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Matthias Höhn

Bundesregierung muss Ausspähung offenlegen

Statement von Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus am 1. Juli 2013

Wie immer würde ich gerne am Anfang ein paar Bemerkungen meinerseits machen, zunächst zum Spionageskandal: Die US-Geheimdienste haben die Kommunikation in Deutschland flächendeckend abgehört. Soviel ist sicher. Die Bundesregierung hat am Wochenende ihre Überraschung zum Ausdruck gebracht. Zumindest ich möchte diese Überraschung doch hinterfragen. Allerdings stellt sich angesichts der Überraschung der Bundesregierung zunächst einmal die Frage, was denn die deutschen Geheimdienste an dieser Stelle wussten oder nicht wussten. Wenn die deutschen Geheimdienste nicht Bescheid wussten, muss man die Frage stellen, was sie so den ganzen Tag treiben, wozu sie in der Lage sind und was sie herausbekommen und was nicht. Wenn sie Bescheid wussten, dann stellt sich die Frage, ob die politische Führung wirklich nicht über einen solchen Vorgang informiert war.

Unabhängig davon will ich vier Dinge sehr klar formulieren: Das erste ist, dass die Bundesregierung umgehend den US-Botschafter einbestellt und ihren Protest gegenüber den Vereinigten Staaten formalisiert. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, in voller Gänze über Ausmaß und Tiefe der Überwachung unterrichtet zu werden.

Der zweite Punkt: Die Bundesregierung muss alle rechtlichen Schritte gegen die Überwachung prüfen. Dazu gehört auch die Prüfung, ob es in der Vergangenheit mit dieser oder einer früheren Bundesregierung Vereinbarungen über die Abschöpfung dieser Daten gegeben hat.

Dritter Punkt: Ein solch schwerwiegender Vorgang rechtfertigt aus meiner Sicht, dass der Bundestag sehr schnell zu einer Sondersitzung zusammentritt und über die Konsequenzen dieses Skandals diskutiert.

Und der vierte Punkt: Die Gespräche, die im Moment zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten über die Freihandelszone geführt werden, sollten abgebrochen werden. Solange der Vorgang nicht geklärt ist, sind Gespräche auf Augenhöhe zwischen diesen beiden Beteiligten nicht denkbar.

Zweiter Punkt zum Thema Strompreise: Es gibt eine aktuelle Studie, die zu dem Ergebnis kommt, dass die Preise für die Stromnetze im nächsten Jahr noch einmal um 50 Prozent steigen werden. Wir wissen, dass bei der Bundesnetzagentur immer wieder Anträge auf Befreiungen bzw. für Kostenreduzierungen eingehen. Die nicht befreiten Nutzer der Stromnetze, und das ist die große Masse der Nutzer, vor allen Dingen die Privathaushalte, muss diese Ausfälle finanzieren. Seit Jahren steigen die Strompreise. Im Jahr 2000 hat ein 3-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 3500 Kilowattstunden noch eine monatliche Rechnung von 40,00 Euro bekommen. Im Jahr 2013 sind das schon 83,00 Euro. Immer mehr Menschen sind mittlerweile von Stromabschaltungen und Stromsperren betroffen. Besonders betroffen sind Hartz-IV-Beziehende, die mit den Heizkostenpauschalen, die ihnen gewährt werden, nicht über die Runden kommen und die Kommunen ihrerseits auch richterliche Entscheidungen zu dieser Frage abwarten, mit schweren Folgen für die Betroffenen.

Auch hier will ich vier Punkte benennen, die mir wichtig sind: Erstens, dass die unberechtigten Industrierabatte abgeschafft werden. Die Lasten müssen von allen getragen werden.

Zweitens, die Stromsteuer sollte gesenkt werden und die staatliche Preisaufsicht wieder eingeführt werden.

Dritter Punkt: Stromsperren sind zu untersagen.

Und viertens: Sanktionen gegen Menschen, die auf Transferleistungen angewiesen sind, müssen gestoppt werden.

Dritter Punkt zum Thema Rentenanpassung: Heute zum 1. Juli ist eine Rentenanpassung in Kraft getreten. Für den Westen der Republik bedeutet das eine Steigerung von 0,25 Prozent. Das ist eine Steigerung, die schon allein durch die Inflationsrate ein reales Minus bedeutet. Für den Osten der Bundesrepublik liegt der Rentenanpassungswert höher, wenngleich das nun nicht einer fortschreitenden positiven Lohnentwicklung geschuldet ist, sondern statistischen Nachwirkungen zum einen der Kurzarbeit und zum anderen der Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze im Osten. Nachwievor gilt, dass auch zum 01. Juli dieses Jahres eine Rente mit 45 Beitragsjahren zum Durchschnittsverdienst im Osten noch 108,00 Euro unter dem liegt, was im Westen an Rente im gleichen Zeitraum erzielt wird. Fest steht, die jetzige Bundesregierung hat ihr Wahlversprechen gebrochen. Der Osten wartet auch 23 Jahre nach der deutschen Einheit auf Rentengerechtigkeit und Rentenangleichung. Wir wissen, dass die CDU für die nächste Legislaturperiode dieses Unterfangen gleich vom Tisch genommen hat, ohne es noch einmal anzukündigen. Sowohl das Versprechen gebrochen zu haben als auch das Problem in der nächsten Legislaturperiode erst gar nicht lösen zu wollen, ist inakzeptabel im Jahr 2013. Wir haben das mehrmals gesagt. Wir werden das zum Wahlkampfthema machen, auch in dieser Bundestagswahl. Es ist höchste Zeit, dass wir spätestens bis 2017 - das ist unsere Forderung - die Rentenanpassung zwischen Ost und West geschafft haben.

Letzer Punkt, den ich ansprechen möchte: Der Bundeswirtschaftsminister hat am Wochenende Jugendliche aus den südeuropäischen Krisenländern aufgefordert, nach Deutschland zu kommen und hier eine Ausbildung anzufangen. Ich will sehr deutlich sagen, dass das aus meiner Perspektive zunächst mal eine Selbstverständlichkeit ist. Wir haben ein Europa der offenen Grenzen, uneingeschränkt. Wir freuen uns über alle, die nach Deutschland kommen, hier arbeiten, ein Studium oder eine Ausbildung beginnen. Wichtig ist aber auch zu sagen, dass die Ausbildungssituation seit Jahren in der Bundesrepublik absolut unbefriedigend ist. Es ist seit der Wiedervereinigung nicht ein einziges Mal gelungen, ausreichend Ausbildungsplätze für alle Bewerberinnen und Bewerber zur Verfügung zu stellen. Wir haben mittlerweile eine Million Jugendliche unter 35 Jahren, die arbeitslos sind, die Hälfte davon sogar ohne Ausbildung.

Deswegen sind auch meiner Sicht zwei Dinge notwendig, die zusammengehören: Das eine ist, dass wir ein europaweites Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit brauchen. Wir brauchen einen Marschallplan für den Wiederaufbau, vor allen Dingen für die Krisenregionen in der Europäischen Union. Wir brauchen eine Arbeits- und Lebensperspektive überall für die Bevölkerung in Europa.

Das zweite: Wir brauchen in der Bundesrepublik eine Ausbildungsoffensive, damit wir für die sogenannte verlorene Generation eine reale Arbeits- und Lebensperspektive schaffen. Es wäre viel gewonnen, wenn wir in den nächsten vier Jahren es schaffen könnten, für 500.000 Jugendlichen ohne Ausbildung eine Ausbildungsperspektive zu schaffen und das Problem intensiv angehen würden.

Herzlichen Dank!