SPD verspricht grundlegende Neuordnung der Finanzmärkte – Mehr als eine Attrappe?
Ein LINKER Blick auf: "Die Finanzmärkte grundlegend neu ordnen – Unsere Finanzmarktgrundsätze" von Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück - Von Dr. Axel Troost
Für Menschen in Deutschland und anderen Ländern wirft die Finanzmarktkrise zwei zentrale Fragen auf. Erstens: Wer zahlt für diese Krise? Und zweitens: Wie verhindern wir die nächste? Die SPD kommt nicht umhin, beide Fragen aufzugreifen.
Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück versprechen, die Lasten fair zu verteilen. Weiter kündigen sie an, Krisen "dieses Ausmaßes" – so ihre einschränkende Ergänzung – künftig verhindern zu wollen. Auch von Gerechtigkeit ist die Rede: von einer "gerechten Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung". Werfen wir einen LINKEN Blick auf einige ihrer wesentlichen Grundsätze und schauen, ob sie ihren formulierten Ansprüchen folgen.
Managergehälter: Wie großzügig kann Fairness sein?
500.000 Euro im Jahr: "Nicht schlecht!" werden sich viele denken, würde ihnen ein solches Gehalt geboten. Die SPD ist großzügig bei der Gehalts-Obergrenze für Managerinnen und Manager, deren Banken staatliche Hilfe beanspruchen. Der Preis für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Denn was in überhöhte Managergehälter fließt, schmälert die Gewinnaussicht der Krisen-Bank. Und der Fall Commerzbank zeigt: Nur, wenn die gerettete Bank Gewinn erwirtschaftet, zahlt sie die Zinsen für die staatliche Hilfe.
Für Managergehälter von Banken, die ohne staatliche Gelder auskommen, fordert die SPD "verschärfte Regeln zur nachträglichen Kürzung ... wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens wesentlich verschlechtert haben". Die Möglichkeit, Managergehälter aus wirtschaftlichen Gründen während der Vertragslaufzeit zu kürzen, ist alt. Sie steht auf dem Papier des Gesetzes. Doch nicht einmal die aktuelle Krise vermochte es, das Gesetz aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken: Bank für Bank ist marode geworden, ohne dass die Vorschrift das Licht der Umsetzung gesehen hat. Um wirklich Neues zu schaffen, muss die SPD konkrete Kriterien festlegen: Was ist eine "wesentliche Verschlechterung" des Unternehmens? Kommt es auf den Umsatz oder den Gewinn an? Wie viel Prozent muss der Rückgang betragen? Wie hoch soll die Gehaltskürzung sein? Gilt die Kürzung nur für Boni oder ebenfalls das feste Gehalt?
Steinmeier und Steinbrück haben es eben nicht so mit der Verbindlichkeit. Entgegen ihrer Rhetorik wahren sie lieber Besitzstände, statt die Milliarden-Hilfen fair zu finanzieren. Damit die Verursacher und Profiteure die Rechnung für die Krise zahlen, braucht es ohnehin weit mehr, als Managergehälter zu begrenzen. Deshalb schlägt DIE LINKE erstens eine zeitlich befristete Sonderabgabe für Mangerinnen und Manager privater Finanzinstitute vor: 80 Prozent Einkommensteuer ab einem Einkommen von über 600.000 Euro. Zweitens wirbt DIE LINKE für eine zeitlich befristete Millionärsabgabe: fünf Prozent vom Privatvermögen ab einer Million Euro. Einer fairen Lastenverteilung käme das um Meilen näher.
Börsenumsatzsteuer: Abgelehnt und hervorgeholt
2007 fordert DIE LINKE, die Börsenumsatzsteuer wieder einzuführen. Die SPD lehnt ab. Sie behauptet, die Steuer würde den deutschen Finanzplatz kaputt machen. Jetzt holen Steinmeier und Steinbrück die Steuer hervor. Mittlerweile findet in Deutschland allerdings etwa ein Drittel des Wertpapierhandels außerbörslich statt. Wer nur den Börsenhandel besteuern will, ohne den außerbörslichen Markt komplett zu schließen, zeichnet Steuervermeidung vor. Er verhält sich gleich einem Türsteher, der einen zweiten Eingang offen lässt, um den Ansturm umzuleiten. DIE LINKE plädiert daher für eine Steuer auf alle Finanztransaktionen, wie sie das Wiener Institut für Wirtschaftsforschung vorschlägt.
Die Börsenumsatzsteuer ist neben den Managergehältern die zweite Baustelle, mit der Steinmeier und Steinbrück die "Lasten gerecht verteilen" wollen. Sie erwarten rund drei Milliarden Euro für den Gesamthaushalt. Allein die Rettung der Industriekreditbank (IKB) hat rund zehn Milliarden Euro verschlungen.
Vergütungssysteme: SPD probt Zwergenaufstand im rechtsfreien Raum
Fehlanreize für riskantes Anlageverhalten gehören ausgeräumt, so Steinmeier und Steinbrück. Soweit richtig. Dazu wollen sie Vergütungssysteme leitender Angestellter – wohlgemerkt nicht sämtlicher Investmentbanker – unter Aufsicht stellen. Konkret: Die Aufsicht soll veröffentlichen dürfen, welcher Finanzdienstleister gegen Prinzipien verstößt – wenn er z.B. das Vergütungssystem nicht mit dem Risikomanagement abgestimmt hat. Übertragen auf den Straßenverkehr hieße das, wer zu schnell fährt, wird öffentlich genannt, sonst nichts. Er kann sich aussuchen, ob er das in Kauf nimmt oder langsamer fährt. Führerscheinentzug muss er nicht befürchten. Es gibt ja kein Gesetz. Steinmeier und Steinbrück inszenieren einen Zwergenaufstand ohne Substanz.
