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Die Bildungskatastrophe stoppen

Mit mutigen Reformen und einem Sondervermögen gegen den Notstand an unseren Schulen

Die Schulen hierzulande sind zu düsteren Orten verkommen: Putz bröckelt von der Decke, der Unterricht fällt mal wieder aus, weil es zu wenig Lehrkräfte gibt, und viele Schüler*innen bekommen kein gesundes Mittagessen. Das deutsche Bildungssystem steht vor dem Kollaps, auch weil es seit Jahren unterfinanziert ist. Während andere Länder viel Geld in die Bildung stecken, muss Bildung in Deutschland möglichst wenig kosten. Wir erleben derzeit eine der schwersten Bildungskrisen seit Gründung der Bundesrepublik. Ein enormer und sich vergrößernder Mangel an Lehrer*innen und Erzieher*innen trifft auf ein veraltetes, unterfinanziertes und segregiertes Bildungssystem, das soziale Ungleichheiten zementiert anstatt sie aufzubrechen. Kinder aus Familien mit geringen Einkommen haben deutlich seltener die Chance, auf ein Gymnasium zu gehen (26,2 zu 60,8 Prozent!)[1]. Sie werden viel zu oft nicht richtig auf die Zukunft vorbereitet. Gleichzeitig sind alle Akteur*innen im System gezwungen, verschiedene Interessen gegeneinander abzuwägen. Die Folge: Viele Entscheidungen, die den Problemen nicht gerecht werden.

Schule zementiert die soziale Ungleichheit

Das spiegelt sich auch in dem Bildungs-Startchancenprogramm der Ampel-Regierung wieder. Das Ziel soziale Ungleichheit zu reduzieren, begrüßen wir natürlich. Aber: die Bundeswehr bekommt ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro. Für das Bildungs-Programm stehen nur 20 Milliarden Euro zur Verfügung - über einen Zeitraum von zehn Jahren. Nur Knapp 10 Prozent der Schüler*innen sollen davon profitieren. So wird das Programm kein Erfolg.  Dazu kommt der verstärkte Fokus auf Noten und Vergleichsstudien, anstatt die Gesundheit und Lernfreude der Schüler*innen zu fördern. Ihre Interessen stehen weiter hinten an.

Miese Arbeits- und Ausbildungsbedingungen trotz Lehrkräftemangels.

Laut Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) fehlen bis 2035 an den allgemeinbildenden Schulen bis zu 177.500 Lehrkräfte[2]. Schon jetzt geht ohne Quer- und Seiteneinsteiger nichts mehr. Was einst als Notlösung gedacht war, ist längst Normalität. 2023 hatten zwölf Prozent der neu eingestellten Lehrkräfte keine klassische Lehramtsausbildung. In Ostdeutschland ist dieser Anteil deutlich größer. Den größten Anteil hat das vom CDU, SPD und FDP regierte Sachsen-Anhalt. Hier wurden 46,7 Prozent der Stellen durch Bewerber*innen ohne Lehramtsstudium besetzt[3].  Die Qualität der Ausbildung der Lehrkräfte ist auch eine Frage von arm und reich. An Schulen in Problemvierteln ist der Anteil von Quereinsteigern deutlich höher als in Schulen in besseren Vierteln. Aufgrund fehlender Unterstützung sind die Bedingungen für Lehrkräfte dort um einiges herausfordernder, weswegen viele ausgebildete Lehrkräfte öfter an andere Schulen gehen. Gerade hier ist ein hoher Bedarf für qualifizierte Fachkräfte. Alle Lehrer*innen, einschließlich Quer- und Seiteneinsteiger*innen, leisten einen enormen Beitrag für unsere Gesellschaft. 62 Prozent aller Lehrer*innen sind häufig oder sogar täglich körperlich erschöpft und müde[4]. Personen, die diesen Job machen, insbesondere in Schulen mit besonders herausfordernder Lage, gehört unsere Anerkennung.

