Es wäre sinnvoll, jemanden mit Sach- und Fachverstand zu berufen
Statement von Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus
Statement als Video- und Audio-Datei
Einen schönen guten Tag, meine Damen und Herren, das war dann schon ein aufregendes Wochenende. Es war – in gewisser Hinsicht – ein sehr heiteres Wochenende, wenn ich daran denke, was da so im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsminister abgelaufen ist. Da konnte man beinahe jede Stunde neue Meldungen vernehmen. Ein stückweit war das wirklich ein Stück aus dem Tollhaus, was ich, was auch Sie sehen konnten: Da wurde ein Rücktritt erklärt, der nicht angenommen worden ist und nun doch vollzogen wird. Das zeigt vor allem eines ganz klar: Die Krise hat die große Koalition erfasst. Die große Koalition macht keine seriöse Politik für die Bürgerinnen und Bürger, sondern ist mit Personalquerelen zu allererst beschäftigt. Ich hatte zwischenzeitlich das Gefühl, dass schon Rosenmontag ist, aber das war nicht der Fall.
Das, was hier abgelaufen ist, ist in jedem Fall der aktuellen Situation in keiner Weise angemessen. Wir befinden uns – wie jeder weiß – in einer schweren Krise. Und wenn dann ein Wirtschaftsminister sagt, er will nicht mehr, er kann nicht mehr, sein Parteivorsitzender dann entgegnet, er muss weitermachen, dann sagt das sehr viel über die derzeitige Situation in der CSU aus. Das Ganze hat an eine Provinzposse erinnert.
Auch die SPD – um das zumindest zu ergänzen – hat hier nichts anderes als Duldungsstarre gezeigt. Herr Steinmeier hat sich hin und wieder geäußert. Aber klare Positionierungen, dass nach einem solchen Brief gehandelt werden muss, waren nicht zu sehen.
Inzwischen steht ja nun fest – wie ich lesen durfte –, dass Herr Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg der Nachfolger werden soll. Bisher ist zumindest nicht bekannt, was ihm für dieses Amt auszeichnet. Er ist ja vor kurzem erst Generalsekretär geworden. Eigentlich wäre es sinnvoll, in der Krise wirklich jemanden mit Sach- und Fachverstand vorzuschlagen und zu berufen. Wir werden abwarten, ob Herr Freiherr zu Guttenberg dazu in der Lage ist.
Zweitens: Es sei mir eine Bemerkung zu der aktuell veröffentlichten Studie zu Afghanistan gestattet. Diese Studie wirft ein breites Bild auf die Situation dort. Es ist ganz klar und eindeutig: Der Westen hat den Kampf um die Köpfe und die Herzen der Afghanen verloren. Nahezu alle Befragungsergebnisse zeigen, dass die bisherige Linie so nicht fortgesetzt werden kann. Wenn inzwischen – wie ich lesen konnte – die Mehrzahl der Afghanen auf einen schnellen Abzug der USA und ihrer Verbündeten drängt, läuft dieser Einsatz dort gegen die Mehrheit der Afghanen. Das wurde früher immer anders behauptet. Die Situation dort ist letztlich eine katastrophale. DIE LINKE sagt jetzt nicht, wir haben immer recht gehabt. Das ist nicht unsere Position. Allerdings wäre es sehr notwendig, jetzt über eine neue Strategie nachzudenken und eine Strategie des zivilen Wiederaufbaus in Afghanistan zu entwickeln, die dann wirklich die Köpfe und Herzen der Afghanen erreicht, und danach zu handeln. Unsere Position ist und bleibt klar: Es wird keine militärische Lösung geben. Die deutschen Soldaten müssen schnellstmöglich abgezogen werden. Wir brauchen eine andere neue Strategie. Es gibt ja die kleine Hoffnung, dass derartige Umfragen vielleicht auch in Amerika und in der NATO zu einem Umdenken führen können.
