Gemeinsam können wir Europa verändern
Statement von Lothar Bisky auf der Pressekonferenz im Rahmen der Wahlkonferenz der Partei der Eurpäischen Linken in Berlin
Meine Damen und Herren, an diesem Wochenende sind in Berlin die Vertreterinnen und Vertreter der Partei der Europäischen Linken zusammengekommen, um eine gemeinsame Wahlplattform für die Europawahlen im nächsten Jahr zu beschließen.
Das ist neu. Zum ersten Mal haben sich die 19 Mitglieds- und 11 Beobachterparteien aus 23 Ländern Europas auf gemeinsame Kernaussagen geeinigt, mit denen wir in den Wahlkampf ziehen und die Europäische Linke in den Auseinandersetzungen um die Zukunft Europas erkennbar machen wollen.
Die Wahlplattform steht unter der Überschrift „Gemeinsam für einen Wechsel in Europa“ - denn ein politischer Kurswechsel ist nötig. Die gegenwärtige Finanz- und weltweite Wirtschaftskrise – einige sprechen bereits von einer System- und Gesellschaftskrise – zeigt das Scheitern der neoliberalen Heilsversprechungen. Auf dieser gescheiterten Ideologie baut aber die bisherige Architektur der europäischen Verträge auf.
Es ist eine Ironie der Geschichte, dass diese zugleich die Instrumente bereitstellen, um diese Geburtsfehler zu beseitigen. In diesem Sinne sage ich noch einmal ganz klar: Die Europäische Linke ist pro-europäisch und vertritt pro-europäische Positionen. Wir wollen die europäische Integration, aber wir wollen eine europäische Integration, die die Interessen der Mehrheit der Menschen und nicht die Interessen einiger transnationaler Konzerne und der Finanzmärkte in den Mittelpunkt stellt. Die Finanzmarktkrise darf nicht zu einer neuen Runde der Umverteilung von unten nach oben werden.
Das heißt im Einzelnen:
Die Europäische Linke will eine soziale und ökologische Regulierung der Europäischen Wirtschaft. Die Investitionen zur Überwindung der Krise müssen sich an den Interessen der „kleinen Leute“ - der Arbeitslosen, der immer zunehmend nur noch prekär Beschäftigten, der um ihre festen Arbeitsplätze bangenden Arbeiter und Angestellten, der Rentner, Auszubildenden und Studierenden orientieren:
Sicherung von Arbeitsplätzen, Ersparnissen und Renten, Restrukturierung der Wirtschaft hin zu zukunftsbezogener Produktion und weltweit nachhaltiger Wirtschaftsweise.
Das Statut und die Aufgaben der Europäischen Zentralbank sind spätestens jetzt dringend zu ändern: Beschäftigung und ökologische Entwicklung müssen zu Kriterien ihres Handelns werden. Der von den Regierenden in den EU-Ländern sowie von EU-Rat wie -Kommission bisher so vielzitierte Wachstums- und Stabilitätspakt ist Makulatur. Dieser muss durch einen Solidarpakt, ausgerichtet auf Beschäftigungs-, soziale und ökologische Kriterien, ersetzt werden.
Die Europäische Linke will europäische Mindeststandards zur Armutsverhinderung, beispielsweise einen europäischen Mindestlohn von 60 Prozent des Durchschnittseinkommens in den jeweiligen Ländern.
Wir wollen eine deutliche Verstärkung der Anstrengungen der Europäischen Union zum Klimaschutz und für eine ökologisch nachhaltige Entwicklung. Wir wissen um die Verpflichtung der Linken hier und in Europa: Umwelt-, Klima- und Energiefragen können nur im engsten Kontext mit den sozialen Fragen gelöst werden.
Die Europäische Linke steht für ein friedliches und auf Zusammenarbeit orientiertes Europa. Wir streben die friedliche Lösung von Konflikten an. Die Europäische Linke bekräftigt ihre Forderung nach Auflösung der NATO. Wir lehnen die Logik von Militärblöcken ab und unterstreichen unseren entschiedenen Widerstand gegen alle Ansätze einer Militarisierung der Europäischen Union. Und ganz aktuell sage ich: Wir lehnen eine Erweiterung der NATO ab, ob mit Segen des NATO-Rates oder gar an ihm vorbei, wie der scheidende US-Präsident Bush Obama als Hypothek auflasten will.
Wir unterstützen sowohl die polnische, tschechische, bulgarische und rumänische Bevölkerung in ihrem Widerstand gegen den US-amerikanischen Raketenabwehrschild als auch in vielen anderen Teilen Europas gegen die Erweiterung von Militärbasen der USA oder der NATO, wie in Vicenza (Italien). Und das soll auch nicht durch andere Aktivitäten militärischer Aufrüstung der EU ersetzt werden.
Die Europäische Linke will ein demokratisches Europa. Die Menschen in der Europäischen Union müssen die Möglichkeit bekommen, selbst die Entwicklung zu bestimmen – nicht nur durch die Wahl der Parlamentarierinnen und Parlamentarier, sondern durch mehr direkte Beteiligung an Entscheidungen der EU – ob mittels Volksbefragungen und -abstimmungen oder Referenden. Dann ist Politik gefordert, die Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen, sie direkt an der weiteren Entwicklung zu beteiligen.
Die Europäische Linke sagt auch: Europa ist mehr als die Europäische Union. Dem muss die Politik der EU Rechnung tragen. Wir wollen keine Festung Europa, an deren Grenzen Menschen in Not abgewiesen werden. Und wir wehren uns gegen jede Einschränkung der Menschen- und Bürgerrechte im Namen einer vermeintlichen Sicherheit. Glücklicherweise scheint es ja so, als ob wenigstens der geplante Nacktscanner am Flughafen vom Tisch wäre…
Sehr geehrte Damen und Herren! Die Anzeichen, dass der Weltwirtschaft eine mehrjährige schwere Rezession bevorsteht, mehren sich. Wenn alle Welt nach dem Staat als Rettungsanker ruft, wenn ohne Staatsbürgschaften nicht mehr geht – dann muss die Linke in Europa neue Fragen stellen und neue Antworten suchen.
Die Europäische Linke ist zutiefst überzeugt:
Ein anderes Europa ist möglich.
Ein anderes Europa ist nötig.
Die Europäische Linke hat Vorschläge dafür.
Gemeinsam können wir Europa verändern.
Ich danke Ihnen.