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Die Partei wächst im Westen massiv

Statement von Ulrich Maurer auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus

Statement als Audio- und Video-Datei

Die von Dietmar Bartsch genannte Zahl von 4000 neuen Mitgliedern zeigt, dass die Partei im Westen nachwievor massiv wächst. Das ist etwas, was mich als Westbeauftragten natürlich besonders interessiert und frohstimmt. Das Ergebnis der Kommunalwahlen führt dazu, dass die Partei jetzt auch im Süden – in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz – in fast allen Kreisen und großen Städten ein Gesicht hat, nicht nur ein Gesicht, sondern mehrere bekannte Gesichter. Das ist für uns ein wichtiger Meilenstein.

Dietmar Bartsch hat schon die Schwäche der CDU angesprochen. Ich will mal auf etwas Schlichtes hinweisen: In meiner Heimatstadt Stuttgart haben die beiden Parteien der "großen" Koalition deutlich weniger als die Hälfte der Sitze des Gemeinderates. Das beschreibt natürlich eine Entwicklung, die die Quittung für das ist, was ich bei beiden Parteien der großen Koalition für das Hauptproblem halte. Ich glaube, beide Parteien sind in einem fast nicht vorstellbaren Ausmaße unglaubwürdig.

Dietmar Bartsch hat schon darauf hingewiesen: Wir haben auf der einen Seite eine Rekordstaatsverschuldung und Staatsdefizite und auf der anderen Seite eine Kanzlerin, die behauptet, sie würde keine Steuern erhöhen und nur Wohltaten verteilen. Das glaubt natürlich kein Mensch. Bei der SPD haben wir jetzt auch im Ergebnis des Parteitages mehrere Brüche in Sachen Glaubwürdigkeit. Also zunächst einmal bewerten wir das auf der inhaltlichen Ebene. Wir stellen fest, die SPD spricht sich jetzt für eine Börsenumsatzsteuer aus. Da haben wir im Parlament erlebt, wie das mit einer angeblich schlauen Begründung abgelehnt worden ist. Sie spricht sich für einen, wenn auch zu niedrigen, gesetzlichen Mindestlohn aus. Sie ist nicht bereit, sich bei der Vermögenssteuer zu bewegen. Sie ist nicht bereit, sich bei der Rente mit 67 zu bewegen. Sie ist nicht bereit, sich bei den Hartz-Gesetzen zu bewegen. Das heißt also im Klartext: Dieses Angebot ist eine Gemischtwarenhandlung – ein bisschen links, ein bisschen rechts, ein bisschen immer noch neoliberal. Das ist schon in sich nicht stimmig und nicht glaubwürdig. Und wir werden nicht nachlassen, bis sich die SPD von dieser Agenda 2010 und von den Hartz-Gesetzen verabschiedet.

Zweitens, sie ist auch von den Personen her nicht glaubwürdig. Nun ist ja die ganze Schröder-Truppe nachwievor an der Macht – Steinmeier, Steinbrück und der berühmte Staatssekretär Asmussen. Also alle die Leute, die den Casinokapitalismus in Deutschland eingeführt haben, stellen im Moment die Spitzenmannschaft. Das ist natürlich auch nicht glaubwürdig.

Und das Dritte ist die wahlpolitische Aussage. Wie das jemand in Deutschland abnehmen soll, dass man die Börsenumsatzsteuer und den gesetzlichen Mindestlohn in einer Koalition mit Guido Westerwelle einführen will, nur weil das angeblich wahltaktisch so geboten ist, das ist nicht nachvollziehbar. Deswegen hat die SPD ein mindestens dreifaches Glaubwürdigkeitsproblem. Und das eint die beiden Parteien der großen Koalition.

Wir hoffen, dass in die ganze Sache nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und an der Saar Bewegung kommt. Wir werden uns darauf sehr konzentrieren. Dietmar Bartsch hat es schon gesagt: Wir führen ja diese Wahlkämpfe mindestens auf Augenhöhe mit der dortigen Sozialdemokratie, zum Teil auch ein bisschen darüber. Wir verbinden unseren Wahlantritt in diesen Ländern mit der Erwartung, dass wir einen Richtungswechsel herbeiführen können. Und wir machen das Angebot an die SPD, mit uns diesen Richtungswechsel herbeizuführen. Das wäre dann auch ein deutliches Signal dafür, was in diesem Land insgesamt möglich wäre, wenn die SPD ihre Glaubwürdigkeitsprobleme lösen würde, die sie sich selbst schafft. Dabei muss man es leider im Moment belassen. Es gilt ja immer noch der Satz: Nur nicht mit der LINKEN. Der Thüringer Kandidat, Matschi, hat gesagt, ja, aber nur, wenn er Ministerpräsident wird. Das sind lauter so tolle Sprüche, die von hohem Realitätsverlust zeugen. Da ist der CDU-Ministerpräsident schon realistischer. Er sagt: Althaus oder Ramelow sei die Frage. Im Saarland wäre das Müller oder Lafontaine. So ist das eben. Aber ich hoffe, dass wir in eine Schlussphase des Bundestagswahlkampfes gehen werden, wo aufgrund des Ausgangs dieser drei Landtagswahlen die Phantasie in Deutschland dafür, was eigentlich wirklich in diesem Land an gerechter Politik für die Menschen möglich wäre, sich außerordentlich beflügelt. Dann rate ich der SPD, nach diesen drei Wahlen vielleicht ganz kurzfristig nochmal nachzudenken.