Ein Gipfel mit Ergebnissen im Null-Komma-Bereich
Statement des Bundesgeschäftsführers Dietmar Bartsch auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus nach der Sitzung des Geschäftsführenden Parteivorstandes am 15. Dezember 2008:
Sehr geehrte Damen und Herren, einen schönen guten Tag zur wahrscheinlich letzten Pressekonferenz, die ich in diesem Jahr in diesem Hause machen werde. Lassen Sie mich zunächst ein paar Bemerkungen zum Wirtschaftsgipfel im Kanzleramt sagen. Es ist schon interessant, dass dort eine große Runde offensichtlich sehr, sehr viel gesagt hat – aber die Ergebnisse dann doch im Null-Komma-Bereich liegen. Unsere Position ist, dass permanente Gipfel keine solide Politik ersetzen. Dieser Gipfel hat faktisch gar keine Ergebnisse gebracht. Die Große Koalition ist eine Ankündigungskoalition. Ich bin sehr gespannt, ob die Ankündigungen, dass die großen Unternehmen keine Entlassungen vornehmen wollen, dann auch so eintreten werden. Dies ist doch alles mit Fragezeichen verbunden. Ich kann nur sagen, die Kanzlerin ist offensichtlich Spitze, was die Krisenkommunikation betrifft, nicht aber Spitze, was das Handeln und das Krisenmanagement betrifft.
Die LINKE fordert seit Wochen ein wirkliches Konjunkturpaket in Höhe von 50 Milliarden Euro. Das wäre notwendig, um gegenzusteuern. Andere Länder in Europa und in der Welt haben entsprechende Maßnahmen beschlossen. Wir wollen Investitionen in Infrastruktur und Bildung. Nötig wäre: Weniger Gespräche, mehr Handeln. Im Übrigen – wenn die Amtseinführung von Obama ein Maßstab für das Handeln der Regierung sein soll, ist das wirklich kurios, denn dann wäre das nächste Mal "Handeln" doch noch ziemlich weit entfernt.
Wir hatten heute die letzte Sitzung des Geschäftsführenden Parteivorstandes in diesem Jahr. Wir haben uns noch einmal mit der aktuellen Situation sowohl mit Blick auf den Wirtschaftsgipfel als auch mit einem Rückblick auf das vergangene Jahr befasst. Wir können feststellen, dass die Bundesregierung in diesem Jahr zum Handeln offensichtlich nicht mehr fähig war. Sie verschließt die Augen vor den Problemen, die wir im Land haben. Die Folgen der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise sind – was den Rettungsschirm für die Banken betrifft – zwar sehr, sehr schnell gezogen worden. Aber was die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betrifft, ist außer der Verlängerung des Kurzarbeitergeldes wenig Konkretes entschieden worden.
Ich will zu drei Punkten, die am Wochenende noch einmal eine größere Rolle spielten, ein paar Bemerkungen machen. Das erste ist das Thema Erbschaftssteuer, zu dem Franz Müntefering gesagt hat, die Erbschaftssteuer müsse in der nächsten Legislatur noch einmal aufgerufen werden. Damit bin ich sehr einverstanden. Das muss geschehen, weil das bisherige Aufkommen von 4 Milliarden Euro einfach inakzeptabel ist. Und da geht es nicht um diese künstliche Diskussion um Betriebsübergänge. Auch die LINKE will nicht, dass damit Arbeitsplätze und Unternehmen gefährdet werden. Aber wir wollen, dass riesige Geld- und Immobilienvermögen höher besteuert werden. Sie wissen, ich habe das an dieser Stelle mehrfach gesagt und wiederhole das gern: Hätten wir eine Erbschaftssteuer wie in den Vereinigten Staaten, würden wir ein deutlich höheres Aufkommen erzielen können.
Ich will auch zum Thema Mindestlohn noch einmal etwas sagen. Hier werden seitens der SPD wirklich bühnenreife Pirouetten gedreht. Es hätte längst einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn geben können, wenn man denn gewollt hätte. Das Gute ist, dass an der einen oder anderen Stelle in der einen oder anderen Branche dies durchgesetzt worden ist. Aber eigentlich – und wir wollen das 2009 sehr wohl auch für die Auseinandersetzung nutzen – hätte der Mindestlohn schon lange durchgesetzt werden können.
