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SPD kein verlässlicher Partner für Politikwechsel

Statement von Ulrich Maurer, Mitglied des Geschäftsführenden Parteivorstandes der LINKEN, auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus

Meine Damen und Herren, wir haben heute im Verlauf des Vormittags zur Kenntnis genommen, dass vier SPD-Abgeordnete in Hessen ihrer Landesvorsitzenden die Stimme verweigern für die Wahl zur Ministerpräsidentin. Wir glauben, dass das ein schlimmer Tag für die Menschen in Hessen ist. Es ist natürlich auch ein erneuter Beleg dafür, dass die SPD derzeit in Deutschland kein verlässlicher Partner für einen Politikwechsel ist.
 
Durch das Verhalten des rechten Parteiflügels der SPD ist die Chance auf einen Regierungs- und Politikwechsel in Hessen torpediert worden. Das ist schlimm für die Menschen in Hessen, weil jetzt die Regierung Koch ihre Politik des sozialen Abbaus fortsetzen kann. Es bedeutet, dass auch die Ausplünderung des Staatsvermögens durch Privatisierungen weiter fortgesetzt wird. Es bedeutet wahrscheinlich auch, dass die ersten Erfolge im neugewählten Landtag, wie beispielsweise die Abschaffung der Studiengebühren, in Frage gestellt sind. Leider muss man damit rechnen, dass nun Koch im Amt bleibt. De facto ist damit das zentrale Wahlversprechen der SPD, nämlich Koch abzulösen, gebrochen. Ich mache keinen Hehl daraus: Wir haben alles in den vergangenen Wochen und Monaten dafür getan, insbesondere auch unsere Freundinnen und Freunde in Hessen, dass es zu einem Politikwechsel und zur Einlösung dieses Wahlversprechens kommen kann.

Die heutige Situation bestätigt unsere Skepsis, dass die SPD aufgrund ihrer inneren Zerrissenheit derzeit kein verlässlicher Partner für einen Politikwechsel in Deutschland ist. Sie ist nach wie vor orientierungslos. Und ich will nicht verhehlen, dass aus unserer Sicht die Parteiführung der SPD um Steinmeier und Müntefering auch Verantwortung für die Vorgänge in Hessen trägt, denn sie hat sich erkennbar distanziert gegenüber Frau Ypsilanti verhalten. Es hat an Loyalität gefehlt und auch an Unterstützung für die hessische SPD. Ich glaube, dass der rechte Parteiflügel der SPD in Hessen durch diese Verhaltensweise ermutigt worden ist.

Für DIE LINKE bedeutet das, dass wir uns verstärkt außerparlamentarisch und parlamentarisch allen Versuchen widersetzen werden, die Folgen der Krise auf die abhängig Beschäftigten, auf die Rentnerinnen und Rentner, auf die SchülerInnen und Studierenden abzuwälzen. Der Vorgang bestätigt aus unserer Sicht, dass die LINKE die einzige Kraft in Deutschland ist, die sich geschlossen und entschlossen für soziale Gerechtigkeit einsetzt und Krieg als Mittel der Politik ablehnt.

Ich möchte noch etwas sagen zu anderen aktuellen Vorgängen und damit beginnen, dass angesichts der beispiellosen Zustände bei der Deutschen Bahn AG der Rücktritt des Verkehrsministers Tiefensee unvermeidlich ist. Wir erfahren ja immer wieder Neuigkeiten über den Grad seiner Informiertheit und Eingebundenheit in diese skandalösen Selbstbedienungsvorgänge. Wir sind der Auffassung, und das hat Gregor Gysi schon deutlich gesagt, ich wiederhole es, dass eigentlich nicht nur Tiefensee, sondern vor allem der ganze Vorstand der Bahn-AG und der Aufsichtsrat gleich mit verschwinden sollten. Ich sage das so deutlich. Es ist offensichtlich ein geschlossener Zirkel, der mit der beabsichtigten Privatisierung der Deutschen Bahn ein hohes Maß an persönlichem materiellem Gewinn verbunden hat.

