Ein optimistischer Auftakt für dieses Jahr
Statements von Lothar Bisky, Dietmar Bartsch, Willi van Ooyen und Ulrich Maurer im Anschluß an die Sitzung des Parteivorstandes am Tag nach der Landtagswahl in Hessen
Lothar Bisky:
Sehr geehrte Damen und Herren, für uns war immer die Frage: Gelingt es, uns in den alten Bundesländern fest zu verankern? Seit gestern sind wir schlauer: 5,4 Prozent, das ist für mich ein deutlicher Fortschritt. In nur einem Jahr hatte die Fraktion und hatte auch der Landesverband durchaus Schwierigkeiten, linke Politik deutlich zu machen. Ein Jahr ist ja relativ schnell vergangen, zumal das Hauptziel, Koch abzuwählen, immer noch nicht so gelungen ist. Aber, dass wir als LINKE in Hessen wiedergewählt wurden, zeigt, wir haben die Chance, auch als landespolitische Kraft im Westen Fuß zu fassen.
Wir haben in diesem Jahr eine Reihe weiterer Wahlen, beispielsweise Kommunalwahlen im Westen, die für uns sehr wichtig sind. Das ist ein optimistischer Auftakt für 2009.
Das zweite, was ich sagen möchte: Es ist sehr bedeutend für die Bundespartei. Wir wollen gesamtdeutsch wirken. Wir wollen die Differenz, sehr stark in den neuen Ländern und sehr schwach in den alten Ländern, verringern. Wir wollen in den neuen Ländern stark bleiben, und in den alten Ländern stärker werden als bisher. Dafür gibt Hessen ein gutes Beispiel.
Das dritte, was ich sagen möchte: Ich war selber erstaunt, weil ich ja in diesem Monat zweimal mit vielen Vertretern der Europäischen Linkspartei zusammen war und gerade aus Athen komme, wo wir uns mit Jugendlichen, also mit Schülern und Studenten, verständigt haben, die am Aufruhr teilgenommen hatten, dass in Europa die Hessen-Wahl eine große Rolle spielt. Die anderen Parteien schauen sehr aufmerksam, was geht in Deutschland vor sich, weil die Hoffnung besteht: Wenn DIE LINKE in Deutschland nicht schwächer wird, sondern stärker wird, dann könnte es für die Europäische Linke von Bedeutung werden. Dieses große Interesse ist wichtig, auch für uns. Ich freue mich, dass Hessen eine positive Botschaft an die Linken in den europäischen Ländern gibt.
Die vierte Bemerkung, die ich machen möchte: Das ist ganz eindeutig ein guter Auftakt für dieses Wahljahr. Wir haben ja weitere Wahlen. Aber ich will das hier noch einmal sagen: Lieber Willi, Ihr habt uns gut in dieses Jahr hineingebracht, und dafür möchte ich mich auch ganz herzlich bedanken.
Dietmar Bartsch:
Meine Damen und Herren, ich kann da anschließen: Sowohl im Parteivorstand als auch im geschäftsführenden Vorstand war die Freude über unser Wahlergebnis in Hessen natürlich riesig groß. Wir haben in der letzten Woche erleben müssen, dass Viele daran gezweifelt haben. Wir waren zwar sicher – jedenfalls nach außen hin –, dafür ist die Freude jetzt sehr, sehr groß. Wir haben der hessischen Landespartei, natürlich im Besonderen dem Spitzenkandidaten Willi van Ooyen, ganz herzlich zu diesem Wahlerfolg gratuliert. Die Hessen hatten vor einem Jahr gesagt: Wir sind gekommen, um zu bleiben. Sie haben dieses Versprechen eingehalten. Sie bleiben jetzt für fünf Jahre im Landtag. Der Wiedereinzug in ein westdeutsches Landesparlament ist uns erstmalig gelungen, und darüber sind wir froh und darauf sind wir stolz.