Eine dritte Bemerkung, die ich machen möchte: In dieser Woche soll ja nunmehr das von der Bundesregierung sogenannte Konjunkturpaket II verabschiedet werden. Ich nenne es weiterhin Konjunkturpäckchen, vor allem nicht zweites, weil das erste, was offensichtlich seine Wirkung schon entfalten sollte, im Nichts verlaufen ist und den Namen nicht verdient hatte. DIE LINKE bleibt bei ihrer Kritik: Dieses sogenannte Konjunkturpaket ist sozial unausgewogen, kommt zu spät und ist letztlich zu klein. Hier wird gekleckert und nicht geklotzt. Deswegen werden wir auch bei unserer Ablehnung im Deutschen Bundestag bleiben und dieses kenntlich machen. Es ist so, dass bei der Rettung der Banken zügig und schnell agiert wurde. Aber da, wo es wirklich um Nachfrageverbesserungen geht, wird das in ganz langsamen Schrittchen vollzogen. Wir, DIE LINKE, bleiben die soziale Opposition in diesem Land und werden das auch weiterhin deutlich machen.
Wir werden die Demonstrationen unter dem Titel "Wir zahlen nicht für eure Krise", die am 28. März in Berlin und in Frankfurt/Main stattfinden sollen, wo es breite Bündnisse gibt, unterstützen. Mit dem Konjunkturpaket soll in erster Linie Wahlkampf gemacht werden. Ob Abwrackprämie, ob die Ankündigung von Steuerreformen von SPD und von der CDU – das alles hat mit dem Wahltermin zu tun. Allerdings will ich schon darauf aufmerksam machen, dass gerade, was die Steuerpolitik betrifft, beide Parteien von Glaubwürdigkeit wirklich nicht sprechen können. Ich erinnere daran, dass vor der letzten Bundestagswahl das Thema Mehrwertsteuer kontrovers diskutiert worden ist. Die SPD sagte keine Erhöhung und die CDU sagte 2 Prozent. Im Ergebnis haben wir feststellen dürfen, dass der Durchschnitt von 0 und 2 dann 3 Prozent ist.
Eine vorletzte Bemerkung sei mir gestattet: DIE LINKE ist auch Opposition auf der europäischen Ebene. Für die derzeitige Krise ist auch die Europäische Union mitverantwortlich. Das ist keine neue Erkenntnis. Die Europäische Linke hat als erste Europapartei am Wochenende in Lissabon getagt und ihre Vorstellung für die Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise auf europäischer Ebene diskutiert. Sie wissen, Lothar Bisky ist auch der Vorsitzende auch der Europäischen Linkspartei. 16 linke Parteien haben an der Beratung teilgenommen. Wir sind sicher: Nationalstattliche Lösungen werden nicht greifen. DIE LINKE wird sich auch auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass sich derartige Krisen in dieser Form nicht wiederholen dürfen.
Sie wissen – und damit will ich mein Statement abschließen –, dass wir vor unserem Europaparteitag stehen, der am Ende des Monats in Essen stattfinden wird. Wir diskutieren derzeit das Europawahlprogramm. Der Entwurf liegt ja vor. Sie können ihn auch nachlesen. Es gehen jetzt diverse Änderungsanträge ein. Wir werden sicherlich auf dem Parteitag den Entwurf weiter verbessern. Und es werden die Kandidatinnen und Kandidaten gewählt. Die Vertreterversammlung wird am 1. März – beginnend am 28. Februar – dann auch die Europaliste wählen. Sie wissen, dass der Bundesausschuss einen Vorschlag unterbreitet hat. Insgesamt liegen inzwischen 75 Kandidaturen vor. Wir werden eine Liste mit 30 Kandidatinnen und Kandidaten aufstellen – 16 in Einzelwahl. Wir sind optimistisch, dass wir ein zweistelliges Wahlergebnis bei den Europawahlen erreichen können. Dabei werden sehr wohl auch innenpolitische Themen eine Rolle spielen.