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Am Sonntag werden die letzten beiden Alleinregierungen der CDU fallen

Statement des Bundesgeschäftsführers der LINKEN Dietmar Bartsch auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus

Statement als Audio- und Video-Datei

Einen schönen guten Tag, meine Damen und Herren, wir hatten – wie an jedem Montag – heute früh schon eine Beratung der Wahlleitung, hatten danach Telefonkonferenzen mit den Spitzenkandidaten.

Ich will in der letzten Woche vor den drei Landtagswahlen als erstes einige Bemerkungen dazu machen. Alle wissen, dass die Entscheidung bei vielen Wählerinnen und Wählern erst sehr spät gefällt wird, dass für uns die letzte Woche, aber insbesondere die letzten 48 Stunden, in Thüringen, in Sachsen und im Saarland von besonderer Bedeutung sind. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine, Lothar Bisky, die gesamte Parteiführung wird sich in den Ländern stark engagieren.

Wir hatten in der letzten Woche einige interessante Umfragen. Eins scheint festzustehen: DIE LINK wird in Sachsen und in Thüringen zweitstärkste Kraft. Ich will das auch deshalb sagen, weil ich in den letzten Tagen viel über "große Koalitionen" nach der Wahl gelesen habe. Es gibt in Sachsen jetzt keine Große Koalition, und es wird auch danach keine geben, auch in Thüringen nicht. Die erste und die zweitstärkste Partei werden nicht miteinander koalieren, soviel steht fest. Ich betone das deshalb, weil dieser Sprachgebrauch doch sehr weitgehend übernommen worden ist. Ich will schon darauf verweisen, dass es auch in Brandenburg und in Sachsen-Anhalt keine großen Koalitionen gibt, sondern dass da die stärkste mit der drittstärksten Partei koaliert.

Die Umfragen haben uns nochmal ein stückweit angespornt. Wir haben eine gute Chance, unsere Wahlziele in den Ländern zu erreichen. Ich will aber auch sagen, dass alle Parteien – wir im Besonderen – mit Umfragen nicht nur gute Erfahrungen gemacht haben, dass es dort auch noch gewaltige Veränderungen gegeben hat. Deswegen: DIE LINKE wird sich bis zum Sonntag engagieren. Die Dinge, die gesichert erscheinen: Am Sonntag werden die letzten beiden Alleinregierungen der CDU fallen. Zur Beginn der Legislaturperiode – ich will daran erinnern – gab es sehr viele Alleinregierungen. In Hamburg, in Bayern die CSU, in Hessen – das alles ist jetzt nicht mehr. Das Saarland und Thüringen werden am Sonntag – davon gehen alle Umfragen aus – dann auch nicht mehr allein von der CDU regiert werden.

Entscheidend wird natürlich das Verhalten der Sozialdemokratischen Partei sein, wie sie sich in den Ländern platziert, wie sie bereit ist, wirklich die Wahlprogramme nebeneinanderzulegen und dann zu schauen, ob ein Politikwechsel in Thüringen, im Saarland und in Sachsen möglich ist. Das wird die zentrale Frage sein, die dann nach den Wahlergebnissen zu behandeln sein wird. Eins möchte ich nochmal klar formulieren: Ist DIE LINKE stärker als die SPD, erhebt sie selbstverständlich den Anspruch auf den Ministerpräsidenten. Da gibt es kein Wenn und Aber. Das ist die Position, die in der Parteispitze und auch in den Ländern vertreten wird. Das, was 60 Jahre in der Bundesrepublik Deutschland Normalität war, wird auch bei der LINKEN nicht verändert werden. Und im Übrigen werden wir auch am Sonntag nach 18.00 Uhr genauso in den Ländern agieren.

Eine letzte Bemerkung sei mir zum Wahltag in Richtung Nordrhein-Westfalen gestattet: Das ist für uns eine sehr wichtige Wahl. Wir haben in Nordrhein-Westfalen 4.200 Kandidatinnen und Kandidaten. Allein die Kandidatenzahl ist sehr beachtenswert. Das sind ja Zahlen, da hat die PDS damals davon geträumt, überhaupt so viele Mitglieder zu haben. Wir werden am Sonntag dann die Situation haben, dass wir mehrere hundert Kommunalvertreterinnen und Kommunalvertreter haben. Das wird auch auf den Parteiaufbau, auf die Ausrichtung des Landesverbandes Auswirkungen haben. Sicherlich wird danach auch das Thema der Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen in den Fokus geraten.

Eine zweite Bemerkung sei mir in Richtung Bundestagswahl gestattet: Es ist schon einigermaßen kurios wie sich in anderen Parteien jetzt die Versprechungen scheinbar übertreffen. Jede Partei versucht, auch Parteien, die Regierungsverantwortung tragen, jetzt Sachen zu versprechen, die sie alle lange hätten umsetzen können. Ich will eines in besonderer Weise hervorheben: Das ist das Thema Steuersenkungen und die Frage der Sozialausgaben. Jede Partei, die jetzt behauptet, die Steuern senken zu wollen, muss eigentlich gleichzeitig sagen, wie. Entweder sie will den Staat in die totale Verschuldung bringen oder sie muss sagen, dass sie an den sozialen Leistungen drehen will. Es gibt keine andere Möglichkeit, denn auch CDU/CSU und FDP werden die Grundrechenarten nicht außer Kraft setzen können. Also jeder, der ein bisschen was von Haushaltspolitik versteht und jeder, der ein bisschen was von Steuern versteht, weiß – und sie glauben teilweise selbst nicht daran –, dass diese Versprechungen, die in die Wahlprogramme aufgenommen worden sind, wirklich Wahrheit werden können.

Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang auch eine Bemerkung zum Thema Opel: Es gibt weiterhin keine Entscheidung. Im Mai wurde schon der Wirtschaftsminister das erste Mal gefeiert. Es wird also relativ häufig in der Bundesregierung die Rettung von Opel gefeiert. Dabei ist alles noch einmal vertagt worden. Es ist wieder das böse Wort Insolvenz in den Mund genommen worden. Ich bin also sehr gespannt und kann die Bundesregierung nur auffordern, hier wirklich auch mit GM zügig zu einem Ergebnis zu kommen, denn das bisherige Procedere führt, auch wenn es die Abwrackprämie gegeben hat, die Opel ein stückweit erst mal in ruhigere Gewässer gebracht hat, zu einer weiteren Verunsicherung und zur Gefährdung des gesamten Unternehmens.

DIE LINKE wird im Bundestagswahlkampf – das ist nicht neu – den Versuch unternehmen, mit klaren inhaltlichen Forderungen, wie sie auf unseren Plakaten sicht­bar sind, den Wahlkampf zu bestreiten. Ich will es nochmal wiederholen, dass für uns gerechte Steuern, ein gesetzlicher Mindestlohn, eine wirkliche Gesundheitsreform und die Überwindung von Hartz IV wichtige Themen sind – natürlich auch das zentrale außenpolitische Thema Afghanistan.

Mit Blick auf die Sitzung des Bundestages in dieser Woche, der Bundestag muss ja nachsitzen, u.a. zu Themen wie EU-Begleitgesetz und Atomausstieg, will ich noch folgendes sagen: Am Mittwoch – ich bin ja auch Mitglied im Haushaltsausschuss – wird sich Frau Schmidt nochmal zu den Vorwürfen, die es gibt, erklären müssen. Ich will keinerlei Vorverurteilung vornehmen. Aber eines ist ganz klar. Am Mittwoch spätestens müssen alle Fakten auf den Tisch, und eine klare Positionierung muss vorliegen. Es kann nicht sein, dass in jeder Woche etwas Neues das Licht der Öffentlichkeit erblickt. Ich kann im Sinne einer wirklichen Auseinandersetzung mit der Politik – darum geht es im Wahlkampf ja und nicht zu allererst um das Thema Dienstwagen oder irgendwelche Flüge – nur hoffen, dass am Mittwoch in Klarheit und in Deutlichkeit im Haushaltsausschuss alles besprochen wird und die SPD dann wirklich eine Entscheidung trifft: Ist sie im Wahlkampfteam? Bleibt sie im Wahlkampfteam? Soll sie Gesundheitsministerin bleiben, oder wird sie letztlich von der SPD zurückgezogen?

Eine letzte Bemerkung sei mir zum Thema Afghanistan gestattet, wo es in der letzten Woche Wahlen gegeben hat und wo die Diskussion weitergeführt wird. Ich finde, dass das, was dort Wahlen genannt wird, mit einem Fragezeichen zu versehen ist. Wenn selbst Herr Karzai sagt, dass es bei den Wahlen 50 Tote gegeben hat und unzählige Anschläge, wo viele Menschen gar nicht erst wählen gehen konnten, dann hat das mit Wahlen nur begrenzt etwas zutun. Beide Kandidaten erklären sich zu Siegern, was ja schon vor Auszählungen einigermaßen kurios ist. Es ist so, dass es Stimmenlokale gibt – wie zu lesen war –, wo völlig irre Wahlergebnisse zustande kamen. Das alles zeugt davon, dass diese Wahlen eigentlich nicht als solche benannt werden können. Aber es geht am eigentlichen Problem, um das es hier auch geht, vorbei. Die Diskussion über das deutsche Engagement in Afghanistan wird jetzt in den Zeiten der Bundestagswahl intensiver. Ich kann nur die Position der LINKEN noch einmal in großer Deutlichkeit in die Öffentlichkeit bringen: Die bisherige Strategie ist gescheitet, nicht nur die der Bundeswehr, sondern auch die der USA und der NATO. Wir brauchen dringend eine Umkehr. Es muss viel mehr für Ziviles getan werden, nicht 90 Prozent für Militärisches und 10 Prozent für Ziviles. Ziel  muss der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan sein und dass die Afghanen ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen können. Diese Diskussion werden wir auch in den Bundestagswahlkämpfen führen, weil es eine der zentralen Dinge ist. Da geht es nicht nur um Afghanistan, sondern da geht es um die Ausrichtung deutscher Außenpolitik in der nächsten Legislaturperiode.

Dankeschön.