Die hessische LINKE hat in dem einen Jahr sehr zuverlässig agiert. An uns ist die Abwahl von Roland Koch nicht gescheitert. Ich will das gerade am heutigen Tag nochmal betonen. Wir hatten einen sehr intensiven, vor allem einen Medienwahlkampf, der für uns nicht leicht war. Wir haben auch – völlig unbestritten – eigene Fehler gemacht. Einige Wenige in der hessischen Partei haben versucht - und wurden dann hier und da von dem einen oder anderem Medium kräftig unterstützt - uns unter die 5 Prozent zu bringen. Das ist nicht gelungen.
Dritte Bemerkung: Ich will darauf hinweisen, dass die Parteien der Großen Koalition ein weiteres Mal zusammen heftig verloren haben. Das ist der Trend bei allen vergangenen Landtagswahlen. Es ist ein Zeichen dafür, dass es offensichtlich mit der Politik, die hier in Berlin gemacht wird, zusammenhängt. Das ist eine Niederlage für die Parteien, die angeblich die Finanzmarktkrise beherrschen – nein, sie beherrschen sie überhaupt nicht. Ich will besonders hervorheben, dass das Wahlergebnis in dem Wahlkreis von Frau Metzger für die SPD mit minus 18 Prozent besonders heftig ausgefallen ist. Die SPD hat die Quittung dafür bekommen, dass sie den Politikwechsel letztlich nicht hinbekommen hat. Ich finde es dennoch sehr bedauerlich, dass der Ministerpräsident in Hessen nach Lage der Dinge Roland Koch heißen wird.
Eine vierte Bemerkung sei mir gestattet: Ich freue mich besonders, dass wir unser Ergebnis bei den Erstwählern prozentual verdoppeln konnten, dass wir insgesamt bei der Wählerstruktur eine Verjüngung unseres Wählerpotentials haben. Wir haben bei den unter 30-Jährigen zugelegt, und wir haben bei den 30- bis 40-Jährigen zugelegt. Das macht mich hoffnungsfroh, auch mit Blick auf die anstehenden Wahlen in diesem Jahr. Kommunalwahlen in den alten Ländern sind für uns eine riesige Herausforderung. Wir werden am 7. Juni allein in Nordrhein-Westfalen mehr als 1000 Kommunalabgeordnete gewinnen, in anderen Ländern auch deutlich zulegen. Das ist eine Herausforderung. Da hat uns die hessische Linkspartei geholfen. Ich bin froh, dass wir so in das Wahljahr gehen konnten, und wir haben das letzte Mal am gestrigen Sonntag um die 5 Prozent gezittert, denn bei den anstehenden Landtagswahlen im Saarland, in Thüringen und in Sachsen setzen wir – wie Sie wissen –auf Sieg. Wir gehen mit Ministerpräsidenten-Kandidaten an den Start. In Brandenburg wird das ähnlich sein. Bei der Bundes- und Europawahl sind die Ziele klar benannt – 10 Prozent plus X. Ich glaube, seit gestern ist das ein Stück wahrscheinlicher geworden. Dankeschön!
Willi van Ooyen:
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es war sicherlich ein Wahlkampf, der ziemlich unnormal war – um das mal so zu charakterisieren. Es gab in den Auseinandersetzungen im Wahlkampf auf der Straße kaum eine polarisierte Situation. Wenn ich mich daran erinnere, dass wir im vergangenen Jahr keine Veranstaltung durchgeführt haben, bei der nicht die Junge Union vor den Türen stand und mit irgendwelchen Transparenten und Aktionen den Kommunismus aus Hessen verbannen wollte. Diesmal war es ruhig, es war still. Es ging im Grunde genommen zwar um die Krise, aber es war keine deutliche inhaltliche Debatte, wie denn diese Krise zu lösen wäre. Wir waren die Einzigen, die sehr konkret und entschieden auch die Frage thematisiert haben: Wer soll denn diese Krise zahlen? Es ging um die Steuerfragen. Es ging um eine andere Politik. Es ging darum, dass nicht wieder diejenigen, die bei Agenda 2010 gelandet sind, in Hartz IV, diejenigen sind, die die Kosten zu übernehmen haben, das betrifft auch die Rentner. Das waren sicherlich Punkte, die ganz schwierig waren.
