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Bernd Riexinger

Höchste Zeit für Renteneinheit

Statement von Bernd Riexinger, Vorsitzender der Partei DIE LINKE, auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus

Guten Tag, statt wiederkehrender Sonne haben wir das wiederkehrende Thema der Aktivitäten des BND. Wir erfahren immer über die Medien, dass der BND etwas macht, was er vorher dementiert hat. So wurde gegenüber dem parlamentarischen Kontrollgremium dementiert, dass die amerikanischen "Freunde" ausspioniert werden. Jetzt hat sich gezeigt, dass dies doch getan wird und zudem auch die Türkei als NATO- Partner ausspioniert wird. Das zeigt, dass sich die Verselbstständigung der Nachrichtendienste in einem Ausmaß verbreitet hat, wie wir uns das alle nicht vorstellen können. Das müssen wir als hochbedrohlich ansehen, auch für die demokratischen Grundsätze in diesem Land. Die große Frage, die sich stellt, ist: Haben sich da nicht in Wirklichkeit schon gewisse Monsterzustände herausgebildet, wo die Geheimdienste, die Nachrichtendienste agieren? Und das außerhalb jeglicher parlamentarischer Kontrolle.

Hier muss ganz klar das Primat der Politik wieder hergestellt werden, die Geheimdienste müssen von der Politik, vom Parlament, kontrolliert werden und es muss dafür Sorge getragen werden, dass sie der demokratischen Kontrolle unterliegen. Unabhängig davon, dass wir sowieso der Meinung sind, sie sind überflüssig.

Ich will gar nicht beurteilen, ob da jetzt ein Ausgleich für die Spionage der USA hergestellt wird. Das halte ich für die falsche Debatte. Auf beiden Seiten haben sich hier Verselbständigungsprozesse herausgebildet, die nicht akzeptabel sind. Gleichzeitig muss jetzt aber auch geprüft werden, wer hat das Parlament angelogen. Es wurde deutlich gesagt, dass wir nicht spionieren. Deswegen will ich das insofern schon personalisieren, dass im Mittelpunkt dieser Affäre natürlich der BND- Chef Schindler steht ebenso wie Kanzleramtschef Altmaier. Sie müssen der Öffentlichkeit und im Parlament erklären, wer jetzt eigentlich die Wahrheit gesagt hat und wer gelogen hat. Und ich glaube, man muss Beiden raten, das sehr schnell zu tun.

Zweitens zur Lage im Irak: Die Bilder erschüttern, die wir da jeden Tag sehen und die Frage drängt sich auf, wie eigentlich eine Lösung dieses Konflikts herbeigeführt werden kann. Es übertreffen sich gegenwärtig die Forderungen nach Interventionen bzw. nach Waffenlieferungen an die Kurden. Ein wenig ist es auch eine Verdrehung der Geschichte: Da werden auf einmal Kräfte unterstützt, von denen man in der Vergangenheit eigentlich gar nichts wissen wollte.

Ich weise darauf hin, dass wir alle gut beraten sind, hier kühlen Kopf zu bewahren. Es ist nicht so, dass hier kurzfristig das Problem gelöst werden kann, durch eine Ausdehnung der Waffenlieferungen oder durch die direkten Interventionen. Es mangelt im Irak sicher an Vielem, aber nicht an Waffen. In der Vergangenheit habe ich, was die Außenpolitik betrifft, Jürgen Trittin nicht sehr oft recht geben können. Aber wenn er jetzt sagt, wir brauchen nicht praktisch neue Waffenlieferungen, sondern wir brauchen eine neue Nahost-Politik, die dauerhaft diesen Konflikt befriedet, dann hat er sicherlich Recht. Das Richtige, das getan werden muss, ist die Intensivierung der humanitären Hilfe. Wir müssen Hilfsgüter in die Region bringen, wir müssen vor allen Dingen mehr Flüchtlinge aufnehmen und wir müssen auch den Druck auf die Türkei erhöhen. Es kann nicht sein, dass immer noch nachlässig mit dieser Terrorgruppe ISIS umgegangen wird: Die Türkei muss dafür Sorge tragen, dass ISIS nicht offene Grenzen vorfindet. Die Türkei ist immerhin unser NATO-Partner und man muss verlangen, dass mit solchen Kräften anders umgegangen wird. ISIS ist ja auch von der Türkei aufgerüstet, toleriert und unterstützt worden, als sie noch gegen Assad gekämpft haben. Man ist gut beraten, die Finger davon zu lassen, solche Gruppen stellvertretend für die eigenen Interessen kämpfen zu lassen.

Zur Lage in der Ukraine: In der Ukraine wird weiter geschossen und der Konflikt ist auf keinen Fall befriedet. Ja, besteht es nicht einmal eine große Aussicht darauf, dass er schnell befriedet werden kann. Die Ursachen haben wir hier schon öfter dargelegt. Natürlich begrüßen auch wir, dass der deutsche Außenminister jetzt versucht, die beiden Außenminister der Ukraine und von Russland an einen Tisch zu bringen, um gemeinsam nach einer friedlichen Lösung zu suchen. Wir haben immer schon gesagt: "Lieber 1000 Stunden verhandeln, als eine Stunde schießen!"