Nicht zuletzt zum Thema Pendlerpauschale: Was Frau Merkel da im Sinne von Konjunktur gesagt hat, das schlägt dem Fass doch den Boden aus! Erst wird dagegen gekämpft, auch juristisch, und dann wird gesagt, wir sind diejenigen, die dieses jetzt nutzen für einen Konjunkturimpuls. Das ist wirklich überhaupt nicht zu akzeptieren. Das Bundesverfassungsgericht macht hier die Hausaufgaben der Bundesregierung. Die LINKE hat – interessanterweise gemeinsam mit der CSU – lange gefordert, wieder die Pendlerpauschale ab dem 1. Kilometer zu zahlen. Und wir fordern jetzt, wenn es denn eine Neuregelung gibt, auch wirklich eine Neuregelung, die den Namen verdient und die insbesondere auch dazu führt, dass diejenigen, die ein so geringes Einkommen haben, dass sie bisher nicht von der Pendlerpauschale profitieren, dann auch Nutznießer sein können.
Da dies nun die letzte Pressekonferenz in diesem Jahr ist, möchte ich erstens ein paar wenige Bemerkungen zum zurückliegenden Jahr 2008 machen. Das Jahr war für DIE LINKE das erfolgreichste Jahr seit ihrer Existenz. Sie wissen, DIE LINKE existiert noch nicht so lange, aber dieses Jahr war für uns in besonderer Weise erfolgreich. Sie kennen die Wahlergebnisse: nicht nur der Einzug in die Landtage von Niedersachsen, Hessen und Hamburg, sondern sehr wohl auch die Kommunalwahlergebnisse in Schleswig-Holstein und in besonderer Weise in Brandenburg, diverse Einzelergebnisse wie natürlich zu allererst die Oberbürgermeisterwahl in Schwerin, wo wir erstmalig in einer Landeshauptstadt eine Oberbürgermeisterin stellen – für die LINKE war es also ein sehr erfolgreiches Wahljahr.
Zweitens will ich hervorheben, dass der positive Trend bei der Mitgliederentwicklung in diesem Jahr fortgesetzt werden konnte. Wir werden zum Jahresende ca. 76.700 Mitglieder haben. Die genaue Zahl steht erst Anfang des nächsten Jahres fest. Das ist per Saldo ein Plus von 5.000 – zum Ende des letzten Jahres hatten wir 71.711 Mitglieder. Das, finde ich, kann sich sehen lassen, das habe selbst ich zu Beginn des Jahres kaum für möglich gehalten. Wenn ich vielleicht einen Landesverband erwähnen darf, in Nordrhein-Westfalen liegt per 10. Dezember die Mitgliederzahl bei 7.734 – das ist ein Landesverband, der bei weniger als der Hälfte lag, als die Partei DIE LINKE gegründet worden ist. Netto sind 1.868 Mitglieder dazu gekommen. NRW erwähne ich auch deshalb, weil dieses Land natürlich für uns strategische Bedeutung hat. Dort werden Kommunalwahlen im nächsten Jahr stattfinden. Und da kann es – und ich hoffe, dass es so sein wird – von einem zum anderen Tag gleich tausend Kommunalvertreterinnen und Kommunalvertreter der LINKEN mehr geben, was wirklich ein Durchbruch wäre auch für die Arbeit in diesem Bundesland. Nicht umsonst führen wir ja, wie Sie wissen, auch unseren Bundesparteitag im schönen Essen in Nordrhein-Westfalen durch.
