Finanzmarktkrise darf nicht zu einer neuen Runde der Umverteilung von unten nach oben werden
Statement von Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus
Einen schönen guten Tag. Heute findet die Pressekonferenz etwas früher statt. Sie wissen ja, es ist Haushaltswoche im Deutschen Bundestag. Ich möchte zunächst zu der Diskussion, die am Wochenende in der Koalition zu verschiedenen Themen stattgefunden hat, einige Bemerkungen machen. Es ist offensichtlich so, dass sich die große Koalition zehn Monate vor der Bundestagswahl entschlossen hat, in den permanenten Wahlkampf überzugehen und vor allem über die Zeit nach dem Wahltermin zu reden. Also alles, was ich dort auch an Steuerdiskussionen und Steuerforderungen gehört habe – das ist schon ein abenteuerliches Ding. Fakt ist, dass es sich um eine Koalition des Stillstandes handelt, dass die große Koalition politisch nicht mehr handlungsfähig ist und auch nicht mehr vor hat, bei zentralen Fragen wirklich zu handeln.
Ich will, was die Steuerproblematik betrifft, folgendes sagen: Es ist schon ein abenteuerliches Ding, wenn jetzt die CDU davon spricht, dass man Steuern senken muss. Drei Jahre haben CDU/CSU und SPD die Möglichkeit gehabt, Steuern zu senken. Die Praxis war eine ganz andere. Es begann mit der Mehrwertsteuererhöhung um drei Prozent. Es hat diverse Einschnitte bei den Schwächeren gegeben – Pendlerpauschale, Sparerfreibetrag, Kindergeldreduzierung und vieles andere mehr. Und es hat auf der anderen Seite eine massive Entlastung bei den Banken und Konzernen gegeben. Ich will daran erinnern, dass es hier eine Entlastung von ca. zehn Milliarden Euro gegeben hat. Deswegen ist diese gesamte Debatte wenig glaubwürdig.
DIE LINKE bleibt bei ihrer Position. Es kann nicht pauschal um Senkung der Steuern gehen, sondern man muss sich genau anschauen, wo Steuern gesenkt werden und wo auch Steuern erhöht werden müssen. Ganz klar und eindeutig: Wir sind dafür, dass der „Mittelstandsbauch“ wegkommt. Da sollen Steuern gesenkt werden. Wir sind auch dafür, dass der Steuerfreibetrag auf 9.300 €.angehoben wird, was ja auch eine massive Entlastung bei denjenigen wäre, die wenig Einkommen haben. Wir sagen aber auch ganz klar: Wir müssen bei denjenigen, die mehr Geld und Vermögen haben, auch mehr abholen. Der Kompromiss der zur Erbschaftssteuerreform gefunden worden ist, ist ein inakzeptabler Kompromiss. Wir wollen, dass das Aufkommen aus der Erbschaftssteuer um 8 Milliarden € erhöht wird. Wir fordern eine Millionärssteuer, die gerade angesichts der aktuellen Krise notwendig wäre und auch Geld in die öffentlichen Haushalte bringen würde. Also: Eine pauschale Steuersenkung, die von der Union und der CSU gefordert wird, ist unglaubwürdig, auch unrealistisch angesichts der gesamten Lage und man sollte sie präzisieren, um die Umverteilung von unten nach oben nicht weiter zu befördern.
Ich möchte noch ausdrücklich eine Bemerkung bezüglich der Großen Koalition machen, da ich gehört habe, dass Herr Pofalla sehr umfangreich auf einem Parteitag zum Osten Stellung bezogen hat: Er hat gesagt, dass Ostdeutschland „zur wettbewerbsfähigsten und innovativsten Region im Herzen Europas“ werden soll. Ich kann nur feststellen, dass in den drei Jahren der Großen Koalition in Ostdeutschland viel zu wenig passiert ist, weil es nichts Konkretes für die neuen Länder gegeben hat. Letztlich waren es drei verlorene Jahre, wenn man sich die entscheidenden Indikatoren anschaut – Arbeitslosenquote, Wirtschaftskraft. Immer noch ist es so, dass die Schere zwischen Ost und West gewaltig auseinanderklafft.
Dazu kommt, dass die SPD offensichtlich weder gewillt und noch in der Lage ist, hier mit eigenständigen Positionen eine Alternative aufzumachen. Wenn auch am Wochenende von Herrn Scholz und anderen immer wieder betont wird, dass man mit der CDU oder der FDP für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen will, dann ist das schlicht unglaubwürdig.
Zum Parteivorstand, der am Samstag tagte: Natürlich haben wir uns als erstes mit der Situation in Hessen und den anstehenden Wahlkämpfen beschäftigt. Wir haben also auch über die Kommunikationsstrategie der LINKEN im nächsten Jahr und viele andere Themen gesprochen. Eines ist ganz klar: Wir können feststellen, dass DIE LINKE wirkt, und das ist auch unser Ansatzpunkt für den hessischen Wahlkampf. Wir wollen in Hessen gestärkt in den neuen Landtag einziehen. Am Wochenende gab es in der hessischen Landespartei eine Beratung mit den Aktivistinnen und Aktivisten und allen Kreisvorsitzenden. Da gibt es viel Optimismus. Wir werden kämpfen, noch ist im hessischen Wahlkampf nichts entschieden. Es ist eine Herausforderung an die gesamte Bundespartei. Im zentralen Wahlbüro ist vereinbart, dass alle Landesverbände die Hessen unterstützen werden. Wir gehen sehr zuversichtlich in diesen Wahlkampf. Am Wochenende wird der Landesparteitag der hessischen LINKEN stattfinden. Gregor Gysi wird dort anwesend sein und dort auch die Positionen, mit denen wir in den Wahlkampf gehen werden, vertreten. Ich gehe natürlich davon aus, dass es kein leichter Wahlkampf wird. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass es Versuche der Ausgrenzung gibt, z.B. auch von der FAZ, die uns auslädt. Wir müssen damit umgehen, und wir werden in geeigneter Weise unsere Positionen deutlich machen. Ich hätte mir da ein höheres Maß an Souveränität gewünscht.
