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Mindestlohn schützt vor Altersarmut

Statement des Bundesgeschäftsführers der LINKEN Dietmar Bartsch auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus

Am Wochenende gab es ein ganz großes Thema, das die Medien beherrscht hat: Das Thema Rente. Selbstverständlich will ich auf dieses Thema eingehen, aber zunächst eine Bemerkung machen, die mir sehr wichtig ist. Wie der Zufall es will, hat meine Fraktion eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt zum Thema Beschäftigungsquote, insbesondere für Menschen ab 50. Diese Anfrage hat natürlich auch etwas mit dem Thema Rente zu tun und sie hat ein sehr wichtiges Ergebnis gebracht, nämlich dass die Beschäftigungsquote bei Menschen ab Mitte 50 rapide sinkt. Es ist so, dass es nur noch jeder 14. überhaupt schafft, bis 65 zu arbeiten. Und wenn man sich die Zahlen im Detail anschaut, ist es so, dass bei den 55- bis 58-Jährigen nur noch 40 Prozent vollzeiterwerbstätig sind. Bei den 58- bis 63-Jährigen sinkt diese Zahl auf nur noch ein Viertel. Und bei den über 63-Jährigen sind es dann gar nur noch 7,4 Prozent.

Das ist ein ganz klarer Beweis dafür, dass die Rente mit 67 de facto etwas Absurdes ist. Sie ist nichts anderes als ein gigantisches Rentenkürzungsprogramm. Wenn man sich diese Beschäftigungsquoten ansieht, erkennt man, dass es nahezu unmöglich ist, dass noch jemand im Moment in diese Regionen vorstoßen kann. Deshalb bleibt die LINKE bei ihrer Forderung: Die Rente mit 67 muss weg! Wir wissen, und ich will daran erinnern, dass im Jahre 2010 eine Evaluierung dieses Gesetzes stattfinden wird. Das ist also auch die Chance für Wählerinnen und Wähler, am 27. September dieses Thema über ihren Stimmzettel noch einmal aufzurufen.

Vor diesem Hintergrund wirkt der ganze Streit vom Wochenende um die Rentengarantie ein Stück weit bizarr. Hierzu muss man feststellen, dass Bundesregierung und Bundesrat erst etwas beschließen, und dann gibt es einen Riesenstreit in der Koalition und einen Streit in der SPD. Was hier klar und eindeutig ist - und auch hier will ich noch einmal in die Vergangenheit gehen, ins Jahr 2005 - Steinbrück spricht aus, was offensichtlich vielen klar ist. Bis zum 27. September wird es keine wirklich ernsthafte Debatte geben. Aber Steinbrück hat vorab gesagt, was dann für die Menschen auf der Tagesordnung steht. Man wird diese Rentengarantie in dieser Form wohl kaum durchhalten können. Zur Erinnerung: Im Jahr 2005 hieß es seitens der SPD, dass es mit ihr keine Mehrwertsteuererhöhung geben wird; die Union hat von zwei Prozent gesprochen. Was dann die Realität wurde, weiß jede Bürgerinnen und jeder Bürger in diesem Land - es sind drei Prozent mehr Mehrwertsteuer geworden. Und etwas Ähnliches scheint sich jetzt hier bei der Rente anzudeuten.

Die Position der LINKEN ist ganz klar: Wir müssen dafür sorgen, dass die Reallöhne in diesem Land nicht sinken. Das ist das Entscheidende. Dann kommt eine solche Debatte gar nicht auf. Deshalb ist für uns eine der zentralen Forderungen - sowohl in diesem Bundestagswahlkampf, aber eben auch schon seit vielen Jahren bei der LINKEN - ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn. Wir hatten im Jahre 2005, als die LINKE, damals noch die Linkspartei.PDS, diese Forderung erstmalig in das Wahlprogramm aufgenommen hatte, eine Debatte, in der uns die beiden großen Parteien Populismus vorgeworfen haben. Uns ist gesagt worden, diese Forderung zerstört Arbeitsplätze. In der Realität ist es aber so gekommen, dass in dieser Legislatur zumindest in einigen Branchen ein Mindestlohn durchgesetzt werden konnte. Und ich sage voraus, dass in der nächsten Legislaturperiode ein gesetzlicher Mindestlohn durchgesetzt wird. Es hat eine Entwicklung gegeben, so dass die Forderung nach einem Mindestlohn bei SPD und Grünen in den Wahlprogrammen steht. Auch alle Gewerkschaften sind inzwischen dafür. Und es ist auch möglich, in der kommenden Legislaturperiode auf einen gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro zu kommen. Und nur ein gesetzlicher Mindestlohn verhindert letztlich massive Altersarmut. Die Löhne von heute bringen eben die große Gefahr mit sich, dass es Altersarmut in diesem Lande gibt.