Die Medien haben sich sehr um unsere Mitgliedschaft „gekümmert“, um Einzelne, die ausgetreten sind. Es wäre ja für die Medien ganz interessant gewesen, wenn sie schon die Partei für sehr desolat halten, die Frage zu stellen: Wieso treten da Hunderte von Leuten ein? Wir haben immerhin fast ein Drittel neuer Mitglieder in einem Jahr gewonnen. Das verändert natürlich die politische Situation.
Es war ein sicherlich kompliziertes Jahr, weil wir immer wieder gefragt wurden, ob wir in der Lage wären, eine solche politische Formation wie Grüne und Sozialdemokratie sie darstellen, zu unterstützen. Das musste immer mit der Partei zurückgekoppelt werden. Ich darf daran erinnern, dass wir im Prozess einer Mitgliederbefragung feststellen konnten, dass 90 Prozent dieser Mitgliedschaft diese politischen Positionen tragen. Das war für uns der Garant dafür, dass wir eine solche politische Position dann vertreten haben. Sicher gab es 10 Prozent, die – aus sehr unterschiedlichen Gründen – gesagt haben: Wir wollen nicht, dass die SPD wieder an die Regierung kommt, weil wir gerade aus der SPD ausgetreten sind. Es hat auch andere gegeben, die gesagt haben: Man muss jetzt auch in eine Koalition eintreten. Man muss dann sehr konkret die Forderungen weiter nach vorne drängen. Man darf da nicht stehen-bleiben bei der Abschaffung der Studiengebühren. Dritte haben gesagt, dass man natürlich überhaupt nicht in eine Gemengelange mit den anderen Parteien kommen will, sondern tatsächlich Oppositionsgeist versprühen sollte.
Jetzt haben wir die Chance, oppositionellen Geist zu entwickeln und mit vielen neuen Mitgliedern zu diskutieren. Wir werden unsere Anstrengung verstärken, in der außerparlamentarischen Bewegung einiges an Akzenten neu zu setzen. Wir werden in der Woche vom 28. März bis zum 4. April den Zusammenhang von Krieg und Krise betonen. Der G20-Gipfel ist Anlass, europaweit am 28. März zu demonstrieren. Dazu laufen jetzt die Vorbereitungen. Der 60. Geburtstag der NATO wird uns Gelegenheit geben, uns erneut öffentlich gegen Krieg und Kriegsvorbereitungspolitik zu stellen.
Ich gehe davon aus, dass unser Wahlkampfthemen, noch nicht endgültig bei den Menschen angekommen sind – Stichwort Krise und welche Lösungsansätze haben wir. Wir werden weiter daran arbeiten – auch mit unseren parlamentarischen Möglichkeiten. Natürlich werden wir auch weiter daran arbeiten, die Partei neu zu strukturieren, neu aufzubauen und zu vergrößern, um damit auch schlagkräftiger die politischen Auseinandersetzungen der Zukunft führen zu können. Vielen Dank!
Ulrich Maurer:
Ich darf Ihnen mitteilen, dass alleine im Verlauf des gestrigen Wahlabends mehr Menschen bei uns in Hessen eingetreten sind als die, die uns vorher unter großer Medienbeachtung verlassen haben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass natürlich diese Neueingetretenen dieselbe Medienbeachtung finden werden… Ich will hinzufügen, dass wir uns natürlich darüber im Klaren waren, dass wir von Seiten unserer politischen Konkurrenz und auch einem sehr beachteten demoskopischen Institutes bis in die Schlussphase hinein dem angestrengten Versuch gegenüber gesehen haben, uns unter Wasser zu drücken und in eine Negativspirale für die kommenden Wahlen zu schicken. Das ist nicht gelungen. Deswegen war der gestrige Wahlausgang für uns ganz herausragend.