Wir haben jetzt ähnliche Vorgänge bei der Postbank, wenn man ersten Meldungen glauben darf. Da werden wir in den nächsten Tagen mit großer Härte nachfragen, was los ist. Beide Vorgänge, die ja von Politikern zu verantworten sind, die in diesen Gremien sitzen, zeigen natürlich auch gleichzeitig, dass alle Sprüche gegen die Raffgier der Manager und dergleichen das Papier nicht wert sind, auf das sie geschrieben worden sind in den letzten Tagen.

Wir haben auch zur Kenntnis genommen, dass – so wie wir das immer befürchtet haben – die Rettung der Commerzbank aus dem neugegründeten Staatsfonds jetzt läuft, ohne dass es zu wirklichen Übertragungen von Aktionärsrechten an den Staat kommt. Das Ganze erfolgt über eine so genannte „stille Einlage“. Das Wort an sich spricht ja schon Bände. Wir haben immer verlangt, dass solche Rettungsaktionen nur stattfinden können, wenn im Gegenzug stimmberechtigte Aktienpakete an den Staat übergehen, aber das wird in Deutschland so nicht gehandhabt. Damit bewegt sich die deutsche Regierung bei ihren Rettungsmaßnahmen rechts von der britischen und sogar rechts von der amerikanischen Regierung. Es sind jetzt Beschlüsse für ein so genanntes Konjunkturpaket angekündigt worden. Auch das ist in großen Teilen Maskerade. Es werden da Dinge zusammengezählt, die schon gemacht worden sind und nur fortgeführt werden. Es wird wenig obendrauf gelegt. Immerhin, es ist bemerkenswert, dass immer ein paar Wochen nach uns plötzlich auch andere Konjunkturpakete entdecken. Ich will nochmals deutlich wiederholen: Wir sind der Auffassung, dass die zu befürchtende Krise für die reale Wirtschaft so groß ausfallen wird – die EU hat heute bestätigt, dass sie mit Null-Wachstum im nächsten Jahr rechnet, auch das ist noch eine eher optimistische Variante –, dass wir ein mindestens 50 Milliarden Euro umfassendes öffentliches Investitionsprogramm in Deutschland brauchen in den Bereichen Bildung, Umweltschutz, Energieeinsparung und Schienenverkehrsinfrastruktur. Wer das unterlässt oder wer versucht, sich daran vorbei zu mogeln, der macht sich verantwortlich für die Auswirkungen, die das Unterlassen von Politik in diesen Tagen für viele Menschen im nächsten Jahr haben wird.

Ein Letztes: Das parteitaktische Gezerre um einen gemeinsamen Vorstoß des gesamten Parlaments gegen den Antisemitismus in Deutschland entlarvt wieder einmal, dass es denen, die da agieren, vornehmlich aus den Reihen der Union, eben nicht um ein geschlossenes Zeichen des deutschen Parlaments geht, das angesichts der antisemitischen Umtriebe in Deutschland dringend angebracht wäre, sondern dass durchsichtige Parteitaktik die Szene beherrscht. Und wer sich auf dieses Spiel der Union einlässt, der ist kein Deut besser als die Union selbst.

Wir werden jetzt die letzten Akte des Trauerspiels der Großen Koalition um die Erbschaftssteuer erleben. Auch da ist leider zu befürchten, dass das Ganze am Ende nicht mehr Gerechtigkeit bedeuten wird, sondern dass am Ende durch den Druck der CDU wahrscheinlich eine nochmalige Absenkung der Erbschaftssteuer zugunsten der Superreichen in Deutschland herauskommen wird. Wir sagen: Es ist höchste Zeit, dass höchste Geldvermögen in Deutschland sich an der Finanzierung des Gemeinwohls, an den Lasten, die durch die Bekämpfung der Finanzmarktkrise entstehen, beteiligen. Und ich wiederhole unsere Forderung nach einer 5-prozentigen Abgabe auf höchste Geldvermögen in Deutschland, weil es nicht sein kann, dass in einer solchen Lage diejenigen, die vorher vom System des Finanzmarktkapitalismus profitiert haben, sich davonschleichen und das Ganze auf die breite Masse der Steuer zahlenden Bevölkerung übergewälzt wird.