Finanz-TÜV: Nur den Titel übernommen
Der Finanz-TÜV stammt aus der Feder DER LINKEN. Es wäre ja erfreulich, würde die SPD den Vorschlag aufnehmen und fairerweise noch die Quelle nennen. Weder das eine noch das andere ist der Fall. Der Finanz-TÜV der SPD soll keineswegs Kapitalanlageprodukte prüfen, sondern lediglich "Kurzinformationsblätter" mit Angaben für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Der Finanz-TÜV DER LINKEN hingegen ist eine Schleuse, die Kapitalanlageprodukte passieren müssen, bevor sie überhaupt zugelassen werden.
Der Finanz-TÜV DER LINKEN sieht vor, Anlageprodukte sowohl auf das gesamtwirtschaftliche Risiko als auch auf Verbraucherfreundlichkeit zu prüfen. Die SPD läuft Gefahr, selbst dem Verbraucherschutz nicht gerecht zu werden: Verbraucherinnen und Verbraucher stehen einer Fülle ungeprüfter Anlageprodukte gegenüber. Sie sollen leisten, was Regulierung versäumt.
Hedge-Fonds und Private-Equity-Fonds: SPD hängt an Heuschrecken
2004: SPD und Grüne lassen die hoch spekulativen Hedge-Fonds zu. Jochen Sanio, Präsident der Bundesfinanzaufsicht, bezeichnet die neuen Akteure als schwarze Löcher des internationalen Finanzsystems. Was sagen Steinmeier und Steinbrück dazu? Sie wollen die Hedge-Fonds behalten und unter Aufsicht stellen. Und DIE LINKE? Sie will die Zulassung von Hedge-Fonds in Deutschland zurücknehmen und Geschäfte mit ausländischen Hedge-Fonds unterbinden. Bis 2004 kamen wir gut ohne Hedge-Fonds aus. Seither erhöhen sie den Renditedruck auf die gesamte Finanzbranche.
2001: SPD und Grüne befreien Private-Equity-Fonds von Steuern auf Veräußerungsgewinne. Im Klartext: Private-Equity-Fonds erwerben Unternehmen, um sie zu zerlegen. Die Bruchstücke dürfen sie steuerfrei verkaufen. Nach dem Gusto der SPD soll das so bleiben. Ausschließlich im Einzelfall, etwa wenn eine Mindesthaltefrist unterschritten ist, wollen Steinmeier und Steinbrück das Steuergeschenk entziehen. Die Beschäftigen scheinen nachrangiges Beiwerk zu sein. Die SPD begnügt sich mit Informationsrechten. DIE LINKE fordert, die Mitbestimmungspflicht auszudehnen – so auf Unternehmensübernahmen, Unternehmensbeteiligungen und den Verkauf von Unternehmensteilen.
Steueroasen: Wer austrocknen will, muss das Wasser abgraben
"Hunde, die bellen, beißen nicht", mag man bei Steinbrück denken. Jedenfalls scheut er sich, Steueroasen tatsächlich das Wasser abzugraben. Lieber gießt er sie weniger. So wollen er und Steinmeier Zahlungen an Steueroasen nicht als Betriebsausgaben anerkennen. Privilegien wie die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen, auf deren Status quo sie grundsätzlich beharren, wollen sie aussetzen, wenn die Einnahmen aus Steueroasen stammen.
Dabei lässt sich das Problem mit konsequenter Politik viel wirkungsvoller lösen: DIE LINKE vertritt, Finanzinstitute aus Steueroasen vom inländischen Kapitalmarkt auszuschließen. Die USA haben das erfolgreich vorgemacht. Weiter verlangt DIE LINKE eine Meldepflicht für Kapitalbewegungen ins Ausland – ab jährlich 100.000 Euro.
Internationale Aufsicht: Internationaler Währungsfonds oder UNO?
Steinmeier und Steinbrück wollen den Internationalen Währungsfonds (IWF) stärken. Dem Fonds erweisen sie damit einen wahren Bärendienst. Der von Industrieländern dominierten Institution drohte der Bedeutungsverlust. Etliche Schwellenländer hatten sich aus seinen Angeln gelöst: Sie tilgten ihre IWF-Schulden und zogen es vor, am Kapitalmarkt Kredit aufzunehmen.
Erklärtes Ziel von Steinmeier und Steinbrück ist eine "gerechte Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung". Dazu müssten alle Länder gleichberechtigt bei der Regulierung mitbestimmen. Das mit dem IWF? Eine bizarre Vorstellung. DIE LINKE setzt sich dafür ein, internationale Wirtschaftspolitik unter dem Dach der UNO zu koordinieren. Der IWF muss der UNO unterstellt sein.
Man mag es Attrappe, Wahlkampf oder Fata Morgana in der selbst geschaffenen Wüste nennen: Steinmeier und Steinbrück halten schon jetzt nicht, was sie versprechen. Sie liefern kein tragfähiges Konzept, um die Kosten der Krise fair zu verteilen. Sie belassen grundlegende Missstände beim Alten, statt neuen Krisen wirkungsvoll vorzubeugen. Eine "gerechte Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung" wollen sie mit dem IWF gewinnen. Hinzu kommt: Die SPD will mit der FDP koalieren. Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Guido Westerwelle – ein bellendes Trio ohne Fundament.