Es ist völlig klar, dass das eine positive Startbedingung für das kommende Wahljahr setzt. Wir glauben, dass wir uns jetzt auf einer Erfolgsspur bewegen können. Dietmar Bartsch hat gesagt, was wir da erwarten. Ich glaube, schon die Europawahlen und die Kommunalwahlen werden zeigen, dass DIE LINKE in Deutschland ständig wächst und stärker wird.
Ich möchte etwas zum Abschneiden der anderen Parteien sagen: Ich erkenne, dass die Union unter Frau Merkel dabei ist, ihren wirtschaftsliberalen und Steuersenkungsflügel an die FDP abzutreten. Ich will deutlich sagen, dass ich die Art und Weise, wie die SPD-Führung mit dieser katastrophalen Niederlage in Hessen umgeht, für völlig unangemessen halte. Frau Ypsilanti ist damals nicht von selbst auf die verheerende Idee gekommen, jede Koalition mit uns vor der Wahl auszuschließen. Das haben ihr Andere beigebracht. Das war der Beginn dieser Kette von Desastern, die die hessische SPD dann erlebt hat. Die Art und Weise, wie sich - angefangen vom Kanzlerkandidaten - alle in die Büsche schlagen und sagen: Die Jungfrau wird verbrannt, und damit hat es sich. Diese Art und Weise, wie hier vorgegangen wurde, ist völlig unangemessen.
Ich glaube, dass unsere Fraktion in Hessen die Gewähr dafür bietet, dass wir dort eine ganz klare und entschiedene Oppositionsarbeit leisten werden. Wir werden das in Zeiten tun, in denen die Versuche, das Desaster der Fehlspekulationen zulasten der breiten Masse der Bevölkerung zu verteilen, zunehmen werden. Ich beobachte das ja. Es ist eine geradezu irrsinnige Idee, das Geld der Spekulanten mit Hilfe der Gründung einer Bad Bank der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland überzuhelfen. Das ist ein unglaublicher Vorgang, das will ich deutlich sagen. Das wäre neben dem Irrwitz des Engagements bei der Commerzbank die Krönung des Ganzen. Die breite Masse der abhängig Beschäftigten soll also nach dieser Vorstellung 300 Milliarden stemmen, damit die Herrn Spekulanten mit ihren faulen Papieren nicht unmittelbar von Insolvenzen und Verlusten betroffen sein werden. Wir müssen die Auseinandersetzungslinie der kommenden Monate markieren: Wer trägt die Lasten dessen, was von diesem Finanzmarktkapitalismus angerichtet worden ist. Da will ich deutlich sagen: Nicht nur in Hessen, sondern auch in allen anderen Landtagen, werden wir uns aufstellen als die Partei der Gerechtigkeit und der sozialen Verteidigung dessen, was da jetzt an Sozialisierung der Verluste geplant ist. Noch äußert sich Herr Steinbrück gegnerisch zur Bad Bank, aber er war ja auch schon bereit war, 18 Milliarden Euro zu zahlen für eine Bank, die keine 3 Milliarden Euro wert ist, um dafür 25 Prozent von diesen 3 Milliarden Euro als stimmberechtigte Aktien zu bekommen. Das zeigt, man muss das Schlimmste von dieser Regierung erwarten. Ich glaube übrigens, dass die Zeit der Scheinkompetenz der Bundesregierung, die Finanzmarktkrise mit ein paar Englischbrocken und viel Getue zu bewältigen, jetzt zu ende geht. Die Fragen werden härter werden. Die entscheidende Frage wird sein: Wer steht auf wessen Seite bei den Verteilungskonflikten, die jetzt unabwendbar sind?