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Katja Kipping

Den Fiskalpakt stoppen

Statement der Vorsitzenden der Partei DIE LINKE, Katja Kipping, auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus

Guten Tag, meine Damen und Herren, in dieser Woche ist eines der zentralen Themen in der politischen Auseinandersetzung der Fiskalpakt. Dieser Pakt verpflichtet die Bundesrepublik Deutschland, in den nächsten Jahren jährlich 25 Milliarden Euro einzusparen. 25 Milliarden Euro, das ist wirklich eine enorme Summe.

Um Ihnen eine Vorstellung von der Dimension zu geben: 25 Milliarden Euro, das ist die Summe, die jährlich bisher gemäß dem Bundeshaushalt für die sogenannten passiven Leistungen im Bereich Hartz IV und für die Eingliederung in Arbeit zusammen ausgegeben wird. Wenn also nun Deutschland die Pflicht hat, jedes Jahr so viele Milliarden abzubauen, dann heißt das im Klartext auch, dass der Fiskalpakt direkt in den Sozialabbau führen wird. Insofern finden wir es sehr bedauerlich, ja beschämend, dass Rot-Grün klar eingeschwenkt ist und es hier zu einer de facto Koalition zwischen Rot-Grün und Schwarz-Gelb gekommen ist. Rot-Grün hat sich für einen "Beipackzettel" ihre Zustimmung abkaufen lassen. Wenn man sich diesen "Beipackzettel", der im Bundeskanzleramt ausgehandelt worden ist, einmal gründlich durchliest, so muss man sagen, er ist eine sprachliche Variation der Unverbindlichkeit.

Unsere Einschätzung ist ganz klar: Rot-Grün hat sich mit dem Ja zum Fiskalpakt Monokratie und Sozialstaat für ein Butterbrot abkaufen lassen. Das ist ein erneutes historisches Versagen von SPD und Grünen. Ich hoffe sehr, dass viele Abgeordnete ihrem eigenen Gewissen folgen werden und sich nicht darauf verpflichten lassen, hier mitzumachen, wenn Sozialabbau in Marmor gemeißelt wird.

Die Zustimmung der SPD zum Fiskalpakt löst mit dem, was dort beschlossen worden ist, keine der Ursachen der Krise, aber sie löst ein personalpolitisches Problem. Die bisherige Streitfrage, wer wird Kanzlerkandidat, ist nun gelöst. Die SPD muss sich diesbezüglich nicht mehr streiten. Man muss sich jetzt nur noch verständigen, wer Vizekanzler der SPD unter Frau Merkel wird.

Und zu den Grünen: Cem Özdemir hat sehr kuragiert auf dem kleinen Parteitag für ein Ja seiner Partei geworben. Beratungen im Bundeskanzleramt sind bekanntlich vertraulich. Aber ich denke, ich verrate kein Staatsgeheimnis, wenn ich sage: Ich hätte mir gewünscht, dass Herr Özdemir nur halb so kuragiert gegenüber Frau Merkel aufgetreten wäre wie er gegenüber seiner eigenen Partei für das Ja geworben hat. Mein Eindruck ist ganz klar, dass SPD und Grüne sich hier in die Rolle des Schoßhündchens von Frau Merkel begeben haben.

Am vergangenen Wochenende gab es eine Beratung mit den Ländern im Kanzleramt, wo auch die Länder ihre Zustimmung zum Fiskalpakt signalisiert haben. Da geht es um Beschlüsse, die bis zu 4 Milliarden kosten werden. Auch hier deutet sich bereits an, dass alle Beschlüsse eher im Bereich des Unverbindlichen gehalten sind. Brüderle hat ja schon heute verkündigt, dass die Vereinbarungen mit den Ländern mit keiner Mehraufnahme von Schulden verbunden sein wird.

Insofern bin ich froh, dass es wenigstens eine Fraktion, eine Partei gibt, nämlich DIE LINKE, die als einzige geschlossen Nein zum Fiskalpakt sagt, die damit geschlossen auch Nein zu dem drohenden Sozialabbau sagt. Wir werden per Eilantrag gegen den Rettungsschirm und den Fiskalpakt klagen, weil beides mit unserer Vorstellung von Sozialstaat und Demokratie nicht zu vereinen ist. Wir sind ebenso der Meinung: Entscheidungen von solcher Dimension dürfen nicht einfach in Hinterzimmern ausgehandelt werden, sondern sie müssen wirklich in der breiten Öffentlichkeit entschieden werden. Deswegen setzen wir uns für eine Volksabstimmung zu diesem Thema ein. Wir werben öffentlich für diese Position.

