Zum Hauptinhalt springen
Michael Schlecht

Freihandel gegen die Menschen

Von Michael Schlecht, MdB, Wirtschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag und Mitglied des Parteivorstandes

Die EU und die USA verhandeln derzeit über ein Freihandelsabkommen. Viele denken an Abbau von Zöllen und Grenzen. Eigentlich doch gar nicht schlecht. Aber dieses Abkommen brächte den meisten Menschen jedoch nur Nachteile und wenigen mehr Profit.

Die Verhandlungen über die so genannte Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) laufen bereits seit Monaten und zwar hinter verschlossenen Türen. Schon das allein spricht gegen das Abkommen - wäre es zu aller Nutzen, bräuchte es keine Geheimhaltung.

Inhaltlich geht es um einerseits Zollsenkungen, vor allem aber um die "Anpassung" von Gesetzen, Zulassungs- und Kontrollverfahren sowie Verpackungs- und Informationsvorschriften. Und dies hat es in sich! All diese Rechtsnormen gelten den neoliberalen Freihandels-Fans als "nicht-tariffäre Handelshemmnisse". Außerdem stehen Gesetze zum Investorenschutz auf der Agenda - bei allen künftigen Gesetzesvorhaben könnte damit künftig geprüft werden, ob sie Handel und Investitionen behindern.

Lobbyisten, EU-Kommissare und Bundesregierung trommeln für TTIP. Sie eröffne die Chance, dass die zwei größten Handelsräume weltweit Maßstäbe setzen, wirbt Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Er verspricht "weltweite Fortschritte bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten, Verbraucherschutz und Arbeitnehmerrechten". EU-Handelskommissar Karel de Gucht stellt einen "beispiellosen Impuls" für die Wirtschaft der EU in Aussicht.

Wie der aussehen könnte, hat das Institut CEPR ausgerechnet. Es sagt in einem "optimistischen Szenario" bis zum Jahr 2027 einen Wachstumsschub von 0,5 Prozent für die EU und von 0,4 Prozent für die USA voraus. Selbst wenn das erreicht würde - der versprochene Zuwachs ist ein Witz. Die CEPR-Prognose entspräche einem zusätzlichen Wirtschaftswachstum von 0,03 Prozent pro Jahr. Das soll ein "beispielloser Impuls" sein? Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zu den TTIP-Wirkungen kommt auf einen Zuwachs von 160.000 Arbeitsplätzen in Deutschland innerhalb von 10 bis 20 Jahren. Das ist schon das "optimistische Szenario" - und ebenfalls lächerlich. Es entspräche 8000 bis 16.000 neuen Jobs pro Jahr - und insgesamt einem Anstieg der deutschen Beschäftigung um magere 0,4 Prozent.

Auch der US-Wirtschaft brächte TTIP übrigens nichts. "Ich bin eigentlich ein Freund des Freihandels", schrieb kürzlich der US-Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman, "aber ich wäre nicht enttäuscht, eher ein bisschen erleichtert, wenn TTIP einfach verschwindet."

Soviel zum "Nutzen" von TTIP. Der Schaden des Freihandelsabkommens hingegen wäre riesig. Mühsam erkämpfte Rechte, Standards und Schutzmechanismen würden über Bord geworfen. Drei Beispiele von vielen:

Beim Umweltschutz gilt in der EU: Ein Unternehmen muss beweisen, dass zum Beispiel eine Substanz unschädlich ist. In den USA dagegen darf diese Substanz auf den Markt, bis bewiesen ist, dass sie schädlich ist. Eine "Harmonisierung" würde bedeuten: Die - schlechtere - US-Regel gilt.

Schon heute leidet die Versorgung von Patienten unter der harten Konkurrenz von öffentlichen und privaten Krankenhausträgern. Künftig würden US-Gesundheitsdienstleister mit in den Ring steigen. Logische Folge: Die Qualität der Versorgung sinkt weiter, ebenso wie die Löhne der Beschäftigten.

Mit TTIP soll das öffentliche Beschaffungswesen liberalisiert werden. Wenn der Staat Aufträge ausschreibt, dürfen sich dann auch US-Konzerne bewerben. Von der verschärften Konkurrenz profitieren die großen Unternehmen, kleine und mittlere Firmen unterliegen.

Insgesamt soll TTIP dazu dienen, den Wettbewerbsdruck zu erhöhen, um mehr "Wettbewerbsfähigkeit" herzustellen. Damit, so die Hoffnung der TTIP-Freunde, können die USA und die EU mit Schwellenländern wie China mithalten. Das bedeutet letztlich: Löhne und Arbeitsstandards sollen in Richtung chinesisches Niveau gedrückt werden. Davon profitieren bestenfalls die großen Konzerne - aber keineswegs "wir alle". Das belegen selbst jene Berechnungen zu den Folgen des TTIP, die die EU in Auftrag gegeben hat.

Die LINKE fordert daher: TTIP im Atlantik versenken!