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Axel Troost

Italien: Bail-in darf nicht zur neuen Religion werden

Von Axel Troost, stellvertretender Vorsitzender der Partei DIE LINKE und finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE

Ende Juni legte die italienische Regierung überraschend den Vorschlag eines Bankenrettungspakets auf den Tisch. Nach dem Brexit-Referendum waren europaweit die Kurse von Bankaktien abgerutscht. Von einer "Welle der Unsicherheit, die gravierende Auswirkungen auf die Finanzmärkte habe", wie der italienische Finanzminister Padoan in der Bild-Zeitung schrieb, war aber - zumindest außerhalb Italiens - eher wenig zu spüren. Der erwähnte Kursrutsch war lediglich einer von mehreren seit Anfang dieses Jahres. Entsprechend zeigte kaum jemand Verständnis für eine massive Intervention mit Staatsgeldern.

Ob der Brexit-Entscheid nun nur ein Vorwand war oder der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte - Italiens Bankensystem gilt seit langem als angeschlagen. Schon im Stresstest 2014 kamen neun von 25 durchgefallenen europäischen Banken aus Italien - neben der Bank Monte dei Paschi und der Banca Carige noch sieben Genossenschaftsbanken. Die daran anschließenden punktuellen Maßnahmen haben an der schwierigen Lage nur wenig geändert.

Italiens Wirtschaft lahmt seit Jahren. Die Wirtschaftsleistung (BIP) erreichte erst 2015 wieder den Stand von 2008. Die Arbeitslosigkeit ist von 6,5% auf über 11% gestiegen. Italien hat seit Ausbruch der Krise ein Viertel seiner Industrieproduktion verloren. 97 Prozent der Haushalte haben laut einer McKinsey-Studie ein niedrigeres oder gleich großes Markteinkommen wie vor zehn Jahren.[1] Die Krise wirkte sich auch auf die Banken aus.

Italiens Banken hatten weder in großem Stil in spekulative Finanzprodukte mit US-Immobilien investiert, noch gab es eine Immobilienblase wie in Spanien oder Irland. Italiens Wirtschaft geriet dennoch 2009 in den weltweiten Abwärtssog. Während vielerorts in Europa riesige Bankenrettungsprogramme geschnürt wurden, brachte der italienische Staat aber lediglich einen Kredit in Höhe von vier Mrd. Euro für die Bank Monte dei Paschi auf. Bis 2014 stieg das Volumen notleidender Kredite infolge der Rezessionen stark an. Die schleichende Zerrüttung der Bankbilanzen kam in den letzten beiden Jahren jedoch zum Erliegen.

Laut aktuellen Zahlen lasten immer noch 360 Mrd. Euro notleidender Kredite auf den Bilanzen der italienischen Banken (16% aller Bankkredite). Notleidend bedeutet, dass der Schuldner insolvent, säumig oder mit großer Wahrscheinlichkeit als zahlungsunfähig eingestuft wird. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass laut italienischer Zentralbank die Kredite im Aggregat praktisch vollständig durch Rückstellungen und Sicherheiten gedeckt sind.[2] Sie würden erst dann zum Knock-out führen, wenn die Banken durch realwirtschaftliche Veränderungen oder Intervention der Aufsicht zu einer Wertkorrektur gezwungen würden oder Investoren durch Zweifel oder Panik im großen Stil den Geldhahn zudrehen würden - alles keine undenkbaren Szenarien.

Als Reaktion darauf hat die italienische Regierung dieses Frühjahr den von der italienischen Finanzwirtschaft finanzierten Bankenrettungsfonds Atlante ins Leben gerufen. Sie hat auch einen eher dubios wirkenden Mechanismus eingeführt, mit dem Banken ihre notleidenden Kredite verbriefen, mit staatlichen Garantien absichern und damit leichter abstoßen können. Atlante soll einerseits hierbei unterstützen, andererseits aber auch Kapital in kriselnde Banken einschießen. Der Fonds ist jedoch nur 4,2 Mrd. Euro groß und inzwischen zu mehr als der Hälfte ausgeschöpft. Einer Vergrößerung sind Grenzen gesetzt, da er wegen des EU-Beihilferechts nur aus privaten Geldern gespeist werden darf.

Um die notleidenden Kredite abzubauen und das davon gebundene Kapital freizusetzen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Sie sind natürlich nur sinnvoll, wenn die Banken hinterher stärker dastünden. Eine Möglichkeit ist der natürliche Abbau, der jedoch durch die langwierigen italienischen Insolvenzverfahren erschwert wird (durchschnittlich 7 Jahre). Diese Verfahren sollen künftig deutlich beschleunigt werden. Eine andere Möglichkeit ist der Abbau durch Verkauf (bei einigen Banken wurde er schon von der Aufsicht erzwungen). Dies geht aber nur mit Abschlägen und bei groß angelegten Verkäufen würden die Verluste durch den damit einhergehenden Preisverfall noch verstärkt. Um dies zu vermeiden, könnten die notleidenden Kredite stattdessen in eine Bad Bank überführt und dort langsam abgewickelt werden. Ob die Bankbilanzen dadurch kurzfristig ent- oder belastet würden, hängt aber von den für die übertragenen Kredite festgesetzten Kursen ab. Zu hoch angesetzte Kurse wären ein Geschenk an die Banken (weswegen die EU-Kommission schon Vorschläge zu einer landesweiten Bad Bank als unzulässige Beihilfe abgelehnt hat), zu niedrig angesetzte Kurse würden neue Kapitallücken schaffen, die dann womöglich durch neu zugeführtes Kapital oder durch Verlustbeteiligung der Anteilseigner oder Gläubiger geschlossen werden müssten ("Bail-in"). Eine Bewertung zu Marktpreisen hätte genau das zur Folge. ...