Erfolgreiche Demonstrationen gegen die Krise
Statement von Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus
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Einen schönen guten Tag, meine Damen und Herren, ich möchte gern zu sechs Punkten etwas sagen. Als erstes eine Bemerkung zu den Demonstrationen, die am Wochenende europaweit stattgefunden haben: Wir hatten in vielen Städten erfolgreiche Demonstrationen gegen die Krise und ihre Folgen für die Bürgerinnen und Bürger. Wir sehen die Demonstrationen in Berlin und in Frankfurt am Main als einen großen Erfolg an. Zehntausende waren auf der Straße. Das war ein sichtbares Zeichen für den Beginn von Protesten, die im Laufe dieses Jahres verstärkt und kontinuierlich fortgesetzt werden sollen. Ich bin auch froh, dass auf der Demonstrationen in Berlin Gregor Gysi und in Frankfurt am Main Oskar Lafontaine geredet haben. Wir werden morgen als Partei unsere Aktivitäten, insbesondere, was die Frage des "Schutzschirms für die Menschen" betrifft, fortsetzen. Wir werden morgen an über 100 Stellen vor Arbeitsagenturen und Betrieben protestieren. Wir wollen die Verkündung der Arbeitslosenzahlen nutzen, um unsere Positionen deutlich zu machen. Es ist völlig klar: Der Anstieg der Arbeitslosenzahlen wird vorangehen. Er wird im Moment durch die Kurzarbeiterregelungen begrenzt. Wir werden morgen schon ab 7.00 Uhr vor den ersten Arbeitsagenturen stehen und den ganzen Tag – ob in Berlin oder in Duisburg – an vielen Stellen deutlich machen, dass es nicht nur darum gehen kann, Banken, die angeblich notleidend genannt werden, zu retten, sondern es muss um die Menschen in diesem Land gehen. Deshalb gibt es unsere Proteste, und zwar deutschlandweit. Wir wollen einen Rettungsschirm für die Menschen und nicht zuallererst für die Banken.
Eine zweite Bemerkung, will ich zur großen Koalition der Regierung machen, die sich offensichtlich an jedem Tag umfangreich zu sozialen Ängsten und ähnlichem äußert, aber ansonsten nicht wirklich handelt. Ich will heute die Bundesregierung, insbesondere Frau Merkel, aufrufen, das G-20-Treffen in dieser Woche zu nutzen, nicht nur um über die Regulierung von Finanzmärkten zu reden, sondern endlich etwas zu tun. Es kann nicht sein, dass bei Worten stehengeblieben wird und dass wir letztlich die gleiche Situation wie vor der Finanzmarktkrise haben. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Die Vorschläge der LINKEN sind bekannt.
Die Regierung täuscht Geschäftigkeit vor. Es ist so, dass die Politik der Bundesregierung nicht auf das Land, sondern ausdrücklich auf den 27.09.2009 ausgerichtet ist. Beide Parteien versuchen, sich zu profilieren, und machen de facto, auch wenn das geleugnet wird, einen Dauerwahlkampf. Die SPD fordert Dinge, die man lange hätte durchsetzen können. Es wird über Mindestlohn, Begrenzung der Managergehälter und alles Mögliche geredet. Praktisch passiert viel zu wenig. Es ist nicht klar, welchen Kurs sowohl die SPD als auch die große Koalition für die verbleibenden Wochen nehmen wird.
Eine dritte Bemerkung, die ich machen will, bezieht sich auf Die Bahn, im Besonderen auf Herrn Mehdorn: Es ist allerhöchste Zeit, dass jetzt Schaden von der Bahn abgewendet wird. Das, was hier abläuft, ist wirklich ein Possenspiel. Herr Mehdorn muss zurücktreten. Wenn ich richtig informiert bin, ist Die Bahn Eigentum der Bundesrepublik Deutschland. Hier ist das Handeln der Kanzlerin gefordert. Herr Mehdorn muss gehen. Es ist so, dass wirklich jetzt Die Bahn Schaden nimmt. Diese Spitzelaffäre gegen eigene Mitarbeiter hat den Rücktritt überfällig gemacht. Ich erwarte, dass es eine zügige Neubesetzung gibt, und zwar eine Neubesetzung, wo klar und deutlich mit auf den Weg gegeben wird, dass es keine Privatisierung der Bahn geben wird. Das ist die Forderung der LINKEN. Es geht sowohl um Mehdorn, dass der Mann jetzt weg muss, aber auch darum, dass der Kurs der Bahn als staatseigenes Unternehmen präzisiert wird.
