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Die Große Koalition ist nicht mehr handlungsfähig

Statement des Bundesgeschäftsführers der LINKEN, Dietmar Bartsch, auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus

Statement als Audio- und Video-Datei

Einen schönen guten Tag, meine Damen und Herren, zunächst möchte ich ein paar wenige Bemerkungen zum Europawahlkampf machen: Sie haben vielleicht schon im Straßenbild Berlins gesehen: Der Europawahlkampf der LINKEN hat begonnen. Unsere Großflächen, unsere Plakate werden in diesen Tagen aufgehängt. Der Fernsehspot, der Radiospot, der Kinospot stehen und unsere Veranstaltungen sind vorbereitet. Wir werden einen sehr intensiven Wahlkampf bis zum 7. Juni führen. Die ganz heiße Phase wird allerdings nach dem 23. Mai beginnen.

Wir bereiten jetzt den Bundestagswahlkampf vor. Wir haben am nächsten Sonntag – dieser Ausblick sei mir gestattet – eine Parteivorstandssitzung, wo wir den Entwurf des Bundestagswahlpro­gramms verabschieden werden. Sie wissen, das Bundestagswahlprogramm wird am 20./21. Juni in Berlin, in der Max-Schmeling-Halle dann endgültig von einem Bundesparteitag beschlossen werden, aber dieser Entwurf wird die weitere Diskussion prägen. Ich will darauf aufmerksam machen, dass wir am Montag danach Gregor Gysi und Oskar Lafontaine diesen Entwurf präsentieren werden. Die Pressekonferenz wird nicht hier, sondern um 12.00 Uhr im Radialsystem stattfinden. Dazu möchte ich Sie schon jetzt einladen. Die Beratungen am Sonntag werden sicherlich sehr intensiv sein. Ich werde vermutlich morgen den Entwurf für die Vorstandssitzung vorlegen. Es gab sehr viele Meinungsäußerungen – über 100 sehr konkrete Änderungsanträge, teilweise sehr differenziert. Im Ergebnis wird der Entwurf des Wahlprogramms kürzer sein. Das ist auf jeden Fall gesichert. Alle anderen Dinge werden allerdings dann am Sonntag konkret behandelt werden.

Meine zweite Bemerkung bezieht sich auch auf den Wahlkampf, zielt aber in Richtung Große Koalition. Die Große Koalition ist offensichtlich nicht mehr handlungsfähig. Ich will SPD und CDU/CSU daran erinnern, dass sie als Regierung bis zum 27. September gewählt sind. Es kann nicht sein, dass hier zwar jeden Tag eine neue Forderung ausgerufen wird, aber diese Regierung zum Handeln nicht mehr fähig ist. Es ist so, dass die Regierungstätigkeit faktisch eingestellt ist, das wir heute hü morgen hott haben und dass es jeden Tag neue Anwürfe gibt, dass es auch innerhalb der Parteien nicht nur Diskussionen gibt, sondern nahezu täglich neue Vorschläge.

Ich will das konkret an den beiden zentralen Punkten festmachen, woran sich die große Koalition messen lassen wollte. Das war erstens das Thema Haushaltssanierung, und das zweite war die Senkung der Arbeitslosenzahlen. Was die Haushaltssanierung betrifft, ist es so, dass der Haushalt löchrig wie ein Schweizer Käse ist. Jeden Tag erfahren wir neue Zahlen auch vom Finanzminister. Inzwischen wird von Steuerausfällen von über 300 Milliarden bis zum Jahr 2013 bei Bund, Ländern und Kommunen ausgegangen. Das Entscheidende ist, es muss jetzt – wir haben wieder eine Bundestagswoche – ein Nachtragshaushalt auf den Tisch. Haushaltsklarheit ist notwendig. Die Belastungen, die aus dem ersten so genannten Konjunkturpaket entstehen, aber auch, was das Bankenrettungspaket betrifft - das muss transparent für die Menschen, aber auch für die Parlamentarier vorgelegt werden. Das erwarte ich von Herrn Steinbrück, das erwarte ich aber auch von der Bundesregierung insgesamt. Es kann nicht sein, dass immer mehr Schattenhaushalte aufgemacht werden, dass nicht mehr gehandelt sondern auf den 27.09. gewartet wird.

Das Versprechen von Herrn Steinbrück, es werde keine Steuererhöhungen bis zum Jahr 2013 geben, ist völlig unglaubwürdig. Wer auch nur einen Hauch von Steuer- und Haushaltspolitik versteht, der weiß, dass das nicht durchzuhalten sein wird. Und es ist im Übrigen auch grundsätzlich falsch, Steuererhöhungen zu diesem Zeitpunkt auszuschließen.

DIE LINKE fordert – wie sie wissen – eine radikale Steuerreform. Insbesondere gehört dazu, dass die Profiteure der Krise zur Kasse gebeten werden. DIE LINKE fordert eine fünfprozentige Millionärsabgabe, die bei einem Freibetrag von einer Million erhoben wird. Wir sagen weiterhin ganz klar: Die Börsenumsatzsteuer ist ein Gebot der Stunde. Wir haben die Reform der Erbschaftssteuer deutlich kritisiert. Hier kommt nicht mehr Geld in die öffentlichen Kassen, aber ein Mehr wäre gerade in der aktuellen Situation notwendig. Wir haben auch zu verzeichnen, dass Milliarden Löcher in den Sozialsystemen aufgemacht sind. Es klaffen Milliarden Löcher. Es gibt wachsende Ausgaben. Ich will nur die beiden Beispiele nennen: Die Bundesagentur für Arbeit hatte im ersten Quartal ein gewaltiges Defizit. Hier ist die große Koalition gefordert, um für die Agenturen Planungssicherheit auch für das nächste Jahr herzustellen. Im Moment weiß niemand, wie denn zum Beispiel mit den Optionskommunen umgegangen wird. Es wäre ein gewaltiger Fehler, die Beiträge immer weiter zu senken, so dass jetzt die Aktivitäten zum Beispiel für Bildung und Weiterbildung reduziert werden müssen. Und auch beim Gesundheitsfonds sieht es nicht anders aus. Die Ministerin dementiert zwar, aber es tut sich - wie nachzulesen war – ein Loch von ca. drei Milliarden auf. Dann wird auf der anderen Seite erzählt, es werde keine Rentenkürzungen geben usw. Also es werden nach und nach Versprechungen gemacht, für die es keine finanziellen Grundlagen gibt. Das, was man vor Monaten der LINKEN vorgeworfen wurde, werfe ich jetzt der Großen Koalition vor. Hier wird unsolide Politik betrieben, zumindest was die Haushaltspunkte betrifft.

Ich will eine dritte und letzte Bemerkung machen, wo sich etwas Ähnliches darstellt, und das ist das Thema Opel: Hier können wir nun auch feststellen, das es parteipolitische Vorschläge gibt, wer denn so der Investor werden soll. Es ist aus unserer Sicht unerträglich, wie hier auf dem Rücken der Beschäftigten bei Opel Wahlkampf gemacht wird. Für uns ist das Entscheidende: Es soll eine langfristige Perspektive für Opel geben, und der Einsatz von Steuergeldern muss an Arbeitsplatzgarantien und an Standortsicherheit geknüpft werden. Da hat gerade auch Bodo Ramelow sehr konkrete Vorschläge - nicht nur den Standort Eisenach betreffend - gemacht.

Herzlichen Dank!