Folgen der Corona-Krise an den Hochschulen solidarisch bewältigen!
Ein Forderungspapier der BAG Wissenschaft der LINKEN
Die Corona-Krise ist eine schwierige Phase, die alle Lebens- und Gesellschaftsbereiche beansprucht und beeinflusst. Das Ringen um eine Eindämmung der Ausbreitung des Virus und der Umgang mit den sozialen sowie ökonomischen Folgen bestimmen im Moment das Denken und Handeln weltweit. Neben unser aller Alltag sind auch Lehre und Forschung an Hochschulen vor ungeahnte Herausforderungen gestellt. Ja, im Moment müssen die Verlangsamung der Ausbreitung des Virus und die Aufrechterhaltung wichtiger Funktionen der öffentlichen Versorgung im Vordergrund stehen. Dazu leisten auch die Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen mit Notbetrieb und der Verschiebung des Semesterstarts einen Beitrag, ebenso wie mit der Forschung auf Hochtouren zur Bekämpfung des Coronavirus. Aus dieser Situation erwachsen aber für Studierende und Beschäftigte viele Fragen und Unsicherheiten, die wir ihnen nehmen müssen. Wir brauchen Lösungen und gemeinsame Wege, die auch in der Wissenschaft - von den Studierenden bis zu den Lehrenden jeder Personalkategorie und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Verwaltung sowie externer Dienstleister - niemanden zurücklassen. Viele werden auch finanziell und existentiell hart auf die Probe gestellt. Es muss weiter Miete gezahlt und Lebensmittel müssen eingekauft werden, auch wenn das BAföG nicht reicht und dringend benötigte Nebenjobs pausieren müssen. Beschäftigte in befristeten Arbeitsverhältnissen, sind nicht seit Kurzem, aber jetzt in besonderem Maße einer erheblichen Planungsunsicherheit ausgesetzt. Es zeigen sich auch in diesem Bereich die Versäumnisse in der Hochschul- und Wissenschaftspolitik der letzten Jahre. Die Krisenbewältigung sollte daher auch als Chance begriffen werden, nicht nur ad hoc solidarische Hilfe zu leisten, sondern langfristige strukturelle Verbesserungen in den Hochschulen zu bewirken. Wir müssen auch bereits jetzt über die Zeit der akuten Einschränkungen hinweg denken und überlegen, wie wir das Hochschul- und Wissenschaftssystem “nach Corona” entwickeln wollen, um dem Ziel einer offenen, sozialen und demokratischen Hochschule näher zu kommen. Viele Menschen an den Hochschulen machen sich darüber bereits Gedanken und zeigen den politischen Verantwortungsträger und den wissenschaftlichen Institutionen die ganz dringend notwendigen, wie auch langfristigen Handlungsperspektiven auf. Von Studierendenvertretungen und Mittelbauinitiativen, bis hin zu einem offenen Brief von Tausenden Hochschulbeschäftigten bundesweit mit der Forderung danach, das Sommersemester 2020 zu einem #Nichtsemester zu machen. Als LINKE Wissenschaftspolitikerinnen und -politiker und wissenschaftspolitisch Aktive unterstützen wir diese Idee. Ob Nichtsemester, Optionssemester oder Kreativsemester: Wichtig ist nicht der Name, wichtig ist, welche Lösungen wir für Studierende und Beschäftigte finden. Deshalb fordern wir:
Einheitliche Maßnahmen an den Hochschulen
Für Studierende und die Beschäftigten an den Hochschulen bedarf es einer verlässlichen und einheitlichen Regelung für das aktuelle Sommersemester und das kommende Wintersemester. Das bedarf u.a. der Anpassungen von BAföG-Ansprüchen sowie der Verlängerung der Regelstudienzeit und von befristeten Beschäftigungsverhältnissen um mindestens ein Semester. Niemandem darf ein Nachteil aus der derzeitigen Krisensituation entstehen, weder Studierenden noch den Beschäftigten. Sofern noch nicht geschehen sind die Hochschulen in den Notbetriebzu versetzen. Anwesenheitspflichten als Prüfungsvoraussetzung sind vollumfänglich auszusetzen. Personal- und Studierendenvertretungen sollen in die Krisenstäbe der Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen eingebunden werden. Durch externe Dienstleister an den Hochschulen Beschäftigte sollen Lohnfortzahlungen erhalten. Die Bewerbungs- und Zulassungsfristen für das Wintersemester 2020/2021 müssen in der KMK miteinander abgestimmt verschoben werden, damit Studienberechtigte durch verschobene und ggf. entfallende Abschlussprüfungen an Gymnasien, Kollegs und weiteren Schulen bzw. Meisterprüfungen keine Nachteile erlangen, ebenso wie Studierende beim Zugang zum Master. Hochschulzulassungsbeschränkungen müssen deutlich gelockert werden.
