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Michael Schlecht

EZB: Heiße Luft

Von Michael Schlecht, MdB, wirtschaftspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat noch einmal die Zinsen gesenkt und pumpt immer mehr Milliarden in den Finanzsektor. Damit will sie die Konjunktur in der Euro-Zone stützen und Deflation bekämpfen. Jedoch: Die EZB-Maßnahmen bringen nichts, so wie auch schon das bisherige Verschleudern von hunderten Milliarden Euro. Denn die Euro-Wirtschaft plagt ein Leiden, dass eine Zentralbank gar nicht beheben kann: schwache Nachfrage!

Am Donnerstag hat die EZB die Geldschleusen weiter geöffnet. Erstens senkte sie den Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken bei ihr kurzfristig Geld leihen, auf 0 Prozent. Das soll die Banken dazu bewegen, billige Kredite an Unternehmen und Haushalte zu geben.

Zweitens senkte die EZB ihren Einlagenzinssatz von -0,3 auf -0,4 Prozent. Das bedeutet: Geschäftsbanken müssen auf Geld, das sie auf ihrem Konto bei der EZB halten, Strafzinsen bezahlen.

Drittens erhöhte die EZB das Volumen an Anleihen, die sie monatlich an den Finanzmärkten kauft, von 60 auf 80 Milliarden Euro. Indem sie Anleihen den Banken abkauft, pumpt sie Geld in den Finanzsektor.

Viertens schließlich gibt die EZB den Banken langfristige Kredite zu Niedrigst-Zinsen, zum Teil voraussichtlich auch zu negativen Zinsen. Das heißt: Die EZB bezahlt die Geschäftsbanken dafür, wenn sie bei ihr Kredite nehmen. Verrückter geht es ja wohl kaum!

All dieses Geld sollen die Banken für Kredite an Unternehmen und Haushalte verwenden. Dies soll die Zahlungsfähigkeit in der Gesellschaft erhöhen: Mit dem geliehenen Geld sollen Unternehmen Investitionen tätigen und die Haushalte einkaufen gehen. Ergebnis wäre ein Anziehen der Konjunktur. Denn die ist weiter schwach - das Wirtschaftswachstum in der Euro-Zone liegt hartnäckig niedriger als von der EZB prognostiziert. Für 2016 nahm sie am Donnerstag ihre Wachstumsprognose von 1,7 auf 1,4 Prozent zurück.

Läuft die Konjunktur besser, können Unternehmen auch höhere Preise durchsetzen. Dies würde dazu führen, dass die Inflationsrate von derzeit fast null Prozent auf den EZB-Zielwert von knapp unter zwei Prozent steigt. Alles wäre gut.

Diese Rechnung wird aber nicht aufgehen. Die Maßnahmen der Zentralbank werden weiter ihre Wirkung verfehlen, wie schon in den vergangenen Jahren. Denn trotz aller Zinssenkungen und Geld-Spritzen, die es ja bereits gibt, ist die Kreditvergabe in der Euro-Zone weiter schwach. Unternehmen leihen nicht mehr und Haushalte auch nicht. Das ist kein Wunder. Warum sollten Unternehmen zusätzlich Kredite aufnehmen, um Investitionen zu tätigen, wenn sie kein Wachstum der Wirtschaft erwarten? Welcher Haushalt verschuldet sich, wenn Arbeitslosigkeit droht?

Warum ist die Wirtschaft in der Euro-Zone so schwach, warum ist die Arbeitslosigkeit so hoch? Offensichtlich nicht wegen Kreditmangels. Selbst der Internationale Währungsfonds (IWF) hat neulich klar den Grund für die Konjunkturschwäche benannt: eine "überraschende und hartnäckige Schwäche der Nachfrage". Solange die besteht, werden keine neuen Kredite aufgenommen, und das Feuerwerk der EZB bleibt wirkungslos.

Wie könnte Nachfrage entstehen? Der Staat muss mehr Geld ausgeben. Für bessere Bildung und Infrastruktur. Aber dagegen wehrt sich die Bundesregierung, die auf ausgeglichene Haushalte besteht. Finanzminister Wolfgang Schäuble verteidigt seine schwarze Null auf Biegen und Brechen.

Die private Nachfrage muss massiv wachsen. Gerade in Deutschland. Die Forderungen von ver.di und IG Metall nach 5- bzw. 6prozentigen Lohnerhöhungen müssen eigentlich auch der Abschluss sein. Damit es flächendeckend zu solchen Lohnsteigerungen kommt, muss vor allem die Tarifbindung von heute 50 Prozent wieder massiv gesteigert werden. Dies kann nur erreicht werden, wenn Leiharbeit, Befristungen und Werkverträge abgeschafft bzw. zurück gedrängt werden. Und die Rechte der Gewerkschaften müssen gestärkt werden, zum Beispiel bei der Ausweitung der Allgemeinverbindlichkeit.