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Katja Kipping

Ein dritter Irak-Krieg ist keine Lösung

Statement von Katja Kipping, Vorsitzende der Partei DIE LINKE, auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus

Guten Tag, ich möchte zu vier Themen etwas sagen: Erstens zu den Wahlen in der Türkei, zweitens zur Lage im Irak, drittens zum Thema Recht auf Urlaub und abschließend zur Forderung nach Reallohnerhöhungen.

Erstens zur Präsidentenwahl in der Türkei: Das Ergebnis des bestätigten Präsidenten Erdogan, ist ärgerlich hoch ausgefallen. Aus linker Sicht möchte ich vor allen Dingen sagen, wir uns sehr über das gute Ergebnis, des von uns unterstützten linken Kandidaten Demirtas, freuen. Er hat fast 10 Prozent der Stimmen bekommen. Das ist ein sehr gutes Ergebnis und zeigt, dass er nicht nur von kurdischen Wählerinnen und Wählern gewählt wurde, sondern darüber hinaus.

Erdogans Politik stand bisher vor allem für Amtsmissbrauch und Demokratieabbau. Als frischgewählter Präsident hat er sofort verkündet, dass er eine Verfassungsänderung plant, die das Präsidentenamt, also seine Macht, vor allen Dingen stärken wird. Und vor diesem Hintergrund ist mir noch einmal wichtig zu unterstreichen, gerade weil Erdogans Politik bisher vor allem für Demokratieabbau und Korruption steht, dass es umso wichtiger ist, eine starke linke Opposition im türkischen Parlament zu haben.

Das Ergebnis des linken Kandidaten Demirtas ist eine gute Grundlage und eine gute Ausgangslage für die Parlamentswahlen, die anstehen. Wir gratulieren dem Kandidaten Demjitasch zu dem Ergebnis.

Zweitens zur Lage im Irak: Die Nachrichten, die uns aus dieser Region erreichen sind dramatisch, schockierend, besorgniserregend. Und angesichts der offenbar zu allem entschlossenen Kämpfer des islamischen Staates (IS) stellt sich die Frage, wie reagiert man darauf, wie geht man damit um. Nun gibt es Parteien, die angesichts des Vormarschs des IS sofort mit wehenden Fahnen nach militärischer Intervention rufen. Ich will ganz klar sagen, wir gehören nicht dazu. Auch in dieser Situation ist unsere gesellschaftliche Funktion als LINKE vor allem, Fragezeichen zu setzen.

Ich bin ausdrücklich dagegen, jetzt sofort und umstandslos in die nächste militärische Intervention zu gehen. Ein dritter Irakkrieg ist keine Lösung, schon deshalb nicht, wenn man sich die Ursachen des jetzigen Bürgerkriegs in dieser Region anschaut. Den Vormarsch des IS gebe es so nicht, wenn es nicht vorher den Einmarsch der USA in den Irak gegeben hätte. Die Terrorbanden der ISIS sind also Geschöpfe einer verfehlten Sicherheitspolitik, die auf militärische Intervention gesetzt hat. Die ISIS hat doch auch deswegen so viel Zulauf, weil die sich USA als Besatzer viele Feinde gemacht haben und vor Ort auf Akteure gesetzt haben, die sich gleichermaßen viele Feinde gemacht haben. Diese Sicherheitspolitik, die auf militärische Intervention und Besatzung setzt, hat in der Vergangenheit gescheiterte Staaten in Serie produziert. Deswegen meinen wir, man kann diese Politik nicht einfach fortsetzen und jetzt die nächste militärische Intervention planen.

Auch bei Waffenlieferungen in diese Region muss man sehr vorsichtig sein. Wie fragwürdig der Ruf nach Waffenlieferungen an eine der Kriegsparteien ist, zeigt sich schon allein durch den Umstand, dass sich dort in dieser Region alle möglichen Parteien mit den gleichen us-amerikanischen Waffen gegenseitig bekämpfen und die Waffen auch gegenseitig erbeuten. Hinzu kommt, dass die kurdischen Milizen, die gerade gegen die ISIS kämpfen und die es geschafft haben den Sicherheitskorridor für die jesidischen Flüchtlinge freizukämpfen, die rufen eben nicht nach Waffen. Sie sagen, dass es jetzt vor allem humanitäre Hilfe in der Region braucht.

Deswegen meinen wir, gibt es drei Punkte, die man sofort in Angriff nehmen könnte, um der humanitären Katastrophe in der Region etwas entgegenzusetzen: Das ist zum einen humanitäre Hilfe. Wenn amerikanische Flieger in der Region Lebensmittel abwerfen, tun sie auf jeden Fall das Richtige. Zweitens, die kurdische Selbstverwaltung muss gestärkt werden und das heißt, hier muss der Nachbarstaat Türkei, der auch NATO- Mitglied ist, deutlich in die Pflicht genommen werden. Auch Erdogan muss man deutlich in die Verantwortung nehmen, so schwer das sein wird. Die Unterstützung oder die zumindest latente Unterstützung der Terrorbanden darf so nicht fortgehen und die Repression gegenüber kurdischer Selbstverwaltung müssen beendet werden. Drittens, die vielen Menschen, die jetzt wirklich in Todesangst fliehen mussten, kann man nicht einfach auf die Nachbarstaaten abwälzen, die ohnehin schon unter einer enormen Flüchtlingswelle leiden. Das heißt, hier ist der Westen gefordert, Flüchtlinge aufzunehmen, um zumindest die Spitze dieser humanitären Katastrophe aufzufangen.

