Gemeinsam die Bedingungen linker Politik hier in Griechenland und europaweit verbessern
Grußwort von Lothar Bisky, Vorsitzender der Partei der Europäischen Linken und Vorsitzender der Partei DIE LINKE, auf dem Parteitag von Synapismos in Athen
Es gilt das gesprochene Wort.
Liebe Genossinnen und Genossen, linke Parteien Europas können in die Offensive kommen, wenn sie sich den Herausforderungen einer friedlichen, demokratischen und sozialen europäischen Integration stellen.
Die Mitglieder der Partei der Europäischen Linken verstehen deshalb diese Partei als ein offenes, plurales, als ein lernendes Projekt.
Wir wollen die Arbeit in den Netzwerken der Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, der Frauen, der Wirtschafts- und Friedenspolitik ausbauen und in spürbare Politik verwandeln.
Ich bin froh, dass Ihr mit Euren Erfahrungen und Euren Ideen zu den sehr aktiven Gründungsmitgliedern der Partei der Europäischen Linken gehört.
(Wir haben uns mit Euch über den Wahlerfolg der SYRIZA-Liste im September vergangenen Jahres gefreut!)
Liebe Genossinnen und Genossen, vor reichlich zwei Jahren, im Oktober 2005 hat die Europäische Linke Euch als fantastische Gastgeber des 1. Kongresses in Athen erlebt.
Auf dem 1. Kongress haben wir das Ziel gemeinsam für ein anderes Europa zu kämpfen bekräftigt.
Wir haben die schwierigen Bedingungen linker Politik damals gut eingeschätzt.
Man kann es zwei Jahre später deutlich sehen:Das Zustandekommen des Lissabonner EU-Vertrages, sein Inhalt und die Art und Weise der Ratifikation zeigen, dass sich die Regierungen Europas immer noch erlauben, die Voten der Bürgerinnen und Bürger – die Sprache der Referenden in Frankreich und den Niederlanden – zu ignorieren.
Nach wie vor bestimmen eine radikale Marktorientierung und Aufrüstung die politischen Grundlagen der Europäischen Union.
Das ist die Wirklichkeit heutiger europäischer Politik.
Der Wiener Schriftsteller Robert Musil hat einmal gesagt, "wenn es Wirklichkeitssinn gibt, muss es auch Möglichkeitssinn geben."
In der europäischen Integration steckt die Möglichkeit, auf die sozialen, ökologischen und demokratischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gemeinsam alternative Antworten der Linken zu finden. Da bitte ich um Eure Mitarbeit!
Die Kämpfe der Arbeiterbewegung und der Gewerkschaften im 19. und 20. Jahrhundert wurden innerhalb der Nationalstaaten geführt und haben den Kapitalismus der freien Konkurrenz teilweise fesseln können.
Heute, im globalen, digitalen Kapitalismus sind unsere Kämpfe nur erfolgreich, wenn wir sie auch in der europäischen Ebene konsequent führen.
Im Gründungsmanifest der Europäischen Linken hatten wir festgehalten: "Für uns ist Europa in der internationalen Politik ein Raum für das Wiedererstehen des Kampfes um eine andere Gesellschaft. Ihre Ziele sind Frieden und die Transformation der gegenwärtigen kapitalistischen Verhältnisse. … Unsere Ziele sind Emanzipation des Menschen, Befreiung der Frauen und Männer von Unterdrückung, Ausbeutung und Ausgrenzung."
Wie gehen davon aus, dass eine nachhaltige europäische Integration ohne die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger nicht gelingt.
Deshalb fordern wir ein, dass sich die europäische Politik, den Interessen der Bürgerinnen und Bürger gründet und damit ein soziales, ökologisches und zivilesEuropa in den Mittelpunkt stellt.
Die europäische Idee basiert auf Demokratie, Solidarität, kultureller Vielfalt.
Europas Möglichkeiten liegen nicht im Traum von Freihandelszonen und höheren Renditen, sondern im politischen Projekt des Friedens und eines europäischen Sozialmodells.
Vor eineinhalb Jahren sagte der US-Ökonom Jeremy Rifkin in einem Interview: "Der europäische Traum beruht auf Kooperation. Deshalb passt er auch in die globalisierte Welt – im Gegensatz zum individualistischen amerikanischen Traum." (Die Presse, Wien, 20.Juli 2006)
Liebe Freunde, der Vertrag von Lissabon ist nicht an den Bedürfnissen der Menschen orientiert.
Im Gegenteil: Der Vertrag legt die Grundlagen für eine vorwiegend militärisch geprägte EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik, stellt Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik unter den Vorbehalt der globalen Wettbewerbsfähigkeit.
Der Lissabonner Vertrag befördert die Entwicklung eines Kerneuropas.
Damit werden die Möglichkeiten der europäischen Integration erneut nur halbherzig genutzt.
Diese Fehlentwicklungen, die politische Krise der Europäischen Union werden durch den Vertrag von Lissabon trotz einer Reihe positiver Veränderungen – festgeschrieben.
Die Europäische Linkspartei hat auf ihrem 2. Kongress in Prag festgehalten:Wir lehnen den Vertrag von Lissabon ab! Wir setzen uns dafür ein, dass in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Bürgerinnen und Bürger das Recht erhalten, über diesen Vertrag per Referendum zu entscheiden.
Genossinnen und Genossen, die Ablehnung dieses Vertrages und die damit verbundenen Debatte um die europäischen Perspektiven – das ist nur der erste Schritt.
