist zentral, Wasserleitungen, Strom, Wohnungen, Schulen, Krankenhäuser. Nur mit starker finanzieller Unterstützung können überhaupt erst die Grundlagen für den Wiederaufbau geschaffen werden.

Syrien muss sich ohne äußere Einmischung frei entwickeln können unter breiter Beteiligung der Bevölkerung und zivilgesellschaftlicher Organisationen, insbesondere Fraueninitiativen und Vertretungen von Minderheiten. Die Vielfalt der syrischen Gesellschaft kann sich nur in einer neuen demokratischen Gesellschaftsordnung widerspiegeln, wenn alle Bevölkerungsgruppen gleichberechtigt daran mitwirken können. Ziel muss der Aufbau eines demokratischen und freien Syriens sein.

Die dramatischen Bilder der entlassenen Häftlinge aus dem berüchtigten Foltergefängnis Sadnaja gingen um die Welt. Einige saßen seit Jahrzehnten in Haft. Der Verbleib zehntausender Inhaftierter ist weiter ungeklärt. Der Aufarbeitung der Diktatur der Assads und des Krieges und seinen Folgen kommt für den Wiederaufbau der Gesellschaft eine wichtige Rolle zu. Sowohl das Assad-Regime als auch Milizen und bewaffnete Gruppen haben in den Jahren des Krieges massive Menschenrechtsverletzungen begangen. Diese gilt es aufzuklären und zu ahnden. Versöhnung ist ein langwieriger und schwieriger Prozess. Damit dieser gelingen kann, bedarf es in der aktuellen Lage in Syrien der Beweissicherung, und den Aufbau eines unabhängigen Justizsystems.

Die aktuelle Entwicklung in Syrien kann nicht ohne den Kontext des Nahostkonflikts betrachtet werden. Israel hat nach dem Sturz Assads mehrere Militärstandorte in Syrien bombardiert. Die Sorge, dass Waffen des syrischen Regimes, dass Raketen und Chemiewaffen in falsche Hände geraten könnten, ist nachvollziehbar. Doch muss es jetzt erst recht darum gehen, dass alle Akteure vor Ort das Völkerrecht achten, statt mit weiteren Militärschlägen in dieser fragilen Lage eine friedliche Entwicklung zu gefährden. Es braucht langfristige eine Friedensperspektive für die gesamte Region. Eine Abrüstung möglicher Chemiewaffenlabore oder -bestände darf nicht über militärische Angriffe erfolgen, da die Umwelt- und Gesundheitsrisiken enorm sind. Deutschland hat hier eine besondere historische Verantwortung, da es deutsche Firmen waren, die die Produktionsstätten für Chemiewaffen in Syrien aufgebaut haben – und sogar noch bis ins Jahr 2011 wichtige Ausgangschemikalien für das Nervengift Sarin an Syrien geliefert haben. Die Bundesregierung sollte gemeinsam mit der OPCW eine Initiative zur vollständigen chemischen Abrüstung in Syrien starten. 

 

Es ist unsäglich, dass direkt nach dem Sturz Assads Parteien wie AfD und CDU über Abschiebungen nach Syrien gesprochen haben. Denn noch ist die Lage alles andere als sicher. Durch die zerstörte Infrastruktur können vielerorts nicht einmal die Grundbedürfnisse des Lebens erfüllt werden. Syrerinnen und Syrer haben sich hier in Deutschland ein Leben aufgebaut, viele haben hier Arbeit und tragen ihren Teil zur Gesellschaft bei, ihre Kinder gehen hier zur Schule. Ob diese Menschen hier bleiben, oder nach Syrien zurück gehen, um beim Wiederaufbau ihres Landes mitzuwirken, ist allein ihre Entscheidung. Eine Rückkehr nach Syrien muss freiwillig sein, so wie es auch das UNHCR fordert. Die Bearbeitung von Asylanträgen syrischer Geflüchteter durch das BAMF muss sofort wieder aufgenommen werden.

Für Syrerinnen und Syrer, die ihre Heimat besuchen wollen, muss es eine Sonderregelung geben, die verhindert, dass sie damit in Deutschland ihren Aufenthaltsstatus verlieren. Die Menschen wollen Verwandte wieder sehen, nach verschollenen Angehörigen suchen, die unter Assad inhaftiert worden waren, sehen, ob ihre Häuser noch stehen, und ob eine geordnete Rückkehr in die Heimat möglich ist. Dafür brauchen sie die Sicherheit, nach Deutschland zurückkehren zu können, ohne ihren Schutzstatus zu verlieren.

 

Als Die Linke fordern wir:

  • Wiederaufbau unterstützen: Die humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit für Syrien muss ausgebaut und mit Förderung der Zivilgesellschaft und der Beteiligung von Frauen verbunden werden.
  • die Anerkennung der Demokratischen Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien (AANES) innerhalb des syrischen Staates. Die Türkei muss sich aus den von ihr besetzten Gebieten zurückziehen und die von ihr unterstützen Milizen auffordern, ihre Angriffe auf die Region einzustellen. Waffenlieferungen in die Türkei müssen umgehend gestoppt werden.

  • den Abzug der israelischen Armee aus den besetzten Gebieten in Syrien und einen Stopp der Bombardements in Syrien

  • Aufarbeitung unterstützen: Deutschland sollt UN-Initiativen zur fachkundigen Sicherung von Beweismitteln fördern, ebenso zivilgesellschaftliche Organisationen, die Angehörige und Opfer unterstützen

  • Schutz für Geflüchtete weiter sicherstellen: Asylanträge müssen weiter behandelt werden, den zynischen Forderungen nach Abschiebung muss eine klare Absage erteilt werden. Die Bundesregierung muss eine Sonderregelung für Kurzzeitbesuche in Syrien ermöglichen.