Es ist immer schwierig mit Zahlen, aber man könnte ja mal darüber nachdenken,auf wie viele Einwohner ein Flüchtling kommen könnte. Ich meine wenn jeder Kiez mit 500 Einwohnern einen Flüchtling aufnimmt, dann würde das hier in der Bundesrepublik wahrlich nicht zu einer Überlastung führen - und könnte in den Kriegsregionen deutlich für eine Entlastung sorgen.

Kommen wir zu einem dritten Thema, dem Recht auf Urlaub: Ich freue mich sehr über die Resonanz, die dieser Debattenvorstoß meinerseits erzeugt hat. Die Reaktionen von Sozialverbänden und anderen Parteien zeigen, dass wir ein wichtiges Thema angesprochen haben. Ich will noch mal die Zahl in Erinnerung rufen: Jede zweite Alleinerziehende in diesem Land leistet sich nicht einmal eine Woche Urlaub. Fast 60 Prozent der Armutsgefährdeten in diesem Land leisten sich keinen Urlaub. Es ist einfach so: Armut macht in diesem Land kein Urlaub.

Für mich gehören die Erinnerungen an Familienurlaube mit zu den schönsten Kindheitserinnerungen. Deswegen lässt es mich auch nicht kalt, wenn laut Kinderschutzbund 3 Millionen Kinder in diesem Sommer, überhaupt in diesem Jahr, nicht erfahren, was Urlaub überhaupt bedeutet. Armut hat viele Facetten - das ist uns bewusst, aber der Verzicht auf Urlaub, auf Begegnungen, auf Tapetenwechsel ist eine davon. Und es war uns wichtig, war mir wichtig, das zu thematisieren - gerade in der Zeit, in der man sich darüber austauscht, wie der Urlaub war. Es war mir wichtig, zu thematisieren, dass es viele Menschen in diesem Land gibt, die nicht erleben können, was Urlaub bedeutet.

Nun gebe es ein sehr einfaches, universelles Mittel dagegen. Man könnte nämlich die Armut abschaffen, dafür bräuchte es deutlich höhere Löhne und deutlich bessere und andere Sozialleistungen. Hartz IV müsste ersetzt werden, mindestens durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung, das Wohngeld müsste aufgestockt werden… Für diese weitreichenden Ziele werden wir als LINKE weiterhin kämpfen. Bisher haben wir von den anderen Fraktionen im Bundestag bei diesem Kampf nur sehr wenig Unterstützung bekommen. Umso mehr freut es mich jetzt, dass wir zumindest bei diesem Detailproblem der Armut, nämlich dem nichtvorhandenen Recht auf einen Urlaub, Unterstützung erreicht haben.

Ich habe sehr konkret eine Zahl ins Gespräch gebracht: 500 Euro. Diese Zahl orientiert sich an der Summe, die man als Erwachsener in einer Jugendherberge im Familienzimmer mit Vollpansion bezahlen muss. Aber wie gesagt, den Betroffenen soll freigestellt werden, wie sie das Geld anwenden wollen, ob sie es beim Reisebüro anwenden oder sich Fahrkarten von der Bahn leisten, ob sie damit wandern gehen oder an einen See zum Entspannen fahren - das müssen natürlich jede und jeder selber entscheiden. Es war ein ganz konkreter Vorschlag meinerseits, auf eine Problemlage hinzuweisen und, wenn jetzt aus den verschiedensten Parteien Sensibilität geäußert wird, sollte doch eine konkrete Lösung nicht an ideologischen Schranken scheitern. Für diesen Sommer wird es leider zu spät sein, aber spätestens für nächstes Sommer müsste man noch einige Lösungen in Angriff nehmen können.

Zum vierten Thema, den Lohndebatten: Der Vorsitzende des DGB, Reiner Hoffmann, hat deutliche Reallohnerhöhungen gefordert und das zu Recht. Er hat dafür von den unterschiedlichsten Parteien Unterstützung erhalten, zumindest rhetorischer Art.

Wir als LINKE stehen voll und ganz hinter dieser Forderung und wir sagen auch, es gibt im deutschen Arbeits- und Sozialrecht mehrere Lohnbremsen, die teilweise von politischen Parteien ausdrücklich installiert wurden. Ich möchte einige nennen: Jemand der nur einen Leiharbeitsplatz hat und Angst, dass dieser bald wieder endet; jemand, der nur befristet arbeitet und sich schon Gedanken machen muss, wo der nächste Anschluss ist; jemand der Angst hat vor den Sanktionen in Hartz IV; Angst hat, bei Verlust des Jobs in ein System von Schikane und Armut zu fallen, dessen Verhandlungsmacht ist natürlich geschwächt.

Und wir als LINKE sagen ganz klar: Wenn es jetzt Beifall aus der Politik für die Forderung nach Reallohnsteigerungen gibt, dann ist es nur recht und billig, die entsprechenden Personen beim Wort zu nehmen und ganz klar zu fordern, lasst uns folgende drei Lohnbremsen endlich lösen: Erstens Abschaffung sachgrundloser Befristung, zweitens Gleichstellung von Leiharbeit und einen 10 prozentigem Flexibilitätszuschlag und drittens Abschaffung des Hartz IV Sanktionssystems.