Schnelle Hilfe für Studierende
Studierende haben in der Regel keinen Anspruch auf Grundsicherung und nicht einmal jeder fünfte Studierende erhält BAföG. Deshalb müssen Bund und Länder einen Sozialfonds einrichten, aus dem Studierende in finanzieller Notlage unbürokratische und rückzahlungsfreie Zuschüsse zum Lebensunterhalt erhalten. Ebenso sind über die Darlehenskassen der Studierendenwerke schnelle und unbürokratische finanzielle Unterstützungen zu gewähren. Die Beantragung von Urlaubssemestern soll unbürokratisch gehandhabt und die Frist für die Beantragung verlängert werden, um bei Wegfall von Jobs ggf. die Beantragung von ALG II zu ermöglichen.
Alle BAföG-Berechtigten müssen lückenlos weiter gefördert werden. Das Sommersemester 2020 darf für Studierende, die eine Förderung nach BAföG erhalten, nicht auf die allgemeine Förderhöchstdauer angerechnet werden und durch die Ausnahmesituation nicht erbrachte Prüfungsleistungen dürfen nicht nach den geltenden Regelungen der Fördervoraussetzungen berücksichtigt werden. Einkommen, welche Studierende nun bei der Bekämpfung der Pandemie erhalten, bspw. als medizinische Hilfskräfte, dürfen nicht auf das BAföG angerechnet werden. Für Studienanfängerinnen und Studienanfänger, die ihr Master-Studium beginnen, muss es die Möglichkeit geben, auch bei einer Verschiebung des Studienbeginns das BAföG zum geplanten Ausbildungsbeginn auszuzahlen. Stipendien der Studien-, Promotions- und Graduiertenförderung sind ebenfalls, um ein Semester zu verlängern.
Befristete Verträge verlängern - Planungssicherheit zu schaffen
Befristete Arbeitsverträge sind um mindestens ein Semester zu verlängern, damit die wissenschaftlichen Qualifizierungsziele erreicht und Forschungsprojekte abgeschlossen werden können. Die Unterbrechung und Verschiebung des Semesters soll nicht auf die Befristungsdauer nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) angerechnet werden. Das WissZeitVG muss entsprechend ergänzt werden. Die aktuelle Krise zeigt erneut auf, dass das Wissenschaftszeitvertragsgesetz durch ein echtes Wissenschaftsqualifizierungsgesetz zu ersetzen ist. Wir fordern Bund und Länder auch auf, bei den Drittmittelgebern auf die Verlängerung aller befristeten Projekte hinzuwirken, so dass befristete Verträge entsprechend um die Zeit der Corona-Krise verlängert werden.
Finanzielle Sicherheit für Lehrbeauftragte und Honorarkräfte
Personen, die Lehraufträge angenommen haben muss ihre volle Semestervergütung ausgezahlt werden, um Verdienstausfälle zu kompensieren. Auch bei Ausfall oder Verschiebung ihrer Veranstaltungen müssen Sie einen Anspruch auf Abschlagszahlungen erhalten, ebenso wie studentische Honorarkräfte. Verträge mit studentischen Beschäftigten müssen wie geplant ausgestellt oder verlängert werden.
