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Michael Schlecht

Investitionen sinken - kein Wunder!

Investoren sind die heiligen Kühe der Politik. Für sie werden Kürzungsprogramme aufgelegt, Lohnstückkosten gebremst und die Steuern gesenkt. Alles nur, damit mehr investiert wird. "Angebotspolitik" nennt man das. Dumm nur: Die Unternehmen investieren immer weniger. Kein Wunder bei den "Angeboten". - Von Michael Schlecht, MdB, Wirtschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag

Es stimmt ja: Investitionen sind enorm wichtig. Nur wenn investiert wird, können neue Jobs, Einkommen und Wohlstand entstehen und auch die Schulden bedient werden. Daher rollt die Politik seit Jahren den Investoren den roten Teppich aus. Zum Beispiel wird an den Staatsausgaben gespart. Denn das soll laut herrschender ökonomischer Irrlehre die Investitionstätigkeit anregen, weil die Investoren dann keine höheren Abgaben in der Zukunft fürchten.

Zudem wurden die Gewerkschaften geschwächt und damit die Lohnentwicklung ausgebremst, der Arbeitsmarkt flexibilisiert, die Arbeitslosen werden gepiesackt. Mit Erfolg: In Deutschland ist ein riesiger Niedriglohnsektor entstanden. Ex-Kanzler Schröder war da besonders stolz drauf.

Die Logik dieser Strategie: Wenn man nur die Kosten für Unternehmen senkt, dann verdienen sie viel und investieren viel. Der Schönheitsfehler an dieser Strategie: Sie funktioniert nicht.

1970 betrug der Anteil der Investitionen an der Wirtschaftsleistung - die Investitionsquote - noch mehr als 28 Prozent, Anfang der neunziger immer noch 23 Prozent. Inzwischen liegt die Investitionsquote nur noch bei knapp 17 Prozent. Die Investitionen der Unternehmen in Maschinen und andere Ausrüstungen gingen 2013 um 2,2 Prozent zurück.

Besonders schlimm sieht es aus, wenn man den jährlichen Verschleiß herausrechnet, also Bruttoinvestitionen abzüglich Abschreibungen betrachtet. Die Quote der Netto-Anlageinvestitionen liegt nur noch bei zwei bis drei Prozent!

Noch deutlicher wird die Absurdität der herrschenden Lehre und Wirtschaftspolitik, wenn man die Netto-Investitionen in Bezug zu den Gewinneinkommen der Unternehmer setzt. Hier zeigt sich: 1991 investierte das Kapital noch rund 40 Prozent seines Einkommens in die Realwirtschaft. 2012 waren es nur noch zehn und letztes Jahr nur noch neun Prozent! Gewinn bzw. Profitförderung bringt für die Investitionen und letztlich für die Arbeitsplätze kaum noch etwas. Gerade einmal ein Zehntel ihrer Profite stecken die Unternehmer in die Erweiterungen der Betriebe.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat die deutschen Investitionen mit denen im Euro-Raum verglichen und kommt auf eine addierte Investitionslücke hierzulande von rund einer Billion Euro seit 1999.

Jetzt macht selbst die EU Druck: "Das niedrige Investitionsniveau wird in Deutschland zunehmend als Problem erkannt", sagte Währungskommissar Olli Rehn. Und auch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gibt zu, dass eine Investitionsquote von 17 Prozent der Wirtschaftsleistung zu niedrig ist angesichts eines Durchschnitts in der OECD von 20 Prozent.

Warum aber wird immer weniger investiert, obwohl Geld da ist und die Zinsen niedrig liegen? Es fehlt an Nachfrage. Wenn Beschäftigte und Staat auf Kürzungs-Diät gesetzt werden, dann sind die Absatzaussichten mau, und dann kaufen Firmen keine neue Anlagen und Maschinen - so billig Beschäftigte und Staat auch sein mögen.

Zwar wird viel vom deutschen "Job-Wunder" und wieder steigenden Einkommen erzählt. Fakt ist: Der durchschnittliche Reallohn eines Beschäftigten liegt heute immer noch um 3,7 Prozent niedriger als im Jahr 2000. Die Unternehmens- und Vermögenseinkommen dagegen haben trotz Finanzkrise um mehr als 60 Prozent zugelegt!

"Wichtig ist vor allem eine weitere Belebung der privaten und öffentlichen Investitionstätigkeit", sagt zwar Gabriel. Dazu brauchen die Menschen aber mehr in der Tasche. Die Löhne müssen auf Jahre hinaus um vier bis fünf Prozent steigen. Deshalb muss die Kampfkraft der Gewerkschaften wieder gestärkt werden. Dies erfordert ein konsequentes Verbot von Leiharbeit und sachgrundlosen Befristungen, die konsequente Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen sowie die Abschaffung des Zwangssystems Hartz IV.