Der Parteivorstand hat am Samstag den Europaparteitag und die VertreterInnenversammlung offiziell einberufen. Diese werden am 28. Februar und am 1. März 2009 in Essen stattfinden. Dort wird das Wahlprogramm verabschiedet und auch die Liste für die Europawahlen gewählt. Der Geschäftsführende Parteivorstand und der Bundesausschuss werden im Dezember dazu einen Vorschlag beraten. Der Bundesausschuss wird im Januar einen Listenvorschlag wählen. Die Wahl der Kandidatinnen und Kandidaten für die Europawahl erfolgt dann letztendlich auf der VertreterInnenversammlung in Essen.
Ein weiterer Punkt auf der Vorstandssitzung war die Finanzmarktkrise. Es droht ja, vielen Institute beschreiben das, eine schwere Rezession in den nächsten Jahren. Auch die Bundesregierung – Frau Merkel und Herr Steinbrück – haben am Wochenende die Deutschen auf schwierige Zeiten eingeschworen. Allerdings hilft das nicht. Es hilft nicht, das zu beschreiben, sondern es ist notwendig, zu handeln. Das, was von der Bundesregierung als Konjunkturprogramm vorgestellt worden ist, ist kein Konjunkturprogramm. Das sind alles halbherzige Maßnahmen. Da ist deutlich mehr gefordert. Vor allem tritt DIE LINKE dafür ein, Nachfrage zu befördern. Deswegen fordern wir die Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze. Deswegen auch der Punkt, dass wir sagen, dass der Steuerfreibetrag auf 9.300 € angehoben werden soll. Es muss in unserem Steuersystem eine Entlastung der Gering- und Durchschnittsverdiener geben. Wir haben uns mit der Frage des Steuersystems und der steuerpolitischen Positionen sehr umfangreich befasst, haben dazu eine grundsätzliche Entscheidung getroffen. Wir werden diese mit Blick auf das Wahlprogramm aber weiter präzisieren müssen. Es muss im Kern darum gehen, die Finanzmarktkrise nicht zu einer neuen Runde der Umverteilung von unten nach oben werden zu lassen. Die Position der LINKEN ist hier eine andere. Wir haben diverse Punkte dazu am Wochenende besprochen und werden es letztlich mit Blick auf das Wahlprogramm abschließend entscheiden.
Einige Dinge habe ich angedeutet. Ich will vielleicht noch mal den Punkt Millionärssteuer hervorheben, weil wir mit dieser Steuer doch ein erhebliches Aufkommen realisieren wollen. Das heißt im Klartext, dass wir bei einer Million Freibetrag eine Steuer von 5 Prozent bei denjenigen erheben wollen, die über mehr Vermögen verfügen.
Ein letzter Punkt, über den ich kurz etwas sagen will, ist die Arbeit der LINKEN im Berliner Senat. Wir hatten hier eine sehr umfangreiche und interessante Diskussion, an der der Landesvorsitzende, die Fraktionsvorsitzende und die drei SenatorInnen aus Berlin teilgenommen haben. Anlass waren Anträge, die auf dem Bundesparteitag gestellt und an den Parteivorstand überwiesen worden waren. Da ging es vor allem um die Tarifauseinandersetzung, die nun je beendet ist. Wir haben im Parteivorstand gemeinsam festgestellt, dass die Regierungsbeteiligung in Berlin für uns ausgesprochen wichtig ist, auch deshalb, weil man da deutlich machen kann, dass DIE LINKE nicht nur eine Schönwetterpartei ist, sondern in ausgesprochen schwieriger Situation bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Ich will daran erinnern, dass die Situation damals, als wir in Regierungsverantwortung kamen, eine ausgesprochen schwierige war. Heute können wir stolz sein, dass es in Berlin ein Kulturticket, dass es ein Sozialticket für 150.000 Menschen gibt, dass ein Einstieg – wenn auch sehr schwierig – in den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor gelungen ist, der auch Vorbild für andere Landtagswahlprogramme der LINKEN sein kann, dass das Pilotprojekt Gemeinschaftsschule gestartet worden ist und anderes mehr…
Wir haben auch über aktuelle Auseinandersetzungen und Probleme gesprochen. Dabei ging es u.a. um die künftige Schulstruktur, sowohl was das Pilotprojekt Gemeinschaftsschule betrifft, aber auch das Thema Abschaffung der Hauptschule. Heidi Knake-Werner hat darüber informiert, dass von den 220.000 Arbeitslosen 180.000 Langzeitarbeitslose sind. Das ist natürlich ein ganz spezifisches Berliner Problem. Da sind 8.000 Leute, mit denen der Einstieg in den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor gemacht wird, ein wichtiger Anfang. Wir haben auch das Problem Vergabegesetz. Berlin hat dort vorbildliche Entscheidungen getroffen, was den Mindestlohn betrifft. Durch das Urteil aus Brüssel muss hier nun das entsprechende Gesetz novelliert werden.
Insgesamt war das ein sehr konstruktiver Gedankenaustausch, der auch mit Blick auf die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen, im Saarland und in Brandenburg wichtig ist. Dankeschön!