Hilfe für sich im Ausland befindende und ausländische Studierende
Studierende, die ihren studienbedingten Auslandsaufenthalt abbrechen oder nicht antreten möchten, dürfen dadurch keine Nachteile in ihrer Ausbildungsförderung erhalten. Ausländischen Studierenden muss per Erlass Sicherheit gegeben werden, dass sich der Semester- und Prüfungsausfall nicht negativ auf die Aufenthaltsdauer auswirken. Das bedeutet u.a. den Finanzierungsnachweis auszusetzen und eine schnelle Verlängerung der Aufenthaltstitel zu gewährleisten und Visa mindestens um ein Semester zu verlängern damit Studierende nicht unfreiwillig in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden können. Studiengebühren für Studierende aus Nicht-EU-Staaten müssen erlassen und schnellstmöglich abgeschafft werden. Wir unterstützen in diesem Zusammenhang die Forderungen des Bundesverbandes der ausländischen Studierenden (BAS).
Regelungen für Prüfungen
Den Studierenden soll unkompliziert die Möglichkeit eingeräumt werden Prüfungsformen für zwingend notwendige und nicht auszusetzende Prüfungen umzuwandeln (bspw. eine mündliche Prüfung in eine Hausarbeit). Prüfungszeiträume und -fristen sollen möglichst kulant gestaltet werden, damit den Studierenden aus der Verschiebung des Semesterstarts keine Nachteile entstehen. Die Staatsexamensprüfungen müssen im Einvernehmen mit den Studierenden verschoben werden. Für betroffene Studierende muss es die Möglichkeit geben auch ohne Prüfung vorläufig zum Vorbereitungsdienst, Referendariat etc. zugelassen zu werden.
Finanzielle Unterstützung bei Aus- und Aufbau digitaler Infrastruktur
Für einen schnelleren Aus- und Aufbau digitaler Infrastrukturen an den Hochschulen sollen von Bund und Ländern zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, um die technische Infrastruktur für digitale Lehr- und Lernformate sowie Verwaltungsprozesse und das Personal im Umgang damit flächendeckend zu unterstützen. Gegebenenfalls muss Studierenden die nicht über die technischen Voraussetzungen und Zugänge verfügen, unter den Bedingungen des Notbetriebs von den Hochschulen die notwendige Infrastruktur bereitgestellt werden.
Finanzielle Hilfe für die Studierendenwerke
Die Studierendenwerke sollen finanzielle Unterstützung durch die Länder und den Bund erhalten, um Einnahmeausfälle (bspw. durch den geringeren Verkauf von Mensaessen) durch die Verschiebung des Vorlesungszeitraums zu kompensieren. Die Beratungsangebote der Studierendenwerke sollen nach Möglichkeit auch online zur Verfügung stehen. Eventuelle Mehrkosten durch Anschaffung von Hard- und Software sind den Studierendenwerken durch die Länder zu erstatten.
Diskriminierung durch Uni Assist beenden
Das Finanzierungsmodell von Uni Assist über Gebühren für ausländische Studienbewerberinnen und -bewerber war schon vor der Krise falsch. Jetzt müssen diese diskriminierenden Gebühren endlich zugunsten einer Finanzierung von Uni Assist durch den Bund abgeschafft werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die wichtiges Knowhow über die internationalen Bildungssysteme angesammelt haben, sind zu entfristen und nach TVöD oder TV-L zu entlohnen. Die Aufgabe, die Beratung, Unterstützung und Transparenz in den Verfahren für ausländische Studienbewerberinnen und -bewerber zu verbessern, bleibt ebenso bestehen wie die Frage nach den Organisations- und Entscheidungsstrukturen von Uni Assist.