Wenn wir die Politik in der gegenwärtigen europäischen Integration verändern wollen – und das wollen wir – dann kommt es darauf an, politische Mehrheiten für unsere Alternativen zu finden.
Genossinnen und Genossen, heute hat sich die NATO-Tagung in Vilnius mit der katastrophalen Sicherheitslage in Afghanistan befasst. Jetzt spricht man in Vilnius von der "Ausweitung der Kampfzone". Das zeigt einmal mehr, das Denken in Kategorien einer militärischer Logik wird fortgesetzt. Dazu sagt die LINKE als politische Partei eindeutig Nein!
Das lehnen auch immer mehr Menschen in allen kriegsbeteiligten Staaten ab.
Die USA und die Falken in der EU-Politik setzen weiterhin auf Krieg als Mittel der Politik.
Sie rüsten weiter auf um ihre Hegemonie im internationalen Zusammenleben der Staaten und maximale Profitraten des US- und internationalen Finanzkapitals zu sichern.
Ich sage klar und entschieden: das geht nicht mit der Linken! Wir lehnen Krieg als Mittel von Politik ab!
Wir stellen uns der weiteren Militarisierung der internationalen Beziehungen entgegen. Wir unterstützen die Bürgerinnen und Bürger in Tschechien und Polen in ihren Protesten gegen geplante Raketenabwehrsysteme der USA.
Wir sind mit allen solidarisch, die sich gegen die wachsende militärische Präsenz der USA auf dem Balkan stellen.
Abrüstung, politischer Dialog und die strikte Durchsetzung des Völkerrechts sind die einzig wirksamen Mittel zur Lösung innerstaatlicher und zwischenstaatlicher Interessenskonflikte und die Garantie für dauerhaften Frieden und Stabilität im Interesse aller Menschen und der Umwelt.
Ob Kosovo, Libanon, Irak oder auch Iran: die EU und die europäischen Länder haben eine Verantwortung für eine eigenständige wirksame Friedenspolitik.
Liebe Genossinnen und Genossen, die Europäische Linke steht für nukleare Abrüstung, für das entschiedene Duchbrechen des Teufelskreises von Krieg und Gewalt. 60 Jahre NATO sind genug! Das militärische Blockdenken und das Wettrüsten hat keine Zukunft.
Der 2. Kongress der EL hat dazu in seinem Prager Appell eindeutig formuliert: Wir sind die Linke, die gegen Krieg, für Frieden und Abrüstung kämpft!
Ich weiß mich dabei mit Euch einig und bedanke mich für die stete solidarische Unterstützung von Synaspismos für die Stärkung des Völkerrechts, die Bewahrung und den Erhalt des UNO-Systems, die Friedensaktivitäten im Nahen und Mittleren Osten und auf dem Balkan insbesondere!
Genossinnen und Genossen, Die überwiegende Mehrheit der Menschen ist für soziale und ökologische Gerechtigkeit, für eine friedliche Entwicklung. Daran knüpfen wir an.
Wir werden für die Europawahlen 2009 eine gemeinsame Wahlplattform bilden.
Dies hindert unsere Mitgliedparteien nicht, die je regionalen und nationalen Konflikte im Wahlkampf aufzugreifen.
Griechenland kennt z. B. gesetzliche Mindestlöhne. Deutschland nicht. Doch die prekäre Beschäftigung nimmt europaweit rasant zu und die Lohnspirale nach unten dreht sich unaufhörlich.
Deshalb treten wir für europaweite Mindestlöhne für hohe Sozial- und Umweltstandards ein.Wir haben uns vorgenommen, soziale Mindeststandards für alle Mitgliedsländer der EU auszuarbeiten und in die politischen Auseinandersetzungen einzubringen.
Wir kämpfen gegen Privatisierung und Liberalisierung öffentlicher Unternehmen und öffentlichen Eigentums. Wir vertreten Bürger-, soziale und gewerkschaftliche Rechte und fordern Bildung und Kultur für Alle.
Im Kampf gegen Krieg und Militarisierung ist die Europäische Linke nicht allein. Dafür gibt es Partner, die mit uns für diese Ziele eintreten.
Aus diesen Kämpfen heraus wird die Erkenntnis wachsen, dass soziale und ökologische Korrekturen nicht reichen.
Der Übergang zu einer völlig neuen sozial-ökologisch verträglichen Arbeits- und Lebensweise steht auf dem Programm.
Eine sozialistische Transformation im 21. Jahrhundert basiert auf Demokratie und Solidarität.
Wir brauchen jeden Beitrag in diesem Prozess einer wachsenden europäischen Linken.
Ich freue mich, dass ihr in den kommenden Tagen hier in Athen euren Beitrag für unsere gemeinsame Arbeit verabredet.
Ich freue mich, dass wir gemeinsam die Bedingungen linker Politik hier in Griechenland und europaweit verbessern.
In den Mittelmeerregionen entstehen oft neue Ideen, die dann in ganz Europa diskutiert werden, zum Beispiel
- für eine menschenwürdige Migrationspolitik zwischen den Kontinenten,
- für friedliche Konfliktlösungen im Nahen Osten,
- für fairen Handel und Wirtschaftsgerechtigkeit,
- für die ökologische Balance und die Chancen kultureller Vielfalt.
Wir brauchen Eure politischen Erfahrungen und Eure Vorschläge.
Genossinnen und Genossen, gemeinsam können wir Europa verändern!
Ich wünsche Euch viel Erfolg auf dem Parteitag. Danke.