Drittens will ich aber zum Erfolgsjahr der LINKEN auch noch sagen, dass es uns gelungen ist, die politische Agenda in Deutschland wesentlich zu beeinflussen und nicht nur Diskussionen anzuschieben, sondern an der einen oder anderen Stelle auch wirklich für Veränderungen zu sorgen, die es ohne uns nie gegeben hätte. Ich will nicht nur an die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I erinnern, was ja von der Großen Koalition anders beschlossen war. Ich erinnere auch an Mindestlöhne in einigen Branchen oder an die Diskussion über Managergehälter. Die LINKE hatte eine Begrenzung der Jahresgehälter auf 600.000 Euro vorgeschlagen. Das wurde als Populismus und ähnliches bezeichnet. Jetzt ist es so, dass Herr Steinbrück eine Begrenzung auf 500.000 Euro fordert. Aber auch Veränderungen, wie zum Beispiel, dass es in Hessen keine Studiengebühren mehr gibt, ist ein Erfolg, denn das ist natürlich durch unseren Einzug in den Landtag und eine Mehrheit dafür im Landtag geschehen. Darauf können wir stolz sein als LINKE. Und ich will auch erwähnen, dass wir bei allen Umfrageinstituten im zweistelligen Bereich liegen. Manchmal wird dann gefragt, warum die LINKE nicht noch mehr von den aktuellen Geschehnissen profitiert. Ich glaube, dass im nächsten Jahr die Chance ziemlich groß ist, das wirklich hinzubekommen. Zumindest wollen wir alles daran setzen, dieses zu erreichen.
Zuletzt will ich noch berichten, dass sich heute der Geschäftsführende Vorstand und das Präsidium des Bundesausschusses auch mit einem Vorschlag zur Wahl der Europaliste befasst haben. Ich will noch einmal darauf aufmerksam machen, dass der Parteitag in Essen am 28. Februar und 1. März 2009 diese Liste beschließen wird. Zu dieser Wahl wird es im Januar einen Vorschlag des Bundesausschusses geben. Heute gab es eine Verständigung und ein einmütiges Votum zu den ersten Listenplätzen gab. Wir wollen insgesamt eine Liste von 30 Kandidatinnen und Kandidaten wählen. Ich hatte hier schon erwähnt, das ist heute auch noch einmal einstimmig unterstützt worden, dass Lothar Bisky die Liste für die LINKE zu den Europawahlen anführen soll. Ich brauche zu Lothar Bisky weiter nichts zu sagen. Auf Platz 2 – so unser Vorschlag – soll Sabine Wils stehen, eine Gewerkschafterin aus Hamburg. Auf Platz 3 Gabriele Zimmer, die aus Thüringen kommt, jetzt unsere Gruppe im Europaparlament führt und auch national sehr aktiv ist. Auf Platz 4 – so unser Vorschlag – steht Thomas Händel, einer der Gründer der WASG und einer derjenigen, der den gesamten Prozess der Parteibildung sehr intensiv und aktiv begleitet haben. Er ist Gewerkschafter der IG Metall und kommt aus Bayern. Auf Platz 5 folgt die Landesvorsitzende unserer Partei aus Sachsen, Cornelia Ernst, die seit vielen Jahren im Landtag von Sachsen ist. Sie ist dort migrationspolitische Sprecherin und ebenfalls auf dem Gebiet der Innenpolitik sehr aktiv. Auf Platz 6 schlagen wir Jürgen Klute, Sozialpfarrer und Mitglied des Parteivorstandes aus dem Landesverband Nordrhein-Westfalen vor. Die komplette Vorschlagsliste wird dann auch im Internet nachzulesen sein.
Wie gesagt – es ist ein Vorschlag, aber einer, der mich zuversichtlich stimmt, dass wir bei den Europawahlen unser Ziel, nämlich 10 plus X zu erreichen – auch schaffen werden, wir werden jedenfalls alle Anstrengungen dazu unternehmen. Wir sind auch was das Europawahlprogramm betrifft, einen deutlichen Schritt weiter.
Wir werden im nächsten Jahr entschlossen unsere Ziele angehen. Wir haben, wie Sie vielleicht wissen, am Freitag eine Spendenkampagne gestartet, deren Ziel es ist, über eine halbe Million Euro an Spenden zu erzielen. Wir erhalten im Gegensatz zu anderen Parteien keine Spenden von großen Unternehmen, auch nicht von Banken. Aber wir hoffen, dass wir über unsere Sympathisantinnen und Sympathisanten Spenden in der genannten Größenordnung zusammenbekommen können.
Also: Das Jahr 2008 war ein erfolgreiches Jahr und hat die Grundlagen für 2009 gelegt. 2009 wird - wie der Name völlig zu recht sagt – ein Wahl-Kampf-Jahr und nicht Wahl-Ausruhen sein.