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Der Politikwechsel muss im Bundesrat beginnen

Statement von Oskar Lafontaine, Vorsitzender der Partei DIE LINKE, auf der Pressekonferenz am 10. Mai 2010 im Berliner Karl-Liebknecht-Haus

Die Wahl in Nordrhein-Westfalen hatte zunächst für die Partei DIE LINKE strategische Bedeutung. Nachdem wir in einem etwas schwierigerem Umfeld auch diese Probe erfolgreich bestanden haben, durch eine Anstrengung der gesamten Partei, können wir jetzt sagen: Das Fünf-Parteien-System ist etabliert. Die LINKE hat jetzt den siebten Landtag im Westen erobert. Sie ist in sechs ostdeutschen Landtagen vertreten. Sie ist als Landespartei in so vielen Landtagen vertreten wie die Grünen. Wir haben dazu nicht dreißig Jahre gebraucht, sondern drei Jahre, bei dem Vorlauf, den man natürlich im Kopf haben muss. Und wir haben jetzt eine Position erreicht, an die man immer wieder erinnern muss: Wir sind auch im Bund stärker als Grüne und CSU, obwohl, wenn man – ich sage mal - die mediale Resonanz sieht, ist man sicherlich der Meinung, dass die Verhältnisse total anders seien. Aber es ist nun mal so: Wir sind im Bund stärker als kleinen Parteien CSU und Grüne. Die Konsequenz aus dieser Wahl ist, die Wählerinnen und Wähler haben eine andere Politik gewollt. Das kann niemand bestreiten. Wir sind vor der Wahl oft gefragt worden, was wir denn machen würden im Fall des Falles. Wir bleiben bei dem, was wir vor der Wahl gesagt haben, da sind wir uns alle einig. Wir sind bereit, eine andere Regierung zu stützen in Nordrhein-Westfalen, vorausgesetzt, dass diese andere Regierung einen Politikwechsel einleitet. Und der Politikwechsel muss im Bundesrat beginnen und zwar muss dort klar gestellt sein, dass eine nordrhein-westfälische Regierung keinen weiteren Sozialabbau mitträgt. Das ist das Kernanliegen der LINKEN in den letzten Jahren gewesen. So sind wir stark geworden. Und so haben wir das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler erreicht. Wir haben auch erreicht, dass SPD und Grüne in vielen inhaltlichen Forderungen sich verbal uns angenähert haben. Ihre Positionen zu Hartz IV, Agenda usw., teilweise zur Rentengesetzgebung revidiert haben. Jetzt ist die Nagelprobe für diese Parteien, ob ihre Bekenntnisse einen ernsthaften Hintergrund haben oder ob es weitergeht, dass die Bevölkerung die Zeche für die Fehler zahlen muss, die in den letzten Jahren gemacht worden sind.

Damit möchte ich zum Kernthema dieser Tage kommen, das ja auch die nordrhein-westfälische Landtagswahl bestimmt hat – die Folgen der sogenannten Finanzkrise. Hier möchte ich angesichts all dieser diffamierenden Vorwürfe an die Partei DIE LINKE darauf hinweisen, dass gerade die Finanzkrise gezeigt hat, dass die LINKE die einzige Partei ist, die die realistischen ökonomischen Antworten auf diese Krise hat. Weil es offensichtlich schwer ist, es sich immer wieder zu merken, nenne ich die Antworten: KFW – das lässt sich leicht behalten. Das heißt Keynesianismus, das heißt Finanzmarktregulierung und das heißt Wirtschaftsregierung auf europäischer Ebene. Das sind die drei Säulen unserer Finanz- und Wirtschaftspolitik, die wir seit langem vertreten haben. Von anderen Parteien bekämpft, auch natürlich von der großen Mehrheit der öffentlichen Meinung bekämpft, um das in Erinnerung zu rufen. Der Keynesianismus hat die Weltwirtschaft vor dem Absturz bewahrt. Das kann niemand in Abrede stellen. Die Finanzmarktregulierung ist zwingend erforderlich, weil ohne Finanzmarktregulierung der Keynesianismus gar nicht funktionieren kann, weil das Geld der Zentralbanken sonst in die Spekulation fließt und nicht in die Wirtschaft. Die europäische Wirtschaftregierung hat man jetzt, nachdem man sie zwei Jahrzehnte abgelehnt hatte, beschlossen, weil man die Frage beantworten musste, was passiert, wenn eben Auf- und Abwährung im binneneuropäischen Raum Ungleichgewichte nicht mehr ausgleichen können. Insofern möchte ich wirklich darauf hinweisen, dass es schon eine merkwürdige Situation ist, wenn dann Parteien – ich nehme jetzt mal die CDU – deren Vorsitzende offensichtlich nicht in der Lage ist, die Wirkungsmechanismen von Finanzmärkten zu erkennen, uns Regierungsunfähigkeit oder ähnliche Worte an den Kopf werfen. Wer die Wirkungsweise von Finanzmärkten erkennt, der muss wissen, sie funktionieren eben nach einem kleinen Brand, der sich blitzartig zu einem Flächenbrand ausweitet. Wenn man, sobald der Brandherd entsteht, nicht sofort löscht, ist der Flächenbrand da und genau das haben Sie in den letzten Monaten erlebt. Ich verweise auf die Stellungnahme auf europäischer Ebene. Aber entscheidend ist, dass man auch aus den Märkten das Benzin wegnimmt und das Feuerzeug. Und das heißt eben Finanzmarktregulierung. Solange man hier nicht ernsthaft rangeht, es hat ja im nordrhein-westfälischen Wahlkampf eine Rolle gespielt – solange beispielsweise die FDP noch nicht mal in der Lage ist, eine Transaktionssteuer mitzubejahen, solange hat man nicht erkannt, was eigentlich Sache ist, und solange werden wir mit weiteren – ich sage mal -Schreckensmeldungen wie in den letzten Monaten konfrontiert werden. Ohne Finanzmarktregulierung und ohne europäische Wirtschaftskoordination sind die Probleme absolut nicht in den Griff zu bekommen. Es ist unmöglich, eine Krankheit zu heilen, wenn man die wichtigsten Ursachen der Krankheit nicht beseitigt.