Stopp dem Lohndumping durch Leiharbeit
Kommentar von Michael Schlecht, MdB und Chefvolkswirt Fraktion DIE LINKE sowie Gewerkschaftspolitischer Sprecher im Parteivorstand DIE LINKE
Merkel jubelt über das Beschäftigungswunder. 40,8 Millionen Erwerbstätige im Dezember; so viel wie noch nie. Schaut man hinter die Fassade, dann sieht man fast nur noch Leiharbeit.
83 Prozent der neuen Arbeitsplätze in Baden-Württemberg sind Leihjobs. Das hat das Statistische Landesamt für den Zeitraum Sommer 2009 bis Sommer 2010 vorgerechnet. Eine Befragung von Betriebsräten ergab, dass im Jahr 2010 bundesweit 43 Prozent aller neuen Arbeitsplätze mit Leihbeschäftigung besetzt wurden. Und 42 Prozent waren nur befristet. Gerade einmal 15 Prozent der Arbeitsplätze haben die Unternehmer unbefristet fest vergeben.
Leiharbeit nimmt überall zu. Bundesweit dürfte die Millionenmarke bereits überschritten sein. Das ist deutlich höher als vor der Krise. In Baden-Württemberg sind es mehr als 100.000, in Bayern waren es im Oktober 2010 bereits 115.000.
Auch in den Vorzeigebetrieben des deutschen Industriekapitals wird vermehrt auf Leihjobs gesetzt. Beim Daimler in Stuttgart-Untertürckheim haben vor der Krise rund 10.000 fest Beschäftige gearbeitet, heute sind es nur noch 9.000. Aber dafür gibt es jetzt nahezu 700 Leiharbeiter mehr.
Beim Weltmarktführer für Landmaschinen - John Deere - sind im Mannheimer Werk Lackierarbeiten ausgelagert worden. In einen neuen Betrieb, der keine Tarifverträge kennt, sondern nur Leiharbeit und Befristungen. Mit abenteuerlichen Arbeitsbedingungen und Stundenlöhnen von 7,60 Euro. Und das ist genau das, worum es geht. Lohndumping! So auch in der Tiefdruckerei von Springer/Bertelsmann in Ahrensburg. Knapp 20 Prozent der Drucker arbeiten als Leiharbeiter und bekommen weniger als 12 Euro die Stunde; der Tarif liegt je nach Eingruppierung bei mindestens 17 Euro.
Wer in einem Leihjob arbeitet, bekommt deutlich weniger. Im Schnitt verdienen Leiharbeitskräfte nur die Hälfte: rund 1400 Euro Brutto bei einem Vollzeitjob; das hat der DGB jüngst vorgerechnet. Ein Drittel der Leihjobber bekommt weniger als 1200 Euro.
Und diese Lohndrückerei der Unternehmer kostet den Sozialstaat richtig Geld. Denn viele haben so wenig, dass sie Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben. Allein im Juni letzten Jahres hat das 40 Millionen Euro gekostet. Für das Jahr 2011 drohen die Kosten zu explodieren. Die wahren Sozialschmarotzer sind die Unternehmer, die ihren Beschäftigen so wenig zahlen, dass sie mittels des Arbeitslosengeld II faktisch subventioniert werden.
Die Leiharbeit muss gestoppt werden. Politisch, durch Gesetz. DIE LINKE will nicht nur equal pay, also die gleiche Bezahlung wie die Stammbelegschaft, sondern zusätzlich eine zehnprozentige Prämie. Wie in Frankreich. Die Verleihdauer darf nur höchstens drei Monate betragen und der Betriebsrat soll ein Vetorecht haben. Und als Streikbrecher darf niemand missbraucht werden. Das Ziel: Leiharbeit wieder zurückdrängen, sodass weniger als 100.000 Menschen so arbeiten.
SPD und Grüne haben im Rahmen der Agenda 2010 die Menschen der Despotie der Leiharbeit ausgesetzt. Jetzt geht es um den Kampf, neue Schutzrechte einzuführen. Es geht um die Auseinandersetzung im Parlament und auf der Straße. Deshalb sind Aktionstage wie der 24. Februar, zu dem die Gewerkschaften aufrufen, so wichtig.