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Es geht um eine souveräne Mitgliederentscheidung

Statement von Klaus Lederer bei der Vorstellung des Antrages für einen Mitgliederentscheid zur Vorbereitung des Bundesparteitags in Rostock

Die Debatte um diesen Mitgliederentscheid ist schon ein paar Wochen geführt worden, jetzt auch zwischen den Landesverbänden. Wir haben uns am vergangenen Freitag zusammengesetzt und uns auf eine gemeinsame Fassung geeinigt. Wir werden beantragen, dass den Mitgliedern zwei Fragen zur Entscheidung vorgelegt werden. Die erste Frage bezieht sich auf Veränderungen in der Satzung und auf einen Auftrag an den Parteitag in Rostock. Wir wollen zunächst – das ist die gute Nachricht, gerade am 08. März – zukünftig in unserer Satzung die mindestquotierte Doppelspitze dauerhaft verankern. Das heißt also, wir wollen eine echte Satzungsänderung zur Annahme vorschlagen, nach der es zukünftig möglich wird, entweder eine Frau und einen Mann oder auch zwei Frauen zu wählen. Wir werden zweitens eine Änderung der Übergangsbestimmungen in der Satzung zur Abstimmung stellen, nach der bis zur Wahl des Parteivorstandes im Jahr 2012 verbindlich die Wahl von zwei Bundesgeschäftsführern unter Beachtung der Mindestquotierung möglich wird, mit der Option, mit einfacher Mehrheit noch einmal für zwei Jahre diese Vorschrift zu verändern, so dass das bis 2014 gelten würde. Und wir wollen – das soll nicht in der Satzung verankert werden, aber in Form eines Mitgliederentscheides zur Abstimmung gestellt werden – dem Rostocker Parteitag den Auftrag geben, zwei Parteibildungsbeauftragte unter Berücksichtigung der Mindestquotierung bis 2012 zu wählen. Das heißt, wir haben ein abgestuftes Verfahren. Wir wollen eine dauerhafte mindestquotierte Doppelspitze. Wir wollen die Möglichkeit für zwei Bundesgeschäftsführer für zwei Jahre mit der Verlängerungsoption für weitere zwei Jahre schaffen. Und wir wollen, dass die Parteineubildungsbeauftragten jetzt eigentlich nur noch in den nächsten zwei Jahren existieren. In der Abstufung zeigt sich auch deutlich, dass wir vorhaben, perspektivisch den Verschmelzungsprozess, den Parteineubildungsprozess unserer Partei zum Abschluss zu bringen. Wir wollen keine Dauerlösung. Wir wollen nicht, dass wir die nächsten 16, 10 oder 8 Jahre im Grunde mit einer Doppelstruktur, mit so einem Doppelband laufen. Das halten wir alle nicht für sinnvoll.

Über diese Frage ist die Entscheidung mit Ja, Nein und Enthaltung möglich. Wir werden darüber hinaus zweitens den Mitgliedern zur Entscheidung den Vorschlag vorlegen, dass der neu zu bildende, neu zu wählende Parteivorstand beauftragt wird, bis zum Ende des Jahres 2011 ein Parteiprogramm, was von einem Parteitag beschlossen ist, den Mitgliedern zur Urabstimmung, zum Mitgliederentscheid vorzulegen. Das ist auch eine Erfahrung aus der PDS, dass eine solche Debatte einen Endpunkt braucht, dass man intensiv diskutieren und dann irgendwann entscheiden muss, wo soll es perspektivisch und programmatisch mit unserer Partei hingehen.

Das ganze Verfahren ist so angelegt, dass wir sagen können, wir werden ausreichend lange vor dem Parteitag in Rostock ein Ergebnis haben. Die Voraussetzungen sind gegeben. Das heißt also, auch die organisatorisch-technischen Voraussetzungen sind gegeben, dass wir das auch leisten können.

Vielleicht gestatten Sie mir noch ein paar Worte zu meiner Motivation: Wir haben im Landesverband einfach eine Lage, dass seit 6 Monaten ein staunendes Publikum zuschaut, was woanders passiert. Das heißt also, es gibt eine hohe Verunsicherung, wo es perspektivisch mit der Partei langgehen soll. Es gibt auch ziemlich viel Frust über die Selbstbefassung seit der Bundestagswahl, weil eigentlich alles an den Mitgliedern vorbeigeht, auch eine gewisse Motivationsschwäche. Insofern haben wir die Debatten in der Partei in den letzten Wochen auch immer ein bisschen grundlagenlos gehabt, weil es am Ende eine Debatte zwischen den Beteiligten auf Führungsebene war, die an den Mitgliedern vorbeigegangen ist. Wir sehen an den Äußerungen beispielsweise von Andre Hahn, dass die Doppelspitze perspektivisch kritisiert wird. Andere sind der Ansicht, dass es schwierig wird, dauerhaft mit zwei Bundesgeschäftsführern durch die Welt zu laufen und ähnliches. Der Mitgliederentscheid offenbart uns jetzt die Möglichkeit, darüber eine klare Entscheidung der Mitglieder herbeizuführen. Jedes Mitglied kann selbst entscheiden, ob es perspektivisch mit dieser Lösung oder nicht mit dieser Lösung leben möchte. Die Möglichkeit zu eröffnen heißt dann eben auch, den Raum für eine differenzierte unterschiedliche Bewertung des Vorschlages, den wir auf den Tisch gelegt haben, zu eröffnen. Da teile ich die Position von Gesine Lötzsch und Klaus Ernst, dass ein Mitgliederentscheid nie eine Gefahr sein kann, sondern letztlich immer etwas ist, was dazu dient, Mitglieder und Parteientwicklung in großem Konsens miteinander durchzuführen. Ich glaube, dass dieser Konsens jetzt das ist, was die Partei braucht.

Außerdem – Thomas Nord hat es schon gesagt – ist es durchaus eine Neuigkeit, dass Landesverbände aus Ost und West hierzu eine gemeinsame Basis gefunden haben und die Möglichkeit einer gemeinsamen Verständigung genutzt haben. Darin liegt vielleicht auch ein Stückweit das Anerkenntnis, dass es in Ost wie West nachwievor sehr unterschiedliche aber differenzierte Positionen gibt und dass die Frontverläufe Ost gegen West oder umgedreht vielleicht doch auch ein bisschen künstlich sind und die Realität in der Partei nicht so ganz widerspiegeln. Insofern ist das weder ein Versuch, irgendeinen Vorschlag abzusegnen einerseits, oder andererseits einen Vorschlag zu verhindern – das ist jetzt auch in der Debatte gewesen –, sondern es geht um eine souveräne Mitgliederentscheidung, die man ermöglichen muss. Bisher ist die Geschichte der LINKEN eine Erfolgsgeschichte. Das fortzusetzen, dazu soll dieser Mitgliederentscheid dienen. Es gab jetzt dieses Vakuum. Es gibt jetzt einen Vorschlag. Für den Vorschlag ist eins Satzungsänderung nötig. Der Weg, das praktikabel zu machen, damit wir uns wieder um Politik kümmern können und nicht dauerhaft in Selbstbefassung verharren, ist dieser Mitgliederentscheid. Es gibt genug in der Bundesrepublik zu diskutieren, ob die Kopfpauschale von Herrn Rösler, die Hartz-IV-Äußerung von Herrn Westerwelle oder Frau Kraft. Wir wollen das angehen.