Bewährtes nutzen, auf das Neue einstellen
Aus dem Erfahrungsaustausch des Bundessprecherrates mit Seniorenarbeitsgemeinschaften der Landes-, Regional- und Stadtverbände der LINKEN, März 2008
Die Erfahrungsberichte der Landesarbeitsgemeinschaften Brandenburg und Niedersachsen sowie der Regionalarbeitsgemeinschaften Dessau/Rosslau, Oberlausitz und Aue/ Schwarzenberg gaben interessante Einblicke in die gewachsene Vielfalt der Arbeitsmethoden auf dem Felde der Seniorenpolitik. Im Zentrum der Debatte standen:
- Fragen des Arbeitsstils der Seniorenarbeitsgemeinschaften - was hat sich bewährt und was muss weiter gedacht werden, um auch in der neuen LINKEN einen angemessenen Beitrag bei der Gestaltung einer wirksamen Seniorenpolitik zu leisten,
- die Neubildung der Senioren – AG in den Landesverbänden Saarland, Bremen, Niedersachsen, Hamburg und NRW und mögliche Wege, um Anlaufprobleme schrittweise zu überwinden und neu eingebrachte Vorstellungen von linker Seniorenarbeit produktiv zu machen,
- Überlegungen aus der Demographiekonferenz der LINKEN zur weiteren Qualifizierung der inhaltlichen und organisatorischen Arbeit der Senioren-AG. An die Vorstände und Gremien der Partei ging die Erwartung, die absehbaren demographischen Veränderungen in der Gesellschaft gebührend ernst zu nehmen. Die Position des Sprecherrates zur Demographiekonferenz wurde auf der Internetseite der Seniorenarbeitsgemeinschaft der LINKEN abgedruckt. Eine Dokumentation der Konferenz erscheint broschürt.
Sichtbar wurde erneut, dass die Unterschiedlichkeit der Rollen der Seniorenarbeitsgemeinschaften in ihren Landes-, Regional-, und Stadtverbänden erheblich davon abhängt, welchen Stellenwert Seniorenpolitik in den Vorständen einnimmt.
Viele Arbeitsgemeinschaften haben sich zu geachteten, ehrenamtlichen Abteilungen Seniorenpolitik ihrer Vorstände entwickelt. Ihre Meinung zu seniorenpolitischen Entscheidungen ist gefragt. Sie leisten inhaltliche Zuarbeiten zu Wahlprogrammen und anderen Arbeitspapieren, in Brandenburg jüngst zum Leitbild der Landtagsfraktion, engagieren sich für deren Durchführung und sorgen so mit dafür, dass Seniorenpolitik nicht aus dem Blickfeld der Vorstände verschwindet.
Andere Arbeitsgemeinschaften verstehen sich eher als Gremien des kritischen Dialogs, unterstützen die Geschäftsstellenarbeit, wirken engagiert in sozialen Zusammenschlüssen mit und sichern so Beziehungen zu potentiellen Verbündeten der Partei.
Erfahrungen beim Aufbau neuer Senioren – AG brachten Genossen aus den Landesverbänden der alten Bundesländer ein. Sinnvoll erscheint, so die niedersächsischen Genossen, sich zunächst auf seniorenpolitisch Interessierte in der Landeshautstadt bzw. ihres Nahbereiches zu konzentrieren, um nicht von vorn herein an finanziellen oder organisatorischen Hürden zu scheitern. Langfristig ist die Bildung von Seniorenarbeitsgemeinschaften in allen Kreisverbänden angedacht. Realistischer erster Schritt dazu kann es sein, die Kreisvorstände für die Benennung eines seniorenpolitischen Sprechers zu gewinnen. Es hat sich als zweckmäßig erwiesen, die Diskussion über eine eigene Satzung bereits mit einer ersten Verständigung über den Inhalt der künftigen Arbeit zu verbinden. Da auch in absehbarer Zeit, angesichts der territorialen Ausdehnung Niedersachsens, regelmäßige Treffen nicht einfach zu organisieren sind, soll die Einrichtung eines Diskussionsforums im Internet weiterhelfen. In der Landes-AG Saarland, der ersten in den westlichen Landesverbänden, wird über Strukturen nachgedacht, die auf die Einbeziehung möglichst vieler älterer Genossinnen und Genossen des Landesverbandes in die AG gerichtet sind.
Übereinstimmend wurde hervorgehoben, dass seniorenpolitische Forderungen der Arbeitsgemeinschaften am ehesten eine Chance haben politisches Handeln zu bewirken, wenn es gelingt, zu den Vorständen und Abgeordneten der Partei vertrauensvolle Beziehungen zu pflegen. Einbahnstraßen sind dafür wenig geeignet.