Ich will noch auf eines verweisen, dass natürlich Beschäftigung auch eine wesentliche Rolle für die Rente spielt. Es ist die Bundesregierung, die immer stolz sagt, dass sie die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gesenkt hat. Jetzt sieht die Realität aber so aus, dass es bei der Bundesagentur für Arbeit ein Defizit von 20 Milliarden Euro geben wird. 20 Milliarden sind jetzt ausgemacht, die zunächst als Darlehen ausgereicht werden sollen. Aber, was arbeitsmarktpolitische Maßnahmen betrifft, wird die Bundesagentur dadurch handlungsunfähig. Deshalb ist insgesamt dieser Streit, der in der Großen Koalition zwischen einzelnen Ministern abläuft etwa ein Vorgeschmack auf das, was ab Oktober den Bürgerinnen und Bürgern ins Haus steht.

Ich möchte noch eine zweite Bemerkung zu einem anderen Thema machen, zu Atomausstieg und der Pannenserie im AKW Krümmel. Da hat uns die vergangene Woche zwei Dinge gezeigt: Atomenergie ist und bleibt eine nicht beherrschbare Technologie. Und zweitens: Der Energieriese Vattenfall setzt sich für Extraprofite über die Politik und die Gesundheit der Menschen hinweg.

Die LINKE fordert nicht erst seit Krümmel, dass die Netzmonopole der vier großen Energiekonzerne zerschlagen werden müssen, dass die Möglichkeiten beschränkt werden müssen, gigantische Extraprofite durch längere Laufzeiten einzufahren. Der beschlossene Atomausstieg muss selbstverständlich umgesetzt werden. Es ist sogar möglich, in der nächsten Legislatur hier schneller zu agieren. Es muss eine Rekommunalisierung der Netze geben. Das sind alles Punkte, die wegführen davon, dass ein Konzern wie Vattenfall solche Möglichkeiten erhält.

Deswegen: Erneuerbare Energien fordern viele Parteien, die LINKE sagt das auch. Die LINKE hat im Übrigen mit ihrem Umweltminister in Mecklenburg-Vorpommern hier auch Beispiele geschaffen, wie erneuerbare Energie wirklich vorangebracht werden kann.

Ich würde gern eine dritte, scheinbar auf lokaler Ebene stattfindende, Bemerkung machen: Am Wochenende gab es in Gera einen Aufmarsch von über 4000 Nazis. Das war offensichtlich einer der größten Aufmärsche, den es je gegeben hat. Diese Tatsache ist erschreckend. Es gab vor Ort ein Bündnis aller Parteien dagegen. Aber hier ist auch der Ministerpräsident des Landes gefordert. Wenn Herr Althaus hier vor allen Dingen gegen linke Gegendemonstranten vorgehen lässt und wenn er sich der Tatsache verweigert, dass es Bündnisse aller Demokraten geben muss, damit der Einzug der NPD in den Landtag von Thüringen verhindert wird, dass derartige Aufmärsche in Thüringen nicht möglich werden, dann ist das nicht nur ein Fehler. Ich fordere Herrn Althaus auf, hier zu einem Umdenken zu kommen, denn unabhängig vom Wahltag 30. August muss in dieser Frage gemeinsam von CDU bis zur LINKEN gehandelt werden.