Der Westen, und das wiederhole ich noch einmal, hat in diesem Konflikt Partei ergriffen und es ist die Frage, ob er auf Dauer geeignet ist, als Schiedsrichter, Moderator oder Vermittler in diesem Konflikt aufzutreten. Zumal immer noch die ukrainische Regierung nicht zur Mäßigung ihrer militärischen Operationen gedrängt wird. Dies jedoch scheint mir dringend notwendig zu sein. Im Kern wäre das die Stunde der UNO oder der OSZE hier zu vermitteln, eine offizielle Vermittlungsinstanz einzuführen. Im Prinzip brauchen wir neben dem Waffenstillstand in der Ukraine dringend so etwas wie eine demilitarisierte Zone im Osten der Ukraine. Das wäre zumindest ein Weg, wie dauerhaft Frieden hergestellt werden kann.

Ein letzter Punkt: die 3 anstehenden Landtagswahlen im Osten, in Sachsen schon am 31. August, dann in Brandenburg und Thüringen 2 Wochen später. Selbstverständlich haben wir klare Ziele für diese Wahlen. In Sachsen wollen wir die kontinuierliche Herrschaft der CDU in diesem Land brechen. In Brandenburg wollen wir die Rot-Rote-Koalition fortsetzen und in Thüringen wollen wir so stark werden, dass ein erster linker Ministerpräsident regieren kann.

Nach dieser Pressekonferenz beginne ich selber mit einer Sommertour durch die 3 Länder. Die erste Etappe führt mich nach Sachsen. DIE LINKE führt dort einen engagierten Wahlkampf, obwohl die CDU, die Landesregierung, den Wahltermin praktisch auf den letzten Tag der Ferien gelegt hat und selbst eigentlich kein Interesse an einem Wahlkampf hat. Wir aber wollen die Gelegenheit nutzen, ich will die Gelegenheit nutzen, und meinen Beitrag zu leisten. Ich werde in Terminen mit Beschäftigten, in Krankenhäusern, bei Amazon, bei Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern und natürlich an den Infoständen der LINKEN, auf vielen Veranstaltungen mit dazu beitragen, dass die LINKE dort einen erfolgreichen Wahlkampf führt.

Zumal Frau Merkel ja in der letzten Woche den Eindruck zu erwecken versuchte, als wäre im Osten der Republik alles in bester Ordnung und die ostdeutschen Bundesländer seien auf dem richtigen Weg und insbesondere sie selbst hätte doch einiges dazu beigetragen das dem so ist. Da kann man nur widersprechen. Wir haben immer noch keine Rentengerechtigkeit zwischen Ost und West. Ein ostdeutscher Rentner oder eine Rentnerin bekommt bei gleicher Erwerbsbiographie noch 100 bis 120 Euro weniger als ein Westrentner oder eine Westrentnerin. Bei der Mütterrente ist ein Ostkind immer noch knapp 4,50 € weniger wert als ein Nachwuchs aus dem Westen. Ihre Ankündigung, die Renteneinheit bis 2020 herzustellen, stellt uns keinesfalls zufrieden. Wir sagen, sie muss spätestens bis 2017 kommen und darf nicht auf künftige Regierungsperioden verschoben werden. Es ist höchste Zeit.

Wir sehen auch noch ein paar andere Probleme, die im Osten speziell sind. Nach wie vor ist die Arbeitslosigkeit prozentual doppelt so hoch. Das wird zusätzlich noch relativiert, wenn man die vielen Pendlerströme einrechnet. Wir haben nach wie vor eine Wanderungsbewegung vieler junger Menschen und damit Leerzug ganzer Landstriche im Osten. Wir haben eine ärztliche Unterversorgung im ländlichen Bereich, die evident ist und beängstigte Ausmaße annimmt. Wir haben eine strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen, die deutlich höher ist als in anderen Regionen des Landes und die nur verdeckt wird durch die vielen Fördertöpfe. Wenn diese auslaufen, werden viele Kommunen in richtig große Probleme kommen. Der Niedriglohnbereich und die prekäre Arbeitsverhältnisse sind im Osten überdurchschnittlich hoch.

Wir haben einen klaren Gegenentwurf zu der Politik des "Weiter so". Das bedeutet: Wir wollen einen Paradigmenwechsel hin zum sozialökologischem Umbau. Da werden in Ostdeutschland auch schon gute Sachen probiert auf kommunaler Ebene. Wir wollen eine bessere Bildung. Wir wollen eine solide wirtschaftliche Grundlage schaffen, wir wollen offensive Strukturpolitik befördern, dass neue Industrien angesiedelt werden. Und wir wollen natürlich diese Unterschiede bei Löhnen Arbeitsbedingungen, Renten beseitigen.

Insofern hat die Bevölkerung in Ostdeutschland eine klare Alternative und die bietet DIE LINKE. Natürlich wird es im besonderen Maße interessant für die bundesrepublikanische Diskussion, wenn wir es tatsächlich schaffen in Thüringen einen Wahlerfolg einzufahren und auch noch den Ministerpräsidenten zu stellen. Ich glaube, das wird die Debatte in Deutschland insgesamt auch über die Rolle der LINKEN in der Politik noch einmal in Fluss bringen.

Herzlichen Dank!