Erkennbar war, dass die Seniorenpolitischen Standpunkte zunehmend die inhaltliche Arbeit der Seniorenarbeitsgemeinschaften bestimmen. Die wichtigsten Gründungsforderungen, ("Die Würde des Menschen ist unantastbar, auch im Alter", "Gegen jede Form der Altersdiskriminierung", "Die Rente muss ein selbstbestimmtes Leben gewährleisten", "Für gleichberechtigten Zugang zu allen medizinischen Leistungen", "Altersgerechtes Wohnen gewinnt angesichts des demographischen Wandels zunehmend an Bedeutung", "Seniorinnen und Senioren fordern gesellschaftliche Teilhabe", " Mehr Sicherheit für alte Menschen im öffentlichen und privaten Raum", "Wir sind Zeitzeugen der Geschichte für die nächsten Generationen"), sind weiterhin aktuell, bedürfen jedoch der Präzisierung und Fortschreibung.
An Akzeptanz haben Seniorenarbeitsgemeinschaften gewonnen, denen es gelingt, die Zielvorstellungen der Seniorenpolitischen Standpunkte mit den konkreten örtlichen Bedingungen zu verbinden. So verstanden, sind sie ein wichtiger Kompass für die Erarbeitung von Informationen und Argumentationen, für die Ausarbeitung seniorenpolitischer Angebote an die Vorstände, für das Wirken in anderen Seniorenzusammenschlüssen, für das Gespräch mit älteren Bürgerinnen und Bürgern und soziales Engagement in den Kommunen.
Bei aller Vielfalt des Selbstverständnisses der Seniorenarbeitsgemeinschaften - gebraucht werden sie in der neuen LINKEN vor allem als "ehrenamtliche Kompetenzzentren für linke Seniorenpolitik". In dieser Richtung bedarf es weiterer Anstrengungen. Das betrifft sowohl die Nutzung vorhandener Erfahrungen, vor allem aber die Notwendigkeit, weiteren seniorenpolitischen Sachverstand hinzuzugewinnen. Das selbständige Analysieren neuer, relevanter Erscheinungen im Alltag der Seniorinnen und Senioren erweist sich hier ebenso notwendig wie thematische Debatten mit Fachpolitikern der LINKEN und das Suchen nach Wegen, wie das reichhaltige Angebot an seniorenpolitischen Themen im Internet besser erschlossen werden kann. Viele Mitglieder der Seniorenarbeitsgemeinschaften der LINKEN arbeiten in anderen Seniorenzusammenschlüssen mit, nehmen an deren Fachtagungen teil, besuchen die Deutschen Seniorentage bzw. andere Veranstaltungen der BAGSO, arbeiten das Neue kritisch auf und gewinnen so wertvolle Kenntnisse für die künftige Tätigkeit. Um zu wissen, was die Nachbarn anders oder besser machen, treffen sich die AG Aue/Schwarzenberg und AG Annaberg/Marienberg, einmal jährlich, informieren sich gegenseitig über Aktivitäten und neue Vorhaben und realisieren so den Austausch nützlicher Erfahrungen auf kurzem Wege. Befürchtungen über ein zuviel an "Selbstbeschäftigung" erweisen sich dann als gegenstandslos, wenn es gelingt, aus neuen Erkenntnissen seniorenpolitische Angebote an die Vorstände und Parlamentarier der Partei zu machen und damit politisches Handeln zu befördern.
Ein "Eintrittsalter" in Seniorenarbeitsgemeinschaften kann es bei so verstandener Seniorenarbeit in der LINKEN nicht geben. Senioren haben allerdings auf diesem Politikfeld Jüngeren voraus, dass sie selbst leben und erleben, wie Seniorenpolitik im Alltag wirkt oder nicht wirkt. Jeder Vorstand ist gut beraten, auf dieses Potential nicht zu verzichten.
Wie andere, engagiert sich die Seniorenarbeitsgemeinschaft Dessau/Rosslau für mehr gesetzlich festgeschriebene Mitwirkungsrechte der Seniorinnen und Senioren. Dass eine solche Gesetzesinitiative im Bund und in Sachsen-Anhalt verweigert wird, straft die Sonntagsreden vieler Politiker vom selbstbestimmten Leben im Alter ebenso Lügen wie die Auslassungen des Altbundespräsidenten Herzog über die Gefahr einer "Rentnerdemokratie", ist aber für sie kein Argument, von dieser Forderung abzulassen. Weil dieses Anliegen nichts an Relevanz verloren hat, versuchen sie das Thema "Mitwirkungsrechte" zunächst auf regionaler und kommunaler Ebene zu unterstützen und so einen bestimmten Druck von unten aufzubauen. Die Festlegungen in der Hauptsatzung des Salzlandkreises/Sachsen-Anhalt zur Einbeziehung der Seniorinnen und Senioren in Entscheidungsvorbereitungen des Kreistages, scheinen ihnen geeignet, auch in anderen Kreisen und Kommunen angewandt zu werden. Vorgeschlagen wurde, den Parteivorstand für die Durchführung einer thematischen Konferenz über mehr Mitbestimmungsrechte der älteren Generation im Vorfeld der Bundestagswahlen 2009 zu gewinnen.
Viele Seniorinnen und Senioren der LINKEN wirken inzwischen gleichberechtigt in Seniorenvertretungen der Länder, Kreise und Kommunen mit. Hier zahlt sich aus, dass Arbeitsgemeinschaften an öffentlichen Seniorenwochen und Seniorenmessen teilnehmen, verschiedene Formen der Lebenshilfe praktizieren (Rentenkonsultationen, Nachbarschaftshilfe) und so Schritt für Schritt öffentliche Akzeptanz erlangen. Wie berichtet, beispielsweise aus dem Kreis Aue/Schwarzenberg, ist das jedoch bis heute noch längst nicht überall Normalität. Ursachen sind sowohl die Verweigerungshaltung bestimmter politischer Parteien, oft aber die nicht ausreichenden eigenen Kräfte, auch weil Mitglieder der Seniorenarbeitsgemeinschaften häufig bereits mehrere Funktionen ausüben. Die Mitwirkung in öffentlichen Seniorenvertretungen sollte durch jede Senioren-AG in der ihr möglichen Form angestrebt werden.
Vor der Notwendigkeit der Gewinnung weiterer interessierter Mitstreiter stehen mehr oder weniger alle Arbeitsgemeinschaften. Persönliche Gespräche erweisen sich dafür immer noch als die wirksamste Methode. Ausscheidende hauptamtliche Genossen sollten zu den potentiellen Ansprechpartnern gehören, selbst wenn das nur Wenige sind. Vielerorts werden die Regionalzeitungen der Linken genutzt, um die Arbeit der Senioren AG vorzustellen und damit Interesse an Seniorenarbeit zu wecken. Im Landesverband Brandenburg erhalten alle Genossinnen und Genossen anlässlich ihres 65. Geburtstages mit der Gratulationskarte des Landesvorstandes eine kurze Information über die Senioren – AG, verbunden mit einer freundlichen Einladung zur Mitarbeit. Jährliche Kreisseniorentreffen, wie in Aue/Schwarzenberg oder in Leipzig, organisiert durch die Vorstände und Sprecherräte, sind besonders geeignet, Seniorenpolitik und die Arbeit der Senioren- AG bekanntzumachen. Auch diese Erfahrung verdient weitere Nachahmer. Die Landes – AG sollten weiter die Beseitigung weißer Flecken in der Seniorenarbeit der Regionalverbände unterstützen und als Zwischenlösung die Berufung seniorenpolitischer Sprecher einfordern.
Immer neue Strukturreformen, vorrangig in den neuen Bundesländern, führen zum Teil zu erheblichen Veränderungen auch der Organisationsstruktur der Arbeitsgemeinschaften. Neues wurde aus dem Regionalverband Oberlausitz/Sachsen berichtet. Hier ist es gelungen, mit der Formierung von 6 Ortsverbänden, bei jedem Ortsvorstand auch eine Seniorenarbeitsgemeinschaft zu bilden.
In der Arbeit nahezu aller Seniorenarbeitsgemeinschaften nimmt die Pflege und Wahrung des antifaschistischen Erbes einen festen Platz ein. Berichtet wurde über Busfahrten zu Gedenkstätten und andere Aktivitäten der Senioren-AG der Stadt Brandenburg, um mit dazu beizutragen, die Erinnerung an den Kampf gegen Krieg und Faschismus wach zu halten und weiterzugeben. Als Zeitzeugen der Geschichte sehen sich die Genossinnen und Genossen der Seniorenarbeitsgemeinschaften in besonderer Weise in der Verantwortung. Nach kritischer Selbstbefragung und teilweise schmerzhaften Einsichten, fühlen sie sich besonders berufen, den nachfolgenden Generationen die eigenen Erlebnisse und Erfahrungen, Träume und Visionen, Wege und Irrwege aus dem bewegten 20. Jahrhundert aufrichtig und sachlich zu erzählen oder aufzuschreiben. Notwendig scheint, über Wege nachzudenken, wie die Vielzahl von Einzelinitiativen auf diesem Gebiet in geeigneter Weise zusammen geführt werden können.