Eine vierte Bemerkung zum Thema OPEL. Die Kanzlerin hat ja angekündigt, dass sie am Dienstag in Rüsselsheim ist. Es werden extrem hohe Erwartungen mit diesem Besuch verbunden. Die Gewerkschaften und auch die Belegschaft erwartet ein Signal der Bundesregierung. Ich kann nur hoffen, dass es nicht bei blumenreichen Worten bleibt, sondern dass wirklich etwas unternommen wird. DIE LINKE ist mit den Beschäftigten solidarisch. Dass Regierungen handeln können, sieht man in den Vereinigten Staaten, denn dort ist der Chef von General Motors auf Druck der Regierung zurückgetreten. Wir fordern – wie Sie wissen – die Gründung eines Konsortiums aus den betroffenen Bundesländern. Wir wollen, dass die Beschäftigten am Unternehmen beteiligt werden und dass die Zukunft auf der Grundlage eines wirtschaftlichen Konzeptes gesichert wird. Bisher ist es so, dass jedes Mitglied der Bundesregierung seine eigenen Vorstellungen hat, was OPEL betrifft. Jeder trägt etwas Neues vor, und letztlich gibt es bisher ausdrücklich nur ein Nichthandeln.
Das Nichthandeln will ich als Stichwort zum Anlass nehmen, um zu einem Thema etwas zu sagen, das etwas in den Hintergrund geraten ist. Die Bundesregierung hat seit Wochen angekündigt, einen Gesetzesentwurf zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung im Kabinett vorzulegen und dann auch in den Bundestag einzubringen. Das ist bisher weiterhin nicht geschehen und mehrfach vertagt worden. Es ist dann auch letztlich eine Form von Heuchelei. Schätzungen gehen von 30 Milliarden und mehr aus, die jährlich in diese Staaten gehen, wovon mindestens ein Drittel illegal ist. Da muss gehandelt werden. Deshalb ist genau dieses Gesetz enorm wichtig, weil das Zeichen ansonsten ist: Die Verkäuferin, die angeblich Pfandbons für 1,30 € unrechtmäßig eingelöst hat, wird entlassen, und bei denjenigen, die wirklich Milliarden verzockt haben, die Milliarden auch hinterziehen, wird nicht gehandelt.
Eine vorletzte Bemerkung sei mir gestattet, insbesondere deshalb, weil in der letzten Woche sehr umfangreich das Thema Neuwahlen seitens der FDP eine Rolle spielte und Herr Westerwelle gebetsmühlenartig Neuwahlen fordert. Natürlich hat er grundsätzlich recht, dass die Regierung nicht mehr handelt und dass da schnellstmöglich eine Veränderung vollzogen werden muss. Aber das, was Herr Westerwelle fordert, ist schlicht Populismus. Er weiß wie die Rechtslage ist. Er weiß, wann der Bundestag gewählt werden kann. Da gibt es eine klare Festlegung: 46 oder 48 Wochen nach dem Beginn der Wahlperiode. Das ist nicht im Juni. Ansonsten muss der Bundestag sich auflösen und dann innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen herbeigeführt werden. Da die nächste Sitzung im April ist, ist das wirklich alles absurd. Hier soll mittels Populismus der Anschein erweckt werden, dass das möglich ist. Das ist verfassungsrechtlich enorm schwierig, zumal nicht davon auszugehen ist, dass die große Koalition im Bundestag eine Mehrheit für die Auflösung des Bundestages findet. Nach 2005 sind auch verfassungsrechtlich vergleichsweise hohe Hürden auferlegt worden. Ich kann die FDP nur auffordern, damit aufzuhören und die Regierung nur auffordern, in den verbleibenden Wochen zu handeln und nicht alles auf den 27.09. auszurichten.
Zum Abschluss sei mir gestattet, auf das Wochenende und die Demonstrationen zum NATO-Gipfel aufmerksam zu machen. DIE LINKE hat mit zu diesen Protesten aufgerufen. Wir sagen ganz klar, dass die NATO, die ja mal als Verteidigungsbündnis gegründet worden ist, eine Veränderung in ihren Strukturen und Zielsetzungen vorgenommen hat. Heute ist es so, dass die NATO-Länder Zweidrittel der Rüstungsausgaben der Welt ausgeben. Das ist völlig inakzeptabel. Das ist Geld in die falsche Richtung. Die NATO ist kein Verteidigungsbündnis mehr. Deshalb ist unsere Position ganz klar: Wir beteiligen uns an den Protesten gegen die NATO, und wir sagen auch ganz klar, dass die Kriminalisierung der Demonstrantinnen und Demonstranten inakzeptabel ist. DIE LINKE steht an der Seite der Demonstranten gegen diesen NATO-Gipfel. Es ist wichtig, dass wir auch hier Flagge zeigen.
Dankeschön!