Lehrkräfte verdienen Anerkennung und Unterstützung

Anerkennung  bedeutet für Die Linke Unterstützung und Entlastung. In Berlin hat Die Linke deshalb die Einführung der sogenannten „Brennpunktzulage“ unterstützt. Lehrkräfte und Erzieher*innen bekommen eine Zulage, wenn sie an Schulen in schwieriger Lage unterrichten. Das wirkt dem Personalmangel entgegen. CDU und SPD in Berlin wollen die Zulage für Erzieher*innen jetzt wieder streichen. Hierbei wird Sparpolitik wieder auf Kosten der Kinder und ihrer Erzieher*innen und Lehrer*innen betrieben. Die Situation der Auszubildenden verschlechtert sich weiterhin. Je nach Umfrage geben mehr als 80 Prozent der befragten Referendar*innen an, unter gesundheitlichen Folgen zu leiden, die sie auf den Stress im Referendariat zurückführen [5]. Hinzu kommen steigende Abbruchraten[6]. In Berlin müssen Referendar*innen immer mehr Stunden eigenständig unterrichten, um die Unterrichtsversorgung überhaupt gewährleisten zu können. Das ist weder im Interesse der Schüler*innen noch der Referendar*innen.  Es ist zudem traurige Praxis geworden, dass einige Lehrer*innen und insbesondere Referendar*innen über die Sommerferien entlassen werden, um Geld zu sparen. Traurige Spitze ist dabei, die Grün-Schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg mit 4000 Betroffenen. Bei akutem Fachkräftemangel gut qualifiziertes Personal nach etwa 7 Jahren Studium und Ausbildung in die Arbeitslosigkeit zu entlassen ist absurd. Gemeinsam mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) protestieren wir gegen diese Spar-Tricks auf Kosten der Lehrer*innen[7].

Kinder aus benachteiligten Familien erhalten zu wenig Hilfe

Die Bildungsungerechtigkeit ist in Deutschland weiter sehr stark. Schüler*innen mit dem größten Bedarf kriegen oft die kleinste Förderung. Sie sitzen in den maroden Schulen, werden schlechter benotet[8] und werden selbst bei gleicher Leistung öfter auf schlechtere weiterführende Schulen geschickt[9].  Hinzu kommt, dass die Eltern dieser Schüler*innen oft kein Geld haben für kostspielige Nachhilfe, um diese Nachteile wieder auszugleichen. Diese Ungleichheit zeigt sich insbesondere bei der Verpflegung in der Schule:
Mit knurrendem Magen lernt es sich nicht nur schlecht. Kinder und Jugendliche, die in Armut aufwachsen, leiden oft unter einem Mangel an Nährstoffen und haben ein erhöhtes Risiko für Übergewicht und Adipositas. Schulen und Kitas müssen hier die zentralen Orte für Prävention und Gesundheitsförderung sein. Die Mittagsversorgung in Schulen ist schlecht. Manchmal wird gar keine Mittagsversorgung angeboten. Häufig ist das Essen zu teuer, nicht schmackhaft und zu selten gesund. Nur knapp die Hälfte der Kinder und Jugendlichen nimmt an der Mittagsverpflegung teil. Soziale Ausgrenzung und hungrige Kinder, die sich nicht auf den Unterricht konzentrieren können, sind die direkte Folge. Es geht auch anders: In Finnland und Schweden ist ein kostenloses Mittagessen seit Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit und die positive Wirkung durch Studien belegt. Die Schulabschlüsse werden besser, die Kinder gesünder und selbst das Einkommen ist im späteren Leben höher. Insbesondere bei Kindern aus Familien mit wenig Geld[10].

Wir brauchen ein Rettungspaket für Kommunen, die finanziell überfordert sind. Hier können bedarfsgerecht und niedrigschwellig Gelder für eine zeitgemäße Schule abgerufen werden. Für Bedingungen, unter denen Lehrer*innen gut und gerne ihren Job machen. Kurzum: Die Grundlage für ein modernes Bildungssystem, in dem alle Kinder gut und gerne lernen. Mittelfristig braucht es für eine stabile Finanzierung der Kommunen die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Diese würde schätzungsweise 60 Milliarden Euro pro Jahr in die Länderkassen spülen.

