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Michael Schlecht

Millionenerben nicht verschonen!

Von Michael Schlecht, MdB, wirtschaftspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE

Die Reichen werden immer reicher, die soziale Schere öffnet sich weit. In Deutschland unterstützt der Staat dies mit einer niedrigen Erbschaftsteuer. Teile des Erbschaftsteuergesetzes hat das Bundesverfassungsgericht nun als verfassungswidrig eingestuft, eine Reform steht an. Schon laufen die Industrie- und Unternehmerverbände Sturm. Dabei wäre viel mehr nötig als die eine oder andere Korrektur - letztlich braucht es eine umfassende Erhöhung der Steuern auf hohe Erbschaften und Schenkungen, um Deutschland wieder gerechter zu machen.

Die Vermögen in Deutschland sind extrem ungleich verteilt: Nach neuesten Berechnungen des Instituts DIW gehören den reichsten zehn Prozent der Haushalte bereits bis zu 74 Prozent des gesamten Vermögens. Und diese Milliarden bleiben zumeist in der Familie - sie werden vererbt und mehren sich.

Zwar erhebt der Staat eine Erbschaftsteuer, um Einnahmen zu erzielen und um die Konzentration von Reichtum zu mindern. Doch ist diese Steuer sehr gering und lässt gerade den Reichen jede Menge Schlupflöcher. Vor allem ist die Vererbung von Betriebsvermögen ungerecht. Die Vermögen konzentrieren sich weiter in wenigen Händen. Und zusammen machten Erb- und Schenkungssteuer 2012 einen Betrag von nur 0,16 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung aus. Zum Vergleich: In Großbritannien waren es 0,20 Prozent, in Frankreich 0,47 und in Belgien 0,73 Prozent.

2009 reformierte die Große Koalition aus SPD und CDU das Gesetz zugunsten der Erben - inklusive Privilegien für Besitzer von Betriebsvermögen. Gerechtfertigt werden diese Privilegien mit dem Ziel des Erhalts von Arbeitsplätzen. Sinkt innerhalb von fünf Jahren nach dem Vermögensübergang die durchschnittliche jährliche Lohnsumme um nicht mehr als 20 Prozent, dann werden 85 Prozent des übertragenen Unternehmenswerts von der Erbschaftssteuer verschont.

Das Ergebnis: 2012 gab es Vermögensübergänge über 74 Milliarden Euro - satte 40 Milliarden davon waren als Betriebsvermögen von der Steuer befreit. Ohne Begünstigungen hätte der Fiskus knapp elf Milliarden Euro mehr kassiert.

Sichert die Steuerbefreiung wenigstens Jobs? Keineswegs, stellt sogar der Wissenschaftliche Beirat im Finanzministeriums fest: Es gibt keinerlei Hinweise, dass eine Erbschafts- oder Schenkungsbesteuerung Arbeitsplätze in Unternehmen gefährdet. Profiteure sind also nicht die Arbeitenden, sondern die Reichen. Selbst das Handelsblatt hält die Mär von den gefährdeten Jobs für abwegig. "Die Wahrheit aber sieht so aus: Wer einen erfolgreichen Betrieb erbt, wird auf einen Schlag reich!"

Im vergangenen Dezember urteilte das Verfassungsgericht einstimmig: Die unverhältnismäßigen Vorteile für Betriebserben müssen bis zum 30. Juni 2016 beseitigt werden. Die Richter verlangen, dass ab einer bestimmten Unternehmensgröße die Erben nachweisen müssen, ob sie eine Verschonung von der Erbschaftssteuer wirklich benötigen.

Finanzminister Schäuble will diese Grenze bei einer Firmenerbschaft von 20 Millionen ansetzen. Eigentlich viel zu niedrig! Den Vogel schießt der baden-württembergische SPD-Minister Nils Schmid ab. Er überholt Schäuble rechts und will, dass die Verschonung bei weniger als 100 Millionen Euro erhalten bleibt. Gleichzeitig könnte Schmid jedoch deutliche steuerliche Mehreinnahmen gut gebrauchen. Mit ihnen könnte er zum Beispiel mehr Lehrer und mehr Erzieherinnen einstellen und sie vor allem auch besser bezahlen.

Wird es wirklich einmal in betrieblichen Einzelfällen wegen mangelnder Liquidität schwierig die Erbschaftssteuer zu bezahlen, könnte mit sehr langfristigen Stundungsregelungen geholfen werden. Oder denkbar wäre, dass der Erbe in eine Betriebsgesellschaft der Beschäftigten Eigentumsanteile in Höhe der Erbschaftssteuern überträgt und so im Gegenzug von der Steuerzahlung freigestellt wird.

Die LINKE tritt in jedem Fall für eine massive Erhöhung der Erbschaftsteuer vor allem bei leistungslosen Einkommen ein! Das schafft dringend benötigte Einnahmen und bekämpft die grassierende Ungleichheit. Klar, es muss sichergestellt werden, das selbst genutzte Wohnungen, Häuser oder sonstige Vermögen steuerfrei vererbt werden können - aber nur, wenn es sich nicht um riesige Vermögen handelt. Vor allem Erbschaft und Schenkung von Unternehmensanteilen und Land müssen höher besteuert werden, denn hier liegen die großen Gelder. Dringend notwendig ist daneben die Wiedereinführung einer Vermögensteuer für Millionäre.