Die Interessen der Bevölkerung gegenüber den Profitinteressen stärken
Für das Recht, Konzernchefs vors Parlament zu zitieren - Überlegungen von Katja Kipping
Die Entscheidungen von Konzernen haben oft Auswirkungen auf das Leben der Bevölkerung. Denken wir nur an Skandale wie Dieselgate. Die Abgase beeinflussen die Lebensqualität in den Städten und können unser aller Gesundheit gefährden.
Aufgabe gewählter Parlamente ist es, Schaden von der Bevölkerung abzuwenden. Dies erfordert auch, dass die Politik selbstbewusster und entschiedener gegenüber Konzernen auftritt. In diesem Sinne unterbreite ich den Vorschlag, dass wir hierzulande eine Regelung aufgreifen, die u.a. aus den USA bekannt ist: das Recht des Parlaments und seiner Ausschüsse, auch Konzernchefs verpflichtend vors Parlament zu zitieren und zu befragen. Damit werden nicht alle Probleme gelöst und nicht alle Fehlentwicklungen gestoppt. Aber es gibt zumindest die Möglichkeit, mehr Transparenz herzustellen und die Verantwortlichen aus der Wirtschaft in aller Öffentlichkeit mit den demokratischen Anliegen zu konfrontieren.
Es geht dabei auch darum, die Demokratie und die Interessen der Bevölkerung gegenüber den reinen Profitinteressen der Konzerne und großen Firmen zu stärken.
Beispiele für Konzerne, deren Chefs sich Fragen des Parlaments stellen sollten
Deutsche Wohnen - Berlins größter Vermieter ist Symbol für renditegetriebenes Vermietungsgeschäft: Die Vorstandsvergütungen haben sich im Vorjahr vervielfacht, während es gleichzeitig massenhaft Beschwerden von Mieterinnen und Mietern gab. Der Vorstand war deshalb ins Berliner Abgeordnetenhaus eingeladen, hat sich jedoch verweigert.
Rüstungskonzerne wie Heckler & Kochsind immer wieder in der Kritik. Selbst wenn man nicht wie DIE LINKE für einen Stopp aller Rüstungsexporte ist, sollte einen nicht kaltlassen, dass hier mittlerweile wegen einiger rechtswidriger Deals Strafverfahren laufen. Jenseits der strafrechtlichen Verfolgung gibt es bei solch heiklen Deals durchaus auch ein Interesse der Öffentlichkeit, die Vorgänge politisch zu diskutieren, nicht zuletzt weil die Bundesregierung offensichtlich ihrer Aufsichtspflicht nicht nachkommt.
Konzerne, die auf besonderes Lohndumping setzen
Um nur ein Beispiel von vielen zu nennen: der Klinikkonzern Heliosstand in der Vergangenheit immer wieder in der Kritik, weil seine Leitung in besonderem Maße auf Dumping bei Arbeits- und Gehaltsstandards setzt.
Wo ist das schon üblich?
In den USA ist dieses Recht des Senats sehr etabliert und breit akzeptiert. Die Grundlage dafür findet sich bereits in den Federalist Papers. Doch dieses Recht gibt es nicht nur in den USA. Eine Zusammenstellung des Wissenschaftlichen Dienstes, die ich in Auftrag gegeben habe, führt aus, dass ähnliche Regelungen auch in Frankreich und Kanada gelten.
In Frankreich dürfen die Ausschüsse der Nationalversammlung auch Konzernchefs vorladen. Das Nichterscheinen kann mit einer Geldstrafe belegt werden. Diese Ausschusssitzungen sind presseöffentlich.
In Kanada haben die meisten Ausschüsse dieses Vorladerecht. Zu erscheinen und auszusagen ist Pflicht. Die Befragungen finden in der Regel öffentlich statt.
Warum reichen Untersuchungsausschüsse dafür nicht?
In Deutschland haben nur die Untersuchungsausschüsse ähnliche Rechte wie der US-Senat. Doch die Untersuchungsausschüsse hierzulande haben eine hohe Schwelle und erfordern ein entsprechendes Quorum. Außerdem dauert es in der Regel länger bis ein solcher Untersuchungsausschuss eingerichtet ist. Eine Befragung eines Konzernmanagers zu einem aktuellen Thema durch das Parlament kann so zeitnäher erfolgen.