Unsere 5 Punkte für bessere Schulen

1. 100 000 Lehrkräfte und 200 000 Erzieher*innen zusätzlich einstellen.
Gegen den Personalmangel wollen wir die Attraktivität des Berufs und der Ausbildung erhöhen. Schulen müssen personell besser, aufgabengerecht und passgenauer aufgestellt werden. Für Referendar*innen müssen die alleine zu stemmenden Unterrichtsstunden reduziert werden und die Betreuung deutlich verbessert werden, um die hohe Abbruchquote zu senken. Außerdem braucht es mehr Unterstützung bei IT- und Verwaltungsaufgaben, sowie mehr Anerkennung und eine faire Bezahlung der Lehrkräfte.  Es kann nicht sein, dass Grundschullehrer*innen schlechter bezahlt werden. Die Arbeit an den Grundschulen aufzuwerten, die überwiegend von Frauen geleistet wird, ist nicht nur längst überfällig, es hilft auch gegen den besonders an Grundschulen herrschenden Lehrkräftemangel.

2. Ein Sanierungs-Programm für unsere Schulen:
Schüler*innen und Lehrkräfte brauchen ein gutes Arbeitsumfeld. Dazu gehörten sanierte und gut ausgestattete Schulgebäude. Die Kommunen brauchen Geld, um den  Investitionsrückstand von mittlerweile fast 55 Milliarden Euro zu beseitigen. Der Bund muss hier ein Förderprogramm auflegen, aus dem sich Kommunen bedienen können. Dieser sollte jährlich 10 Milliarden Euro umfassen, damit der Investitionsstau bis 2030 abgearbeitet ist. Wenn wir jetzt eine Generalsanierung unserer Schulen starten, helfen wir auch der Bauindustrie, die derzeit in der Krise steckt.

3. Ein kostenfreies und gesundes Mittagessen für alle:
Wir haben im Bundestag unseren vierten Anlauf für ein kostenfreies Essen an Kitas und Schulen gestartet. Die Kosten belaufen sich auf rund 15 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist eine kluge Investition in eine bessere Gesundheit der zukünftigen Generationen, mehr Chancengerechtigkeit und ein höheres Bildungsniveau. Das wird sich langfristig für uns alle rechnen. Eine wesentliche Ursache der sozialen Spaltung in der Bildung ist die früheTrennung der Schüler*innen in unterschiedliche Schulformen.

4. Eine Gemeinschaftsschule, die kein Kind zurücklässt und sozialer Ungleichheit entgegenwirkt. Eine gut ausgestattete Gemeinschaftsschule fördert die Kinder individuell und umfassend. Sie ist ganztägig organisiert und bietet alle Schulabschlüsse an. Schulen brauchen multiprofessionelle Teams für die Betreuung der Kinder, um ihren Recht auf gute Bildung und individuelle Förderung gerecht zu werden. Dazu zählen etwa auch Schulsozial-arbeiter*innen und Psycholog*innen. Die Kinder bekommen so eine umfassende Betreuung aus

5. Kooperation statt Konkurrenz
Bildungspolitik ist schon lange keine Ländersache mehr. Bund und Länder müssen in der Bildung enger zusammenarbeiten. Wir wollen Bildung als Gemeinschaftsaufgabe im Grundgesetz verankern und das Kooperationsverbot komplett aufheben. So kann der Bund die Schulen besser unterstützen und zusammen mit Ländern umfassende Bildungskonzepte erarbeiten, damit Kitas und Schulen zu Orten werden, an denen die Kinder gerne lernen.


[1] https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/infografik-kai-maaz-von-welchen-faktoren-haengen-bildungsverlaeufe-ab/

[2] https://www.fibs.eu/fileadmin/user_upload/images/Leistungen/FiBS-Forum_79_Lehrkraeftebedarf_240301_final.pdf

[9] https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/soziale-ungleichheit-354/520843/soziale-herkunft-und-bildung/