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Ein Ereignis in der Geschichte Deutschlands

Statement von Gregor Gysi auf der Pressekonferenz in der Berliner Kulturbrauerei

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe das gestern schon gesagt: Das ist wirklich ein herausragendes Ereignis in der Geschichte Deutschlands. Seit 1949 hat es in der Bundesrepublik noch nie ein zweistelliges Wahlergebnis für eine politische Kraft links von der Sozialdemokratie bei einer Bundestagswahl gegeben. Das ist wirklich eine gravierende Veränderung, weil es vor allem in den alten Bundesländern erhebliche Schwierigkeiten im Umgang mit einer Partei links von der Sozialdemokratie gab und wahrscheinlich auch zum Teil noch gibt. Trotzdem ist dort eine Akzeptanz erreicht worden, die erstaunlich ist. Dazu zähle ich auch die Einzelergebnisse in den verschiedenen Bundesländern. Wir sind in den westdeutschen Ländern überall über der 5-Prozent-Marke und im Osten teilweise stärkste Kraft geworden. Das ist schon beachtlich. Das hatten wir so ja auch noch nicht erreicht.

Zweitens: Ich denke, wir haben damit auch Veränderungen in der Gesellschaft eingeleitet. Die SPD kann unmöglich so bleiben, wie sie gegenwärtig ist. Sie ist von Schröder entsozialdemokratisiert worden, und sie steht vor der Frage, bleibt sie eine zweite Union, oder wird sie wenigstens wieder eine sozialdemokratische Partei. Also findet eine Resozialdemokratisierung statt? Ich vermute, dass der zweite Prozess eingeleitet wird. Ich weiß nicht, wie schwierig es wird. Ich weiß nicht, wie lange es dauert. Es geht natürlich leichter, weil die SPD in der Opposition sitzt. Säße sie jetzt weiter in der Regierung, dann würde ihr die ganze Umstrukturierung deutlich schwerer fallen - um das mal vorsichtig zu formulieren.

Aber ich glaube, das Ganze bleibt auch nicht ohne Wirkung auf die Grünen. Es bleibt auch nicht ohne Wirkung auf die Union. Bei der FDP haben wir keine Wirkung. Das ist ein ganz anderer Fall. Sie ist - wie ich finde - unberechtigt stark geworden. Aber ich gehe davon aus, dass es da bei der nächsten Wahl wieder eine Korrektur gibt.

Wir haben einen sehr engagierten Wahlkampf geführt. Wirklich Tausende und Abertausende Mitglieder und Sympathisantinnen und Sympathisanten haben gekämpft, und ohne, dass die Mitglieder Leidenschaft entwickeln und einen so engagierten Wahlkampf führen, kann man einen Wahlkampf gar nicht erfolgreich gestalten. Dazu gehören aber natürlich auch Verantwortliche, die ich ausnahmsweise mal erwähnen möchte. Ich möchte dem Wahlkampfleiter Dietmar Bartsch für sein Engagement wirklich danken, und ich möchte auch Claudia Gohde aus dem Parteivorstand danken, die sehr viel dafür getan hat. Leider vergisst man es immer an einem Wahlabend, wer eigentlich die konkrete Arbeit geleistet hat. Ich möchte es aber heute nicht vergessen.

Im Bundestag selbst werden wir weiterhin Opposition sein. Wir werden weiterhin von den Anderen eher als Störenfried wahrgenommen werden. Das ist auch alles gar nicht so tragisch. Wir müssen uns ja nicht so umstellen, wie sich die SPD umstellen muss, und wir haben im Wahlprogramm und darüber hinaus jene politischen Schwerpunkte bestimmt, für die wir uns auch weiterhin engagieren werden. Trotzdem kann auch unsere Rolle nicht die gleiche bleiben, denn wir sind deutlich gestärkt. Wir haben ja nicht nur eine größere Zahl von Abgeordneten, sondern damit verbunden auch eine größere Verantwortung, der wir sowohl im Bundestag als auch außerhalb des Bundestages gerecht werden müssen. Das alles klingt vielleicht einfach, aber ist es nicht. Aber ich freue mich auf diese größeren Herausforderungen. Im übrigen ist unsere Fraktion so zusammengesetzt, dass sie den Pluralismus unserer Partei hervorragend widerspiegelt. Das macht ja Spaß, sowas zu leiten und dort die Vereinigung real werden zu lassen, die in der Partei gegenwärtig auch stattfindet.

Ich freue mich über beide Landtagswahlergebnisse, über das gute Ergebnis in Brandenburg insbesondere. Ich bin wirklich auch ein bisschen stolz darauf, bei allen Attacken, die es gegeben hat, dass wir es geschafft haben, mit unserer Spitzenkandidatin in Schleswig-Holstein in den Landtag einzuziehen. Ich bitte Sie, das ist jetzt der zwölfte Landtag, in den wir einziehen. Es fehlen noch vier, und die schaffen wir auch noch. Da kommt NRW. Da müssen wir uns sehr anstrengen. Aber wir werden uns im nächsten Jahr auch sehr anstrengen. Dann müssen wir nur noch Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und zum Schluss Bayern packen. Und wenn wir in Bayern einziehen, dann gebe ich für Sie einen aus.