Unser Leitantrag ist umfangreich debattiert worden
Statement von Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch auf der Pressekonferenz im Berliner Karl-Liebknecht-Haus über die Ergebnisse der Parteivorstandssitzung am 12. April 2008
Ich möchte zunächst, weil mich die Nachricht vor wenigen Minuten erreicht hat, ein paar Bemerkungen zum Rücktritt des sächsischen Ministerpräsidenten Milbradt machen. DIE LINKE, auch hier in Berlin, wie in Sachsen betrachtet das als einen überfälligen Schritt. Nicht erst die Dinge, die am Wochenende aufgetaucht sind, dass die Bürgschaften offensichtlich alle wirksam werden, sind Anlass genug, sondern es ist die Politik der letzten Jahre. Aber der Rücktritt von Herrn Milbradt reicht nicht aus. In Sachsen ist es notwendig, schnellstmöglich Neuwahlen herbeizuführen. Diese Koalition, die sich selber eine große nennt, obwohl die SPD im einstelligen Bereich ist, ist mit ihrem Latein am Ende. Wir brauchen Neuwahlen, wir brauchen eine neue Regierung in Sachsen unter Ausschluss der CDU. Auch der Vorschlag, jetzt den Finanzminister als Nachfolger zu benennen, weist nicht in die Zukunft. Wir brauchen Neuwahlen. Wir brauchen in Sachsen eine neue Politik, damit das Land nicht weiter auf die schiefe Bahn kommt.
Ich möchte jetzt zu der Sitzung des Parteivorstandes kommen. Wir haben eine sehr zielorientierte Sitzung gehabt. Sie haben – nehme ich jedenfalls an – den vom Parteivorstand für den Parteitag verabschiedeten Leitantrag, bekommen. Wir haben den Leitantrag überschrieben: "Eine starke LINKE für eine andere, bessere Politik". Dieser Leitantrag ist sehr umfangreich debattiert worden. Wir haben dort konstatiert, dass eine starke LINKE die sozialen Themen wieder auf die Agenda setzt, dass soziale Themen in Deutschland wieder ernst genommen werden. Sehr wichtig ist, dass für uns praktische Veränderungen in der Politik der Maßstab für unsere Arbeit sind. Wir können da in den letzten Monaten und Jahren auf diverse Erfolge verweisen. Es ist nicht nur, dass die 58er Regelung verlängert worden ist. Wir glauben auch, dass die Debatte um Renten und Rentenerhöhungen ohne uns so nicht stattgefunden hätte. Wir glauben im Übrigen auch, dass die Debatte um die Bahn – ich komme noch darauf zurück – ohne das Agieren der LINKEN so nicht zustande gekommen wäre. Wir haben mit dem Leitantrag die Schwerpunkte unseres Agierens in den nächsten Monaten bis zu den zentralen Wahlen festgelegt und für den Parteitag vorgeschlagen. Das sind die Ihnen auch bekannten Punkte: die Wiedergewinnung des Öffentlichen, dass wir für eine wirkliche Gesundheitsreform eintreten, dass wir für gute Arbeit auch gute Löhne und Renten wollen und vieles andere mehr. Das können sie in dem Leitantrag nachlesen. Ich gehe davon aus, dass wir auf dem Parteitag sicherlich auch mit kontroversen Diskussionen zu rechnen haben, aber die Grundlinie, die wir am Samstag beschlossen haben, in Cottbus wiederfinden werden. Ich möchte auch noch hervorheben, dass der Leitantrag eine sehr breite Zustimmung gefunden hat. Es gab eine Gegenstimme und eine Enthaltung.
Lassen Sie mich eine zweite Bemerkung machen. Es handelt sich um die Frage eines eigenständigen Antrags zur Wirtschafts- und Finanzpolitik, der dann etwas reduziert als Zukunftsinvestitionsprogramm bekannt wurde. Der Vorstand hat auch da mit großem Einvernehmen eine Einigung erzielt. Wir werden keinen eigenständigen Antrag einreichen. Wir haben einen Teil des ursprünglichen Antrags in den Leitantrag aufgenommen. Ich glaube, dass wir so letztlich einen sehr guten Kompromiss erzielt haben.
Ich möchte auf zwei Dinge noch mal eingehen: Auf der einen Seite wurde häufig geschrieben, dass der Streit darum ginge, wie hoch etwas das Investitionsprogramm sein soll. Das ist in der LINKEN kaum ein Streitpunkt. Schon im Bundestagswahlprogramm 2005 ist nachzulesen, dass wir für ein Zukunftsinvestitionsprogramm sind. Da ist das mir 40 Mrd. € beziffert. Es ist damals schwerstens kritisiert worden, auch von CDU, CSU und SPD. Aber kurz nach der Bildung der großen Koalition wurde dann auf der Klausur entschieden, ein 20-Mrd.-€-Programm aufzulegen. Das war gar nicht so sehr überraschend.
Ein Problem, über das wir weiter diskutieren müssen, ist die Frage der Finanzierung. Sie kennen die von mir dargelegte Position dazu, in welche Richtung unsere Prioritäten gehen. Das haben wir in dem Leitantrag auch dargelegt. Natürlich steht dort ganz weit oben die Bildung.
Ich möchte einen dritten Punkt, der in der Öffentlichkeit eine große Rolle spielt, ansprechen: das Thema Bahnprivatisierung. Das spielte im Parteivorstand erneut eine Rolle, wenn auch da kein so großer Diskussionsbedarf vorhanden ist. Aber da wir die öffentliche Debatte und das Engagement vieler, insbesondere auch des Bündnisses "Bahn für alle", erleben können, haben wir unsere Gliederungen gebeten, in besonderer Weise aktiv zu werden, weil diese Auseinandersetzung in der großen Koalition nun offensichtlich nun doch zu einem Ergebnis oder – was wir hoffen – zu keinem Ergebnis führen wird. Ich kann, auch wenn ich das Ergebnis der Diskussion in der SPD – die Teilprivatisierung - betrachte, nur feststellen, dass sich Kurt Beck hier als Pirouettenkönig präsentiert. Ich kann das alles nicht mehr nachvollziehen. Ich weiß nicht, wie man den Kompromiss in der großen Koalition umsetzen will. Ich kann nur eines empfehlen: Schluss mit dieser Debatte! Bahnprivatisierung: Nein! 2009 kann dann auch ein Jahr werden, wo die Menschen in diesem Land darüber abstimmen können, ob eine Privatisierung der Bahn gewollt ist. Unsere Position ist ganz klar: Wir fordern, dass die Bahn im Eigentum des Bundes bleibt. Wir sind für eine moderne kundenorientierte Bahn. Wir wollen, dass die Bahn für Kunden bezahlbar und sicher bleibt. Das ist unser Ziel, und das ist auch, gerade sogar im öffentlichen Eigentum, machbar. Der geplante Börsengang wäre, so die Sicht der LINKEN, eine gigantische Verschleuderung von Volksvermögen.
Lassen Sie mich einen letzten Satz sagen, den ich jetzt etwas kurz fassen möchte: Wir haben uns, auch im Rahmen der Diskussion um das Zukunftsinvestitionsprogramm, mit der aktuellen Finanzmarktkrise befasst. Wir sehen gerade hier, dass Regulierung in anderer Weise notwendig ist. Das betrifft Wechselkurse. Das betrifft aber auch eine öffentliche Kontrolle von Banken, denn die Landesbanken haben in den letzten Jahren offensichtlich durch die "Lockerung" Geschäfte machen können, die sie in diese Situation gebracht haben. Wie hier in Minuten Milliardenbeträge bereitgestellt werden – das trifft für den Bund zu über die KfW bei der IKB, auch wenn es zunächst nur als Bürgschaft ist - das ist so nicht akzeptabel. Wenn wir im Deutschen Bundestag bescheidene Anträge in Millionenhöhe stellen, dann ist es zumeist die Frage der Finanzierung, die sehr groß aufgerufen wird. Hier geht das ganz schnell. Die Verluste sollen sozialisiert werden. Das ist eine Entwicklung, die DIE LINKE so nicht akzeptiert.