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Auch im Wahlkampf darf man nicht alles vergessen!

Brief an den Vorsitzenden des Südschleswigschen Wählerverbands (SSW)

Dass im Wahlkampf zuweilen mit harten Bandagen gekämpft wird, weiß jeder. Doch eines sollte man möglichst vermeiden: Den politischen Konkurrenten mit falschen Behauptungen zu diskreditieren.

Genau dies aber hat der Vorsitzende des Südschleswigschen Wählerverbands (SSW) Flemming Meyer, dessen Partei 2021 erstmals wieder zur Bundestagwahl antritt, vor einigen Tagen mit einem Leserbrief in der Zeitung "Flensborg Avis" getan. Vor dem Hintergrund der Bundestagskandidatur von Katrine Hoop, die vom SSW zur LINKEN gewechselt war, behauptete er, es gäbe viele Beispiele dafür, "dass nur Minderheiten für die Rechte nationaler Minderheiten kämpfen". Mit Bezug auf unsere Bundesarbeitsgemeinschaft meinte er: Früher hätte man sich häufiger getroffen, aber nach der Fusion mit der WASG sei der Zusammenschluss "zunächst inaktiv" geworden und hätte "dann eine andere Funktion" erhalten. Seitdem habe der SSW "nichts mehr von dieser Gruppe gesehen."

Diese Falschdarstellung konnte nicht unwidersprochen bleiben – gerade angesichts der Kandidatur von Katrine Hoop für DIE LINKE, die sich zur dänischen und friesischen Minderheit zugehörig fühlt. Deshalb schrieb die Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Renate Harcke einen Leserbrief, der am 3. August in der Zeitung "Flensborg Avis" veröffentlicht wurde.

 

Lieber Flemming Meyer,

ich habe Deinen Leserbrief schon mit einiger Verwunderung zur Kenntnis genommen. Ja, wir befinden uns Wahlkampfzeiten … Aber muss man dann gleich alles vergessen?

Ich bin eine der beiden Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Ethnische Minderheiten der Partei DIE LINKE. Die haben wir – Minderheitenangehörige und Deutsche – 2003 gegründet. Und entgegen der Darstellung im Leserbrief ist dieser anerkannte Zusammenschluss bis heute kommunal-, landes-, bundes- und europapolitisch aktiv, was man nicht nur in Wahlprogrammen nachlesen kann, sondern vor allem an der parlamentarischen und außerparlamentarischen Arbeit unserer Mitglieder und Sympathisanten sieht. Unsere "Funktion" hat sich auch nicht geändert!

Flemming Meyer und ich kennen uns seit mehr als 10 Jahren, sind uns des Öfteren bei verschiedenen Veranstaltungen in Flensburg, Kiel oder auch Berlin begegnet. Die Bundesarbeitsgemeinschaft war 2010, lange nach der Fusion von PDS und WASG, auch mal zu Gast bei den Minderheiten im Norden; wir besuchten dänische und friesische Schulen und hatten viele interessante Gespräche mit Friesen und Dänen, in Flensburg und auf den Inseln. Ich glaubte bisher, es gäbe durchaus freundschaftliche Beziehungen zwischen den Minderheitenpolitikern der LINKEN und dem SSW. Denn uns eint ja ein Ziel: Wir setzen uns für die Rechte der in Deutschland anerkannten Minderheiten ein, also für die Grundrechte von Menschen in diesem Land.

Das letzte Mal haben wir uns persönlich vor ca. zwei Jahren am Rande einer Sitzung des Bundestagsinnenausschusses gesehen. Wir haben uns sogar unterhalten: über die Chancen einer Grundgesetzänderung zugunsten der Minderheiten. Und auch danach gab es mehrere Kontakte mit dem SSW, zuletzt im Frühjahr 2021, als ihr zusammen mit anderen Parteien einen Beschluss zur Unterstützung der Minority SafePack Initiative durch das Parlament gebracht hattet. Bei uns war ein solcher (LINKER) Antrag am Votum von SPD, CDU und Grünen gescheitert.

Dass wir mit der jetzigen Bundestagskandidatin Katrine Hoop eine weitere kompetente Mitstreiterin aus der Minderheit für DIE LINKE gewonnen haben, freut uns natürlich. So wie den SSW vor Jahren der Wechsel von Mitgliedern unserer Partei gefreut hatte … Ein Wechsel von einer Partei zu einer anderen ist eine höchst persönliche Entscheidung. Und die sollte man nicht missbrauchen, um – wie im Leserbrief geschehen - die minderheitenpolitische Kompetenz des Konkurrenten in Frage zu stellen.

Und dass DIE LINKE eine solche Kompetenz hat, haben wir unter anderen in Brandenburg seit 1990 unter Beweis gestellt. Um nur einige Beispiele zu nennen: Wir haben zusammen mit Schleswig-Holstein und Sachsen 2019 einen Antrag auf Ergänzung des Grundgesetzes um einen Minderheitenartikel in den Bundesrat eingebracht. Das neue Brandenburger Sorben/Wenden-Gesetz (2014) geht ebenso auf uns LINKE zurück wie die Vereinbarungen mit dem Landesverband der Sinti und Roma und der niederdeutschen Sprachgruppe (2018). Und unlängst haben wir – aus der Opposition heraus - den Anstoß für die weitere Stärkung des Plattdeutschen und für das bundesweit erste Niederdeutsch-Gesetz gegeben.

Niemand aus unseren Reihen stellt die minderheitenpolitische Kompetenz des SSW in Frage. Ebenso wenig wollen wir aber, dass uns das geschieht. Und sei es "nur" durch einen Leserbrief.

Auf hoffentlich weiter gute Zusammenarbeit.

Herzliche Grüße aus Brandenburg

Renate Harcke