Ampel: Wertebasiert aufrüsten
Ein kurzer Kommentar zum außenpolitischen Teil des Ampel-Sondierungs-Papier
Es kam, wie es kommen musste. Die absehbare Ampelkoalition wird, geht es nach dem Sondierungspapier eine neue Außen- und Militärpolitik vorlegen, die es in sich haben wird. Es ist von einer "wertebasierten und europäischgen Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik die Rede. Was das heißt, wird klar benannt: "Wir werden deshalb deutsche Interessen im Lichte der europäischen Interessen definieren." "Die strategische Souveränität Europas wollen wir erhöhen." "Wir treten für eine verstärkte Zusammenarbeit der nationalen europäischen Armeen ein." Übersetzt heißt das, dass via EU "deutsche Interessen" auch militärisch durchgesetzt werden sollen: Es wird wohl eine weitere Verlagerung der militärischen Ambitionen Deutschlands hin zur EU geben. Wobei das Bekenntnis zur NATO natürlich nicht fehlen darf: "Das transatlantische Bündnis ist dabei zentraler Pfeiler und die NATO unverzichtbarerer Teil unserer Sicherheit." Die Auslandseinsätze der Bundeswehr sollen vorerst nicht reduziert werden. Die Investitionen in die Bundeswehr werden extra benannt: "Unsere Soldatinnen und Soldaten leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Internationalen Sicherheit. Wir verbessern ihre Ausrüstung wie auch die der Bundeswehr." Übersetzt heißt das, dass die Steigerung des Militärhaushaltes wohl weitergehen wird. Von jetzt 56 Milliarden Euro Militärausgaben nach NATO-Kriterien in welche Höhe? "Wir wollen eine Nationale Sicherheitsstrategie vorlegen." Für die neuen Ambitionen braucht es also auch eine "nationale Sicherheitsstrategie"...
Interessant ist, dass der Untersuchungsausschuss zum Einsatz in Afghanistan nicht in der Form kommen wird, wie von Grünen und FDP gemeinsam mit der LINKEN am Ende der letzten Legislaturperiode zugesagt war: "Wir wollen die Evakuierungsmission des Afghanistan-Einsatzes in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufarbeiten." Nur der letzte Auslandseinsatz der Bundeswehr in der letzten Legislaturperiode in Kabul soll in einem Untersuchungsausschuss untersucht werden. Die Bundeswehreinsätze der letzten 20 Jahre in Afghanistan (Enduring Freedom, ISAF, Resolute Support, etc.) sollen lediglich in einer Enquete-Kommission evaluiert werden. "Zudem wollen wir den Gesamteinsatz in einer Enquete mit wissenschaftlicher Expertise evaluieren." Naja, so werden die Fehler und auch Verbrechen der NATO- und Bundeswehr-Einsätze von 2001 bis 2021 nicht wirklich parlamentarisch untersucht. "Die gewonnenen Erkenntnisse müssen praxisnah und zukunftsgerichtet aufbereitet werden, so dass sie in die Gestaltung zukünftiger deutscher Auslandseinsätze einfließen." Das hört sich eher nach einer Untersuchung an, um Auslandseinsätze effektiver zu machen, nicht, um zum Beispiel die Lehre zu ziehen, Auslandseinsätze der Bundeswehr zu beenden.
Die Politik gegenüber China und Russland wird wohl - wie von den Grünen vertreten - noch härter werden. Allerdings ist das nur angedeutet: "Ziel ist eine multilaterale Kooperation in der Welt, insbesondere in enger Verbindung mit denjenigen Staaten, die unsere demokratischen Werte teilen. Dabei geht es auch um den Systemwettbewerb mit autoritären Staaten und Diktaturen." Naja, ob nun die Rücksichtsnahme auf die türkische Politik aufhören wird? Eher nicht. Darauf deutet auch die Passage zu Geflüchteten hin:
"Wir bekennen uns zur humanitären Verantwortung, die sich aus dem Grundgesetz, aus der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt. Daraus leiten wir die Aufgabe ab, mit den europäischen Partnern Anstrengungen zu unternehmen, das Sterben auf dem Mittelmeer genauso wie das Leid an den europäischen Außengrenzen zu beenden. Wir wollen die Verfahren zur Flucht-Migration ordnen und die ausbeuterischen Verhältnisse auf den Fluchtwegen bekämpfen. Die Asylverfahren, die Verfahren zur Familienzusammenführung und die Rückführungen wollen wir beschleunigen und legale Wege schaffen. Abkommen mit Drittstaaten über Migration sollen dabei helfen."
Ein zentrales solches Abkommen dieser Art ist der unsägliche EU-Türkei-Deal, der nun also beispielgebend sein soll. Das verheißt nichts Gutes.
"Wir brauchen eine abrüstungspolitische Offensive und wollen eine führende Rolle bei der Stärkung internationaler Abrüstungsinitiativen und Nichtverbreitungsregimes einnehmen." Sehr blumig und unkonkret diese Aussage zu den ganzen gekündigten Abrüstungsverträgen. Und: Keine Aussaage zum Atomwaffenverbotsvertrag. D.h., es wird also keine Unterzeichnung von Deutschland geben. Damit einhergehend: Keine Ausage zur so genannten "Nuklearen Teilhabe". Die "nukleare Teilhabe" wird also, siehe bedingsungloses NATO-Bekenntnis, wohl weiter laufen, die Atomwaffen werden wohl weiter in Deutschland gelagert sein und modernisiert werden und die neuen Trägersysteme mit Milliardenkosten werden nun wohl kommen. Keine (atomare) Abrüstung, im Gegenteil.
Und zum Schluß noch ein Offenbarungseid: "Für eine restriktive Rüstungsexportpolitik brauchen wir verbindlichere Regeln und wollen daher mit unseren europäischen Partnern eine entsprechende EU-Rüstungsexportverordnung abstimmen." Übersetzt heißt das, es wird keine "restriktive Rüstungsexportpolitik" geben, da eine "entsprechende EU-Rüstungsexportverordnung" auf EU-Ebene auf dem Niveau anderer Staaten wie zum Beispiel Frankreich verharren wird. Es ist ein Verschiebebahnhof Richtung EU, der hier stattfinden wird und bedeutet, dass weiter umfangreich Rüstungsexporte aus Deutschland gehen werden, es wird weiter heißen: "Deutsche Waffen, deutsches Geld, morden mit in aller Welt".
Das Sondierungspapier der voraussichtlichen Ampelkoalition skizziert im außenpolitischen Bereich weiterhin Aufrüstung, umfangreiche Rüstungsexporte und weitere Auslandseinsätze, nun nur eben "wertebasiert".
Tobias Pflüger ist stellvertretender Vorsitzender der LINKEN, bis 31. Oktober noch MdB und verteidigungspolitischer Sprecher der Linksfraktion der 19. Legislatiurperiode und im Vorstand der Informationsstelle Militarisierung (IMI).