Schutz ethnischer Minderheiten – so aktuell wie im Sommer 1990
Auf den Tag genau vor zwanzig Jahren, am 30. August 1990, lehnte die DDR-Volkskammer mit Mehrheit den Antrag der PDS-Fraktion für ein Gesetz zum Schutz und zur Förderung des sorbischen Volkes (Nationalitätengesetz) ab. Die Forderung der Sorben (Wenden) - wie auch der anderen ethnischen Minderheiten - nach einer gesetzlichen Regelung ihrer Rechte auf gesamtstaatlicher Ebene steht in der Bundesrepublik bis heute auf der Tagesordnung, erklärt die Sprecherin der AG Ethnische Minderheiten Renate Harcke.
Mit der politischen Wende im Herbst 1989 hatte die öffentliche Diskussion über die Neuorientierung der DDR-Nationalitätenpolitik begonnen. Auch unterschiedliche Strömungen und Gruppierungen innerhalb des sorbischen Volkes artikulierten ihren gemeinsamen Wunsch, den bisherigen Standard nationaler Rechte unter veränderten Rahmenbedingungen zu sichern und auszubauen. Der Versuch, Minderheitenrechte mittels des Verfassungsentwurfs des "Zentralen Runden Tisches" in die Verfassung aufzunehmen, scheiterte. Mit dem Gesetzentwurf für ein Nationalitätengesetz unternahm die PDS-Fraktion in der letzten DDR-Volkskammer im Juli 1990 einen letzten Versuch, um die Rechte der Minderheit in der DDR und damit auch in der neuen Bundesrepublik rechtlich verbindlich zu machen.
Heute wie damals ist es vor allem die CDU, die sich mit Vehemenz gegen eine gesamtstaatliche Regelung der Rechte ethnischer Minderheiten wehrt. Die "Argumente" der heutigen Gegner kennen wir seit 20 Jahren. In der 33. Sitzung der Volkskammer hatte der Innenausschussvorsitzende Roland Becker (CDU, Leipzig) erklärt: "Da Verfassung und Grundgesetz die Gleichberechtigung aller Bürger sowie das Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit garantieren, hätte die Festschreibung der Gleichberechtigung von Sorben und Deutschen sowie des Rechts auf Pflege ihrer Eigenheiten lediglich appellativen Charakter und würde somit nur die bestehende Rechtslage festschreiben." Er "irrte" sich, und zwar ganz gewaltig!
Als eine von denen, die 1990 gemeinsam mit Vertretern des sorbischen Volkes den Entwurf für ein Nationalitätengesetz geschrieben hatten, bin ich der Auffassung: Wenn die Volkskammer dieses Gesetz beschlossen hätte, gäbe es im Einigungsvertrag zum Schutz der Sorben nicht nur eine "Protokollnotiz". Das Gesetz hätte zudem Signalwirkung für andere in der Bundesrepublik lebende Minderheiten gehabt.
Dies alles geschah nicht. Und so hält der Kampf um die Umsetzung von Minderheitenrechten im Bund wie in den Ländern bis heute an. Sorben und – wie unlängst in Schleswig-Holstein - Dänen gehen für ihre Rechte sogar auf die Straße. DIE LINKE wird weiter an der Seite der Minderheiten stehen und ihre Erfahrungen und politischen Ansätze in die Diskussion um die Rechte dieser Minderheiten einbringen.