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Michael Schlecht

3,6 Prozent weniger Lohn als 2000

Die Löhne steigen wieder, auch preisbereinigt, liest man in den Zeitungen. In der Tat, in den letzten Jahren geht es wieder ein bisschen bergauf. Genug ist es allemal nicht. Schon gar nicht vor dem Hintergrund der Verluste seit dem Jahr 2000. Im Durchschnitt erhält die bzw. der Beschäftigte heute 3,6 Prozent weniger Lohn. - Von Michael Schlecht, MdB, Wirtschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag

Alle Beschäftigten in Deutschland erhalten preisbereinigt eine um 1,7 Prozent höhere Lohnsumme. Aufgrund der Zunahme prekärer Jobs, wie Teilzeit und Minijobs, verteilt sich heute ein fast gleiches Arbeitsvolumen auf viel mehr Menschen. Dies führt dazu, dass der bzw. die Einzelne 3,6 Prozent weniger hat, während die Lohnsumme für alle Beschäftigte um 1,7 Prozent gestiegen ist. Gleichzeitig sind die Gewinn- und Unternehmenseinkommen trotz Finanzkrise seit 2000 um traumhafte 64 Prozent gestiegen, berücksichtigt man die Inflation ist das immer noch ein Plus von nahezu 40 Prozent.

Die Lohnquote, also der Anteil der Löhne und Gehälter am Volkseinkommen, ist gesunken. Anfang der 2000er Jahre betrug sie noch 72 Prozent, heute 67 Prozent. Hinter diesem Rückgang steckt richtig viel Geld. Mehr als 110 Milliarden Euro mehr hätten die Beschäftigten 2013 bekommen, wäre die Lohnquote noch so hoch wie im Jahr 2000. Bei Unternehmern und Kapitaleignern knallen jedoch schon seit vielen Jahren die Champagnerkorken. Seit 2000 sind deutlich mehr als eine Billion Euro durch die Umverteilung zusätzlich in ihre Taschen geflossen. Das ist faktisch eine kalte Enteignung der Beschäftigten!

Die Entwicklung bei den Tariflöhnen ist nicht ganz so dramatisch, allerdings arbeiten auch nur noch rund 50 Prozent der Beschäftigten unter dem Schutz eines Branchentarifvertrages. Die tariflichen Löhne stiegen preisbereinigt seit 2000 um rund sieben Prozent. Allerdings konnten auch sie den verteilungsneutralen Spielraum nicht ausschöpfen; die Lücke beträgt rund sechs Prozentpunkte.

Es gibt immer mehr Beschäftigte, die prekär arbeiten müssen, nachdem Rot-Grün die Schutzzäune niedergerissen hat. Mit Leiharbeit, Werkverträgen und Befristungen werden Löhne gedrückt. Mittelbar wird gleichzeitig der Stammbelegschaft verdeutlicht, dass auch andere, billigere Arbeitskräfte ihre Arbeit übernehmen können. Dies führt zur Disziplinierung und zur Entsolidarisierung. Rückwirkend wird so die Wahrnehmung von Interessen erschwert.

Disziplinierend wirkt schon immer die Angst vor Arbeitslosigkeit. Diese ist mit der Einführung von Hartz IV massiv verschärft worden. Die Drohung, bei Arbeitslosigkeit spätestens nach einem Jahr tief abzustürzen, hat zu Angst und Schrecken bei den Beschäftigten geführt.

Die mit der Agenda 2010 eingeleiteten Veränderungen am Arbeitsmarkt sind zentral für das verschärfte Lohndumping in den letzten zehn Jahren.

Die Bundesregierung will, dass Tarifverträge für alle Unternehmen, auch die nicht verbandsgebundenen, leichter verbindlich werden. Wenn die sogenannte "Allgemeinverbindlichkeit" "im öffentlichen Interesse geboten erscheint", soll sie gelten können. In bestimmten Fällen kann das etwas bringen. Notwendig wäre jedoch, dass der Antrag einer Tarifvertragspartei, also in der Regel einer Gewerkschaft, hinreichend ist, um die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages zu erreichen.

Union und SPD wollen den Mindestlohn ab 2015 einführen. Für rund fünf Millionen Beschäftigte, die heute zu Hunger- und Niedriglöhnen arbeiten müssen, sind 8,50 Euro ein begrüßenswerter sozialpolitischer Fortschritt. Das Lohndumping wird jedoch nur marginal gemildert. Gesamtwirtschaftlich wird die Lohnsumme um weniger als ein Prozent gesteigert.

Um die "Ordnung am Arbeitsmarkt" wieder herzustellen und damit die Durchsetzungsfähigkeit der Gewerkschaften zu verbessern, sind viele weitere Veränderungen notwendig:

Befristete Arbeitsverhältnisse dürfen nur in eng begrenzten, sachgrundbezogenen Ausnahmefällen zulässig sein. Leiharbeit ist perspektivisch zu verbieten. Bei Werkverträgen müssen die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte ausgeweitet werden, ohne ihre Genehmigung darf es keine Werkverträge geben. Minijobs müssen von der ersten Stunde an in voll sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze umgewandelt werden.

Das Sanktionsregime von Hartz IV bzw. der Zwang zur Aufnahme jedes noch so mies bezahlten Jobs muss beseitigt werden. DIE LINKE fordert als Sofortmaßnahmen eine bedarfsorientierte, repressionsfreie Grundsicherung in Höhe von 500 Euro zuzüglich Kosten der Unterkunft.

Kurzfassung eines 12seitigen Papiers "Löhne bleiben abgehängt", das unter www.michael-schlecht-mdb.de heruntergeladen werden kann.