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TOP war die Nachricht aus Brandenburg

Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch auf der wöchentlichen Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus

Statement als Audio- und Video-Datei

Meine Damen und Herren, ich darf Sie hier im Karl-Liebknecht-Haus begrüßen. Ich möchte gerne zu vier Punkten etwas sagen.

Als erstes ein paar wenige Bemerkungen zu den laufenden Koalitionsverhandlungen. Es ist schon einigermaßen erstaunlich, was da stattfindet: CDU/CSU und FDP haben festgestellt, dass kein Geld da ist. Das ist eine völlige Überraschung. Allerdings hat Herr Steinbrück schon vor der Wahl gesagt, dass das Defizit im nächsten Jahr 100 Milliarden betragen wird und dass das strukturelle Defizit auch im Bereich von 40 Milliarden liegt. Es ist schon einigermaßen verwunderlich, dass man dies nun erst feststellt - dass vor allem die FDP von ihren vollmundigen Wahlversprechen offensichtlich nahezu nichts realisieren kann.

Der Gesundheitsfond wird bleiben, ein transparentes und einfaches Steuersystem mit 15, 25, 35 Prozent, das wird so nicht stattfinden. Es ist, meines Erachtens, schon so, dass man die finanzpolitische Kompetenz der FDP infrage stellen kann. Es wird allerdings auch klar, wohin die Reise der schwarz-gelben Koalition geht. Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner sollen offensichtlich die Zeche zahlen. Ich bin weiterhin sehr gespannt, wie denn der Koalitionsvertrag der drei Parteien aussehen wird. Auf jeden Fall ist eines sichtbar: Bei den Plänen zum Ausgleich des Milliardendefizits in der gesetzlichen Krankenversicherung ist schon mal klargeworden, dass das auf die Patienten abgewälzt werden soll. Es steht keinesfalls die Frage, ob man andere Möglichkeiten von Finanzierung erschließen kann. Auch die Überlegungen zu einer Pkw-Maut oder zur Rentenkasse, zeigen offensichtlich den Gedanken, dass wirklich die sozial Schwächeren die Zeche bezahlen sollen. Ich möchte deshalb erwähnen, dass sich DIE LINKE im Parlament, aber auch auf den Straßen und Plätzen, gegen eventuelle Sozialkürzungen engagieren wird.

Eine zweite Bemerkung zu unserer Rolle. Sie haben sicherlich alle die Fraktionsklausur am Freitag und Sonnabend im schönen Rheinsberg verfolgt. DIE LINKE macht das nicht ganz so wie Grüne und SPD, die alle sagen, wir sind die Oppositionsführer. Wir begeben uns in den Wettstreit, und zwar nicht nur im Parlament, wirklich um die Oppositionsführerschaft im Deutschen Bundestag zu ringen. Wir haben klare Positionen. Unsere Positionen von vor der Wahl mussten wir auch nicht korrigieren. Es bleibt dabei, dass wir selbstverständlich Hartz IV abschaffen wollen, dass wir uns weiterhin gegen die Rente mit 67 engagieren werden. Es wird im nächsten Jahr spannend, wenn die Evaluierung zum Themas Rente mit 67 im Deutschen Bundestag stattfindet. Über alledem wird die Forderung nach einem Schutzschirm für soziale Sicherungssysteme stehen.

Drittens: Natürlich ist das im Moment am spannendsten. Ich habe zwei Minuten bevor ich hier hereinkam eine SMS mit nur drei Buchstaben von Kerstin Kaiser bekommen. Da stand TOP drauf. Ich hoffe, dass das eine gute Nachricht ist. Ich glaube schon, dass man das so sehen kann. Ich will aber bei den Ländern zunächst mit dem Saarland beginnen. Im Wahlkampf hat DIE LINKE auch neben vielen inhaltlichen Forderungen plakatiert: „Wer Grün wählt, wird sich schwarzärgern!“ Genau dieses ist jetzt eingetreten. Es ist so, dass die Grünen ihr zentrales Wahlversprechen gebrochen haben. Ihr  Wahlprogramm beginnt damit, dass die Ablösung der absoluten Mehrheit der CDU das zentrale Wahlziel ist. Ich will ganz klar auch sagen, dass Oskar Lafontains Wechsel eine Garantie im Saarland für politische Stabilität gewesen wäre. Die anderen Parlamentarier der LINKEN sind im Wesentlichen parlamentarisch unerfahren. Zehn von zwölf saßen bisher nicht im Parlament. Oskar Lafontaine hat aber eine sehr, sehr breite Erfahrung. Für mich ist das wirklich völlig unverständlich, wie nun ausgerechnet er für das Scheitern von rot-rot verantwortlich gemacht werden soll. Er ist lange als Fraktionsvorsitzender im Saarland gewählt, das ist überhaupt keine Überraschung gewesen. Er hat auch gesagt, dass er selbstverständlich dabei sein wird, wenn rot-rot-grün nicht nur verhandelt, sondern auch zustande kommen wird. Also hier jetzt zu sagen, sein Rückkehr an die Saar ist der Grund für das Scheitern. Wenn man damit den Spitzenkandidaten und den Fraktionsvorsitzenden meint, das ist schon einigermaßen kurios.

Es ist letztlich eine Koalition von Wahlverlierern und Wahlbetrügern. Ich will das so deutlich sagen. Minus 13 Prozent hatte die CDU mit Herrn Müller. Er wird jetzt mit diesem Wahlergebnis Ministerpräsident an der Saar werden. Es ist auch in besonderer Weise perfide Heiko Maas gegenüber, denn in der letzten Woche vor der Landtagswahl wurde die SPD ganz klar und eindeutig von den Grünen gebeten, noch einiges zu tun, damit sie die 5 Prozent-Hürde schaffen. Das hat die SPD dann auch getan. Das ist nun eine besondere Form der Verklapsung der SPD. Ich hoffe nur, dass die Sozialdemokraten nicht nur an der Saar entsprechende Schlussfolgerungen daraus ziehen. Und jetzt wird von der Grünen-Spitze so getan, es wäre eine alleinige Saar-Entscheidung. Wir haben in Hamburg schwarz-grün, wir haben jetzt Jamaika, im Land Berlin wird in der Opposition extrem zusammengearbeitet. Ich bleibe bei einer Position, die ich hier schon mehrfach bezüglich der Grünen gesagt habe: Wer in alle Richtungen offen ist, ist letztlich nicht ganz dicht. Ich glaube, dass es eine unverantwortliche Entscheidung ist. DIE LINKE wird an der Saar eine kraftvolle Opposition sein. Wir sind enttäuscht über die Entscheidung. Eine Partei mit 5,9 Prozent, bei der in Gedanken offensichtlich das Komma immer wieder verrutscht, drei Abgeordnete, jetzt zwei Minister – aber gut, es ist so wie es ist. Nichts desto trotz bleibt unsere Position: Was wir den Wählerinnen und Wählern auch an der Saar versprochen haben, wird so bleiben.

Ich will zu Brandenburg noch nicht sehr viel sagen, wenn offensichtlich die Zeichen hier auf rot-rot stehen. Das ist nicht so, dass wir jetzt in irgendeiner Weise jubeln, denn das wird eine ganz, ganz harte Zeit für DIE LINKE, wenn wir dort in einer rot-roten Regierung sind. Das ist ja dann wirklich mal eine große Koalition in Brandenburg. Missverständlicherweise wurde das in den letzten zehn Jahren immer behauptet, aber das ist ein Missverständnis, denn jetzt koalieren, wenn es dazu kommt, erstmalig die beiden großen Parteien. Es ist für uns natürlich eine Voraussetzung. Das eine oder andere ist sicherlich auch aus Berlin zu übernehmen – Vergabegesetz, Mindestlohn, öffentliche Beschäftigung –, aber ich bleibe für Brandenburg dabei: Für uns ist es eine große Herausforderung, angesichts auch einer nicht ganz leichten Haushaltslage. Ich will auch klar und deutlich große Hochachtung vor Kerstin Kaiser hier aussprechen: Sie hat ein hervorragendes Wahlergebnis als Spitzenkandidatin in Brandenburg erzielt, und ich will auch klar und eindeutig sagen, dass sie hier deutlich die Interessen Brandenburgs nach oben gestellt hat und nicht etwa persönliche Interessen. Ich will klar und deutlich sagen, dass ich vor ihrer Entscheidung, dort nicht unbedingt in das Kabinett zu wechseln, große Hochachtung habe.

Natürlich ist Brandenburg auch ein kleiner Schritt, was den Bundesrat betrifft. Das wäre nach Berlin eine zweite rot-rote Regierung. Natürlich wachsen da auch Chancen. Aber es ist ganz klar und eindeutig, dass da sehr viel an der Landtagswahl im nächsten Jahr in Nordrhein-Westfalen hängen wird. Wir treten dort an, um in den Landtag in NRW einzuziehen. Das ist das primäre Ziel für DIE LINKE dort, das ist das Anliegen der Gesamtpartei und eine große Herausforderung für uns. Oskar Lafontaine hat von einer kleinen Bundestagswahl gesprochen. Wir werden sie genauso angehen, und das heißt, dass die organisatorische und auch inhaltliche Voraussetzung eine Herausforderung auch für das Karl-Liebknecht-Haus sein wird. Aber der Blick geht dann natürlich weiter. Sie wissen, im Jahre 2011 wird auch in Sachsen-Anhalt, auch im schönen Mecklenburg-Vorpommern gewählt. Vielleicht ergeben sich da weitere Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit jenseits von schwarz-gelb und auch vielleicht jenseits von Jamaika.

Eine letzte Bemerkung, die ich machen will: Wir haben nach den Wahlen, insbesondere nach der Bundestagswahl, einen großen Zuwachs an Mitgliedern bei der LINKEN gehabt. Wir sind jetzt insgesamt über 77.000 Mitglieder, haben 1.987 neue Mitglieder seit September allein in der Bundesgeschäftsstelle begrüßen können. Das ist eine Herausforderung, dass wir als Zielsetzung, vielleicht nicht mehr in diesem Jahr, aber dann im nächsten, die 80.000er Marke ins Visier nehmen. Ich glaube, dass es da eine Korrespondenz Wahlergebnis und steigende Mitgliederzahlen gibt. Das stimmt mich als Bundesgeschäftsführer natürlich in besonderer Weise freudig.

Dankeschön!