Links wirkt
Lothar Bisky auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus über den Kongress der Europäischen Linken, einen Wahlerfolg in Brandenburg und den Parteitag der Grünen
Meine Damen und Herren, ich will kurz etwas zu Prag sagen: Die Europäische Linke - das ist der auf dem 2. Kongress in Prag zum Ausdruck gebrachte Wille - will größere Anstrengungen für eine gemeinsame linke Politik in Europa unternehmen. Wir haben einen Prager Aktionsappell für Frieden, Entwicklung und menschenwürdige Arbeit verabschiedet. Dazu gibt es politische Thesen, die eine Analyse der Situation in Europa beinhaltet. Beides ergibt eine gute Grundlage für die Vorbereitung der Europawahlen 2009. Manch einem erscheint es vielleicht zu früh, aber ich glaube, es ist nicht zu früh. Denn, wir werden jetzt in den einzelnen Parteien auf dieser Grundlage konkrete Positionen entwickeln.
Die Europäische Linke hat sich vorgenommen, eine gemeinsame Plattform für die Europawahlen zu entwickeln. Es geht ja um das Europäische Parlament. Und wir möchten gerne, dass eine starke Fraktion die Linke in Europa vertritt. Das ist ein realistisches Ziel.
Die Hauptforderungen für uns sind: Wir wollen eine Politik für ein friedliches Europa, für ein soziales und demokratisches Europa machen - ob in Rom, Berlin, Prag, Paris oder Warschau. Wir wissen, die Bedingungen sind in den einzelnen Ländern unterschiedlich, es wird deshalb auch nationale Besonderheiten geben. Aber wir werden eine gemeinsame Plattform haben, für die wir auch gemeinsam streiten. Das ist dann die neue Qualität der Zusammenarbeit.
Das friedliche Europa ist für uns besonders wichtig, aber auch das soziale Europa. Die Linke wird europapolitische Kenntlichkeit entwickeln. Das ist ja gegenwärtig noch nicht überall der Fall. Wir wollen Alternativen und realistische Vorschläge für ein anderes Europa auf die Tagesordnung zu setzen. Wir sagen ganz eindeutig, und das hat der Kongress auch bestätigt: Die Europäische Union braucht keine Aufrüstungsagentur. Wir sagen eindeutig: Der geplante Raketenschild der USA in Tschechien und Polen provoziert neue Aufrüstung. Wir setzen uns dafür ein, dass die Europäische Union eine Kultur des Friedens pflegt.
Eine Delegation des Kongresses war auf Einladung des Bürgermeisters von Trokavez vor Ort und hat sich über den geplanten Raketenschutzschild informiert. Die EL wird den Kampf der betroffenen Gemeinden gegen die USA-Pläne aktiv unterstützen.
Die Europäische Linkspartei will ein neues europäisches Sozialstaatsmodell. Sie wird es entwickeln, und sie wird es verteidigen. Das ist ein europäisches Sozialstaatsmodell gegen Lohndumping und für soziale Mindeststandards in Europa. Diese Forderung schließt eine aktive Beschäftigungspolitik, Schlussfolgerungen aus Strukturwandel und - das betone ich - Umweltfragen ein. Einer der Schwerpunkte des Prager Appells befasst sich mit der Klimasituation in Europa und dass die Linke das als Herausforderung für das Überleben erkannt hat.
Die Europäische Linkspartei sagt Nein zum Reformvertrag von Lissabon. Es ist der Reformvertrag der Staats- und Regierungschefs. Die Regierenden haben sich mit Arroganz über die Referenden in Frankreich und den Niederlanden hinweggesetzt. Das ist eine bemerkenswerte Arroganz. Sie tun so, als wäre die Europäische Union ihr Weekend House oder - wie man in Osteuropa sagt - ihre Datscha, wo die Regierungschefs sich beliebig tummeln können. Da muss die Linke aktiv werden, widerständig und deutlich. So geht es nicht. Um die EU zu stabilisieren, bedarf es mehr als Kosmetik. Die Partei der Europäischen Linken will kein Europa allein der Regierenden. Wir wollen ein Europa, in dem Bürgerinnen und Bürger selbstbestimmt leben können. Wir sammeln Unterschriften für die Forderung, in allen EU-Ländern Referenden durchzuführen - auch in Deutschland.
Die Europäische Linkspartei hat 400.000 Mitglieder. Wenn jeder ein, zwei oder drei Bekannte, die nicht in der Partei sind, gewinnt, dann hätten wir eine Zahl, über die es sich zu reden lohnt. Wir haben an alle appelliert, das doch zu tun.
Die Linke in Europa wird nur bestehen, wenn sie sich zusammenfindet und wenn sie ihre Wurzeln nicht vergisst. Ich möchte daran erinnern, dass sie ihre Wurzeln in Westeuropa hat, aber auch im Osten. Ich fühle mich besonders verpflichtet, dafür zu wirken, dass Linke aus Osteuropa eine Herausforderung in diesem neuen Projekt sehen. Es kommen auch aus Osteuropa Linke zur Partei der Europäischen Linken. Das muss so sein, damit es keine einseitige Europäische Union wird. Eine gemeinsame Politik für alle europäischen Länder ist möglich. Ob sie dann wirklich wird, das hängt auch von unseren Aktivitäten ab. Aber ich gehe da optimistisch heran, denn wir haben es geschafft, aus verschiedenen intensiven Debatten doch eine gemeinsame Basis mit den Thesen und mit dem Appell zu entwickeln.
Wir haben einen neuen Vorstand mit 38 Mitgliedern gewählt. Wir haben erstmals eine stellvertretende Vorsitzende, Gasiella Grasziella Mascia von der Rifondazione Comunista (www.rifondazione.it), Italien. Und wir haben als Schatzmeister Pedro Marset von der KP Spaniens gewählt. In Prag waren 258 Delegierte von 19 Mitglieds- und 11 Beobachterparteien aus 21 Ländern. Insgesamt konnten wir 505 Kongressteilnehmer zählen.
Ich möchte noch sagen, dass wir uns freuen, dass wir in der Stichwahl mit Klaus-Dieter Hartung in Hohen Neuendorf einen Bürgermeister gewonnen haben. Er hat sich in der Stichwahl gegen einen CDU-Bürgermeisterkandidaten durchgesetzt. Das ist der 12. Bürgermeister in Brandenburg und war mein Nachbar bis vor einem Jahr. Herr Hartung wird ein guter Bürgermeister sein. Wir freuen uns immer, wenn wir nicht nur in der Welt erfolgreich sind, sondern auch vor Ort.
Eine kurze Bemerkung zum Grünen-Parteitag: Es ist ja der Beschluss zur "Zukunft der sozialen Sicherung" gefasst worden. Man hat sich von der Agenda 2010 verabschiedet. "Wer zu spät kommt...", hat man uns immer gesagt. Aber immerhin, es ist besser, als wenn man überhaupt nichts verändert. Die Agenda 2010 hat man also jetzt liegenlassen. Links wirkt. Ich glaube, das wird auch auf diesem Parteitag sichtbar - nicht nur in Göttingen. Wir werden sehen, wohin der Linksruck der Grünen führen wird und ob er von Dauer ist.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.