Zum Hauptinhalt springen
Michale Schlecht

40 Cent-Mindestmilchpreis

Von Michael Schlecht, MdB, wirtschaftspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE

Milchprodukte gehören für viele zum Alltag. Morgens der Joghurt, nachmittags der Schluck Milch in den Kaffee, abends der Käse aufs Brot. Verdienen tun an den Milchprodukten andere, die Milchbauern hingegen viel zu wenig. In den letzten Monaten deckten die gezahlten Milchpreise noch nicht mal mehr die laufenden Produktionskosten, von den Investitionskosten ganz zu schweigen. Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestmilchpreis, so wie wir einen vernünftigen gesetzlichen Mindestlohn brauchen. Andere Länder machen uns das bereits vor, beispielsweise Kanada.

Die Milchbauern drohen zu verschwinden. In die Pleite getrieben durch viel zu niedrige Abnahmepreise für Milch. Ohne die Einnahmen aus beispielsweise Solar- oder Biogasanlagen könnten sich viele der Höfe Milchkühe längst nicht mehr leisten. Wer noch eine Kuh beim Bauern besichtigen will, muss sich womöglich beeilen, zukünftig könnte es Kühe nur noch im Zoo zu bewundern geben.

Die gezahlten Preise für die Milchbauern sinken seit Monaten. Mittlerweile zahlen einige Molkereien weniger als 20 Cent je Liter. Mindestens rund das Doppelte müsste es sein, damit die Bauern überleben. Dabei bezogen die Bauern selbst in guten Zeiten schon bis zu 40 Prozent ihrer Einnahmen aus Subventionen und Boni aus der EU-Agrarförderung. Nur so kamen sie bisher über die Runden.

Die Discounter locken Kunden mit billigen Grundnahrungsmitteln. Wer groß in seine Werbung schreiben kann, dass er bei Milch und Butter nochmal ein paar Cent billiger ist, sichert sich die Masse der (gezwungenen) Pfennigfuchser als Kunden. Dank der Einkaufsmacht der wenigen Einzelhandelsketten diktieren diese den Molkereien und Bauern ihre Preisvorstellungen. Die eignen Gewinnmargen sind dabei heilig. Konsequenz: Die Besitzer von Aldi, Lidl, Kaufland und Co. gehören zu den reichsten Menschen in Deutschland. Der Preissturz für die Milchpreise wird nicht eins zu eins an die Verbraucher weitergegeben, sondern füttert die Gewinnmargen.

Als Notwehrmaßnahme brauchen wir einen gesetzlichen Mindestmilchpreis für die Milchbauern. Auch um aus dem Teufelskreis rauszukommen, dass Milchbauern um ihre Einnahmen bei sinkenden Preisen zu stabilisieren, immer mehr aus ihren Kühen versuchen rauszuholen und damit dem Preisverfall nur noch beschleunigen. Ein Mindestmilchpreis gebietet dem Preisdruck der Einzelhandelskonzerne Einhalt.

Doch richtig ist auch, dass die produzierte Milchmenge schlicht zu groß geworden ist. Das hat die Milchbauern dem Preisdiktat der Einzelhandelskonzerne zusätzlich ausgeliefert. Die Hälfte der hierzulande produzierten Milch kann gar nicht auf dem heimischen Markt abgesetzt werden. Die Exportabhängigkeit ist wegen Russlands Gegensanktionen und schwächelnder Nachfrage aus den Schwellenländern, insbesondere aus China, zu einem bösen Bumerang geworden. Dies zeigt ein weiteres Mal, dass derartige Sanktionen immer die Falschen treffen und schlichtweg abgeschafft gehören. Doch dies wird die Probleme der Milchbauern nicht lösen. Sie wurden auch von Koalition und der Bundesregierung mit der Fata Morgana eines unersättlichen Weltmarktes. Das führt sie nun an den Rand der Existenz, und auch darüber hinaus. Betroffen sind davon als erstes die kleineren Betriebe, die zumeist noch familiär geführt werden. Wer diese retten will, kommt an einer flexiblen, nachfrageorientierten Mengensteuerung mit Milchmindestpreis nicht vorbei.

Mittlerweile ist auch der zuständige Landwirtschaftsminister Schmid aufgewacht und hat für Ende Mai einen Krisengipfel einberufen. Vorab verkündete er schon mal, dass es mit ihm kein Zurück zur Milchquote geben wird. Allerdings will das ja auch keiner. Die alte Milchquote war teuer und hat ruinöse Preisstürze auch nicht verhindern können. Wer aber eine Preisregulierung von vornerein abbügelt, bedient am Ende nur die Interessen der Eigentümer der Einzelhandelskonzerne und nimmt in Kauf, dass der Milchbauer zum aussterbenden Beruf wird.