Ich möchte abschließend der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass es doch viele Abgeordnete gibt, die am Freitag zum Fiskalpakt und zu dem Rettungsschirm Nein sagen.

Nun ist Bundespräsident Gauck 100 Tage im Amt. Wenn man Bilanz ziehen muss, dann kommt man zu dem Schluss: Es gibt viel Schatten und am Ende ein wenig Licht. Für mich war seine Rede vor der Bundeswehrführungsakademie ein Tiefpunkt der präsidialen Rhetorik. Er hat dort eine Position vertreten, die DIE LINKE nicht teilen kann. Wir haben unsere abweichenden Positionen sehr deutlich kundgetan. Respekt verdient allerdings – das will ich dann doch hier auch benennen –, dass er zumindest in einem Punkt Merkel die Stirn geboten hat. Er vertritt eine Position, die bei den LINKEN schon lange Gang und Gebe ist, er kritisiert die Macht der Märkte über die Politik.

Wir haben uns auf der Sitzung des Parteivorstandes am Wochenende auch mit der aktuellen Situation in Paraguay beschäftigt. Wir protestieren gegen den kalten Putsch, gegen die direkte Absetzung Fernando Lugos und schließen uns der Kritik der lateinamerikanischen Länder an diesem kalten Putsch an. Besonders bemerkenswert oder -besser formuliert - fragwürdig ist das Agieren des Entwicklungsministers Dirk Niebel. Wenn er bei der Besteuerung seines Teppichs genauso zügig gehandelt hätte, wie er jetzt bei der Anerkennung der Absetzung Lugos, wäre ihm so mancher Ärger erspart geblieben.

International ist auch die Zuspitzung im Syrien-Konflikt ein zentrales Thema. DIE LINKE betrachtet die drohende militärische Eskalation mit großer Sorge. Man muss ganz klar sagen: Alle Mächte, die in dieser Region aktiv sind, müssen ihr Handeln daraufhin hinterfragen, inwieweit Säbelrasseln wirklich zu einer friedlichen Lösung beitragen kann. Klar ist, dass Assad für die grausamen Taten, die dort stattfinden, die Verantwortung trägt. Wir setzen uns dafür ein, dass die Staatengemeinschaft gemeinsam und mit voller Kraft eine friedliche Lösung findet, weil das für uns der einzige Ausweg aus der grauenvollen Situation ist.

Am vergangenen Wochenende ist der Parteivorstand nach dem Bundesparteitag zum ersten Mal zusammengekommen. Wir haben in sehr konstruktiver Art und Weise miteinander getagt. Es gab in der Diskussion vieler aktueller Themen eine sehr große Einmütigkeit. Ich will noch einmal zwei Schlaglichter hervorheben: Zum einen hat es bei uns bei den Personalentscheidungen Nachwahlen zum Geschäftsführenden Parteivorstand gegeben. Der besteht bei uns aus 12 Mitgliedern. Auf dem Parteitag werden immer nur acht Mitglieder in direkter Wahl gewählt. Bernd Riexinger und ich hatten für die Nachwahl einen konkreten Vorschlag unterbreitet, nämlich Christine Buchholz, Brigitte Ostmeyer, Katina Schubert und Heinz Bierbaum. Es gab noch weitere Kandidaturen mit Dominic Heilig und Halina Wawzyniak. Die von uns vier vorgeschlagenen wurden mit einer großen Mehrheit gewählt.

Ein weiteres Thema auf der Parteivorstandssitzung war ein Beschluss zum Thema Lärmschutz. Es geht – wie Sie ahnen werden – um den Großflughafen Berlin-Brandenburg. Die Brandenburger Landesvertreter haben sich in der Flughafengesellschaft sehr stark für den Lärmschutz eingesetzt. Es ist äußerst ärgerlich, dass die Vertreter des Bundes und des Landes Berlin genau dieses Bemühen konterkariert haben und die Brandenburger entsprechend niedergestimmt haben. Wir fordern hier die Vertreter des Bundes und des Landes Berlin in der Flughafengesellschaft auf, dass sie das Bemühen von Brandenburg für einen effektiven Lärmschutz deutlich unterstützen, anstatt zu